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Mogwai – Spot De Oosterport Groningen 15.02.25

(pe) Manche Konzerte sind einfach nur gut. Andere brennen sich in die Seele ein – und Mogwai in Groningen gehört definitiv zur letzteren Kategorie… Am 15. Februar 2025 verwandelte die schottische Post-Rock-Legende den großen Saal des Spot De Oosterpoort in ein Meer aus Klang, Licht und Emotionen. Es war eine Erfahrung, die nicht nur die Ohren, sondern den ganzen Körper in Aufruhr versetzte …

Sind Mogwai auf den Studio-Alben doch vorwiegend Vertreter der leiseren, melancholischeren Töne, so sollte sich dieser Abend für mich komplett unerwarteterweise wie die Entladung eines zum Zerbersten fett aufgestauten Elektro-Gewitters gestalten.

Schon mit den ersten Tönen von God Gets You Back vom aktuellen Album The Bad Fire breitete sich eine gewaltige Klangwelle im Saal aus. Ein Brodeln, ein Anschwellen, das sich langsam aufbaute – bis es schließlich über das Publikum hereinbrach. Diese Musik ist keine Aneinanderreihung von Songs, sie ist eine Naturgewalt. Mal sanft wie eine warme Umarmung, dann wieder erbarmungslos wie ein Sturm, der alles mit sich reißt.

Apropos Saal: das Spot De Oosterport wirkt eher wie ein Theatersaal als ein Konzertsaal: rund um die Bühne und einen eher intimen Stehplatzbereich herum angeordnet sind die Sitzplätze in rotem Samt schön weich aufgepolstert und boten mir so an diesem Abend den perfekten altersgerechten Genuss. Die Kirsche on top: der Sound im Saal war an diesem Abend schlichtweg perfekt!

Das Set bot eine Reise durch Mogwais äußerst breites Schaffenswerk und umfasste Stücke aus nicht weniger als 10 verschiedenen Alben der Band mit dem Fokus auf neuen Stücken wie Hi Chaos und What Kind of Mix Is This?, die sich mühelos in das Gesamtbild einfügten. Doch die wahren Gänsehautmomente entstanden, als Klassiker wie Ithica 27ø9 oder insbesondere als letzte Zugabe Mogwai Fear Satan erklangen. Diese Momente, wenn das Gitarrenfeedback langsam anschwillt und schließlich explodiert – er fühlte sich jedes Mal an wie ein Bruch mit der Realität.

Die Bühne war in ein Spiel aus Licht und Schatten getaucht, perfekt abgestimmt auf die Musik. Tiefrote Flächen, bedrohlich pulsierende Stroboskope, plötzliche Dunkelheit – das Zusammenspiel zwischen Ton und Licht ließ die Songs noch intensiver wirken und dabei fiel eines besonders auf: Nicht die Band, sondern einzig und allein die Musik war Protagonist an diesem Abend. Die Musiker selbst traten völlig in den Hintergrund, ihre Körper eigentlich durchweg nur als Schattensilhouetten vor der mächtigen Light-Wall erkennbar. Kein Rampenlicht, keine großen Gesten – nur der Klang, der sich über alles erhob.

Mit Abstand mein größtes Highlight an diesem Abend: Mogwai Fear Satan, das als finale Zugabe dargeboten wurde und die Musik über das rein Hörbare hinaus transzendierte: ganz ruhig, mit lediglich einer Gitarre beginnend, dann von einer zweiten Gitarre unterstützt, kurz darauf vom Bass ergänzt und schließlich mit dritter Gitarre und Schlagzeug in ein dramatisches Soundfeuerwerk eskalierend, begleitet von blendenden Stroboskopen, ließ den ganzen Raum erbeben. Es war nicht nur laut – es war körperlich spürbar. Nach der Eskalation schwoll die Musik langsam ab, und als die letzten verzerrten Töne im Raum verhallten und das Publikum sich wie in einer beruhigten See nach dem tosenden Sturm wähnte (und ich dummerweise schon meine Tempotaschentuch-Earplugs entfernt hatte), passierte etwas, das mich vollkommen unvorbereitet traf und was ich in dieser Art bisher noch nie bei einem Konzert erlebt habe: ein musikalischer Jump-Scare, wie entführt aus einem Horrorfilm: Urplötzlich – in einer Sekunde absoluter Stille, als jeder im Publikum sich schon bei der Verabschiedung der Band wähnte – ließ die Band einen unfassbaren Urknall aus Sound und Licht explodieren, eine infernale Detonation, die mich tatsächlich fast vor Schreck von meinem Sitzplatz gerissen hätte. Mein Herz raste, Adrenalin schoss durch meinen Körper, und für einen Moment wusste ich tatsächlich nicht, wie mir geschah, wo oben, unten, links oder rechts war – während Mogwai weitere drei Minuten lang ein Licht- und Sound-Feuerwerk auf das Publikum niederprasseln ließen, das eher gefühlt als nur gesehen und gehört werden wollte!

Und dann war da das Publikum. Keine wilden Jubelschreie zwischen den Songs, kein nerviges Gequatsche. Stattdessen Stille, Ehrfurcht, völliges Versinken in der Musik. Man sah geschlossene Augen, entrückte Blicke, Menschen, die mit jeder Faser spürten, was da auf der Bühne passierte.
Mogwai sind keine Band, die mit großen Gesten oder Ansagen arbeitet. Ihre Sprache ist der Klang – und den sprechen Sie fließend und in allen Weltsprachen.

Nach fast zwei Stunden entließen uns Mogwai mit einem letzten Hallen, einem letzten Nachzittern der Gitarren. Zurück blieben vibrierende Körper, ein Gefühl der Verschmelzung von Glück und Erschöpfung – und die Erkenntnis, gerade etwas Magisches erlebt zu haben.

Mogwai live zu erleben, bedeutet, sich fallen zu lassen und mitgerissen zu werden. Zeuge zu werden, wie perfekt eine Band mit Stimmungen spielen kann, wie meisterlich stille Momente mit purer Raserei verbunden, wie Marianengraben-Tiefen mit Erleuchtungs-Höhen kontrastiert werden können.

Groningen war an diesem Abend kein Konzert – es war eine Erfahrung, die nachhallt. Und noch lange nachklingt – und das nicht nur wegen der fehlenden Ohrstöpsel in den letzten drei richterskala-erschütternden Minuten des Abends … (peter)

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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