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Aton Five – Aton Five

(pe) Aton Five sind eine 2014 formierte vierköpfige Band aus Russland, die mit ihrem selbstbetitelten, rein instrumental eingespielten Album „Aton Five“ nach einer Debut EP und zwei weiteren Longplayern nun ihr neuestes Werk vorlegen.

Sie selbst bezeichnen sich als progressive Rock-Metal-Band, und diese Genre-Einordnung trifft den berühmten Nagel auf den Kopf!

Aton Five sind: Anton Ablov (Synthies, Piano, Orgel) Roman Makushev (Drums) Alexander Seleznev (Gitarren, zusätzliche Keyboards) Mikhail Zenkov (Bass)

Die Band selbst schreibt in ihren Liner Notes, dass sie die Vergangenheit musikalisch nicht wiederholen wollen, sondern bestrebt sind, dem Genre etwas Neues hinzuzufügen – betrachtet man das Album als Gesamtwerk, gelingt ihnen dieser Vorsatz durchaus:

Die beiden ersten Tracks „Alienation“ und „Naked Void“ kommen eher klassisch metallisch um die Ecke, glänzen mit äußert virtuosen Gitarrensoli und sind dabei sehr stark keyboardgetrieben. Überhaupt sind die Keys mit Ausnahme des letzten Songs über das komplette Album hinweg neben der klassischen Metalgitarre vorherrschend, treiben mal an, mal bringen sie die Wogen zur Ruhe, oft wirken sie wie eine emotionale Herz-Vorhof-Kammer, die für das eigentliche pumpende Organ – in diesem Fall zweifelsfrei die Gitarrenarbeit von Alexander Selevnev – den Soundteppich bereiten.
Für das Metal-Genre ist kein anderes Instrument so bedeutsam wie die Gitarre. Sie ist zeitgleich Rückgrat und goldener Kern des Metal, und „Alienation“ und „Naked Void“ führen dies Exzellent vor Ohren. „Alienation“ wirkt dabei deutlich aggressiver als der Folgetrack „Naked Void“, der schon fast eher wie die Instrumentierung einer Traumsequenz anmutet.

Den ersten Hinweis auf einen Bruch mit dem klassischen Metal geben Aton Five schließlich mit dem kürzesten Track des Albums „Clepsydra“: weich wabern hier zunächst nur Gitarre und Bass vor sich hin, bis gegen Ende wiederum recht reduziert die Keys mit einstimmen – und es macht sich ein Gefühl von „Prog“ breit – der Song wirkt wie ein Interlude, das den Übergang vom einen zum anderen Genre einleitet.

Und so nimmt sich der vierte Track „Danse Macabre“ dann 8 Minuten Zeit, den Metal ins Prog-Universum zu transferieren und zieht dabei alle Register einer komplexen Komposition von harten Gitarrenriffs, einem kaskadenartigen klimaktischen Aufbau, der nach fast kakophonischem Ausbruch zunächst in einer wunderschön tragenden Gitarrenmelodie und schließlich in der Ruheausstrahlung eines klassischen Pianos gipfelt – Verschnaufpause – bevor es am Ende doch noch einmal ordentlich Gitarrendramatik gibt.

Der eigentliche Bruch innerhalb des Albums – und damit schaffen Aton Five tatsächlich die Realisierung Ihrer Intention, dem Genre etwas Neues zu bescheren – erfolgt final in Form des letzten Stückes „Lethe“. Über 22 Minuten entführt dieser Song uns komplett hinaus aus der Metal-Welt.
Und dafür hinein in eine Prog-Odyssee epischen Ausmaßes. „Lethe“ ist das Kern- und Glanzstück, das Herz dieses Albums und damit auch mein Anspieltipp für den interessierten Leser.

Die Lethe ist einer der Flüsse in der Unterwelt der griechischen Mythologie, und hier findet man auch den Bezug zum Cover des Albums, das einen gefallenen und grimmig dreinschauenden griechischen Gott zeigt, der langsam von Wurzelwerk und Pflanzen überdeckt zu werden scheint: wer das Wasser der Lethe trinkt, verliert vor dem Einzug ins Totenreich die Erinnerungen an sein altes Leben. Diese Thematik lässt sich musikalisch auf die Transition von reinem Metal zu etwas musikalisch Neuem übertragen, lässt aber auch tiefere Interpretation wie das Vergessen oder die Degenerierung von Werten in unserer heutigen Gesellschaft mit dem Resultat von Kriegen, Armut, Umweltzerstörung, etcpp zu – die Interpretation ist schließlich dem Hörer selbst überlassen.

Und so beginnt „Lethe“ mit dem Rauschen von Wasser, nimmt uns mit auf einen Trip fast epischen Ausmaßes durch alle Bereiche, die das Progger-Herz begehrt: man geht förmlich auf Entdeckungsreise und findet vielerlei Anleihen und Reminiszenzen an große Bands des Genres, vorneweg Pink Floyd (insbesondere der Anfang erinnert stark an das großartige „One Of These Days“), aber auch die frühen Genesis oder gar feine Tool-Einspritzer sind zu entdecken.

Wer Freude an instrumentalem Metal und Progrock hat und sich gerne auf Experimente in der Kombination dieser Genres einlässt, dem sei dieses Album (das leider nur auf CD , dafür aber in schön gestaltetem Vier-Panel-Digi-Sleeve erschienen ist) durchaus ans Herz gelegt. Allein am letzten Track lässt es sich lange gespannt und interessiert festhalten.
Und sollte mit dem Konsum des die letzten Albumsekunden füllenden erneuten Wasserrauschens des „Lethe“ tatsächlich das Vergessen beim Hörer einsetzen, kann man schnell nochmal auf die Play-Taste drücken und sich neu erinnern lassen …

(peter)

 

Filed under: Album Reviews, Metal, Prog, Rock,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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