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CADÛ – Psychotic Parade

(ju) Cadû ist ein Wort aus dem (Alt)kurdischen und wird [tschaduu] ausgesprochen. Es bedeutet soviel wie Magie, Vodoo, Zauberer:in oder Hexe:r. „Psychotic Parade“ könnte wiederum gut mit Wundertüte übersetzt werden. Unweigerlich sehe ich Forrest Gump in weißem Anzug auf der braungestrichenen Bank sitzen, das knallrote Album auf seinem Schoß, und höre ihn mit monotoner Stimme sagen: „Psychotic Parade‘ ist wie eine Schachtel Pralinen.“ Bei dieser Wundertüte weiß man tatsächlich nie so genau, was man kriegt. Die Scheibe insgesamt steckt bereits voller Überraschungen, ebenso wie jeder einzelne Song an sich.

Das zweite Studioalbum des Wiener Duos Clemens Hackmack (Gitarre) und Scharmien Zandie (Gesang) wartet auf mit unerwarteten Songstrukturen, überraschenden Normbrüchen und verspielten Sound- und Stilexperimenten, die trotz aller Experimentierfreude und psychedelischen Ausschweifungen in einem angenehm offenen Rahmen bleiben. Somit wird die psychotische Parade an keiner Stelle langweilig, sorgt bei der etwas anspruchsvolleren Zielgruppe jedoch auch niemals für Überforderung. 

Mit ihrer selbstbezeichneten Genremischung aus Psychedelic, Prog- und Triprock haben Zandie und Hackmack nach ihrem Erstling „Steelstreet“ von 2019 ihr Stil- und Soundspektrum nochmals deutlich erweitert, hauen diesmal jedoch ein wenig direkter auf die Kacke. An ihrem zweiten Studioalbum wirkten Timothy Luger am Bass und Max Mayer am Schlagzeug mit, während Manuel Pitsch die Percussions bediente. 

„Lucid Dreaming“ drängt zunächst mit dynamischem Gute-Laune-Rock im Bass- und Drums-Galopp vorwärts, bespickt mit teils verträumten, teils fuzzigen Gitarreneinlagen und getragen von einer sinnlich-sanften Stimme, die gut zum nächsten Bond-Film passen würde (zu welchem Bond-Nachfolger auch immer). Spätestens im explosiven Schluss des draufgängerischen Openers wird klar: Scharmien Zandies hat noch viel mehr zu bieten als bei deutlicher Artikulation die Töne zu treffen. Ihre Stimmkraft und -vielfalt sind gewaltig! Mal trotzig-frech und punkrockgörig wie in „DNA“ oder „Psychotic Parade“, dann wieder soulig-sanft-verträumt mit Einlagen von poetischem Sprechgesang („Ol“). 

Entsprechend gestaltet sich auch das instrumentale Fundament, über dem Zandies Stimme entweder leicht entrückt schwebt oder welches sie mit leidenschaftlicher Gewalt zu durchbrechen versucht, wie etwa in in den Schlusstakten von „Lucid Dreaming“ und „Ol“. Zwei weitere gelungene Beispiele für solche Gegensätze von zart und brachial sind „Giant Head“ und „Dead End“, die an geeigneter Stelle zugleich herrlich psychedelische Entrückung bieten. In „Mesmerizing Flow“ harmonieren Clemens Hackmack und Scharmien Zandie in einem treibenden Duett. 

Mein persönlicher Anspieltipp – besonders für Freunde härterer Kopnicker-Riffs und frickeliger Rhythmen – ist der auf dem Album als letzter Track angegebene Titel „Dead End“. Dessen hypnotisierender, krautrockiger Schluss, der nach einer längeren Pause ab Minute 09:12 beginnt (die Gesamtlänge von „Dead End“ beträgt 17:19 Minuten), geht schließlich nahtlos über in einen ähnlich spacig-entrückten, achtminütigen Hidden Track. 

Bei aller Experimentierfreude und Genre-Grenzen-Sprengung macht „Psychotic Parade“ aber vor allen Dingen eins: mächtig Spaß. Und genau das ist das Ansinnen der Band: „Wir wissen, die Welt ist im Arsch und dem Untergang geweiht, genau wie wir. Aber wir haben die Nase voll vom ‚Zeitalter der Angst‘! Uns treibt es mehr zum Feiern!“ Also dann – worauf warten wir noch? Lets join the parade! 

(judith)

Label: StoneFree Records / noisolution 

VÖ: 13.10.2023

Dauer: 58:04 

Trackliste: 

  1. Lucid Dreaming 
  2. DNA 
  3. Transition
  4. Ol
  5. Giant Head
  6. Mesmerizing Flow
  7. Psychotic Parade
  8. Dead End
  9. [hidden track]

Filed under: Album Reviews, Prog, Psychedelic, Rock, ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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