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Highest Primzahl On Mars & Minerall – Vortex Surfer Musikclub Siegen – 8. März 2025

HIGHEST PRIMZAHL ON MARS

(pe) Highest Primzahl On Mars – das sind Arun Kumar an Gitarre und Theremin, Uli Wagner an der Gitarre, Frank Diedrich am Bass und Gerd Böhme am Schlagzeug.

Nachdem Blogchef Volker meine Rezeptoren schon ein Jahr zuvor mit seiner Empfehlung ihres Debutalbums „Escape From Moronia“ auf Empfang gestellt hatte und die Veröffentlichung des Nachfolgealbums „Error Not Found“ mich endgültig vor lauter Begeisterung vor dem heimischen Plattenspieler niederknieen ließ, war die Vorfreude auf den ersten Live-Kontakt am heutigen Abend im legendären Siegener Vortex Surfer Musikclub entsprechend groß – und, um es vorweg zu nehmen: sämtliche Erwartungen wurden um mindestens das höchste-Primzahl-auf -Erden-fache übertroffen!

Wenn direkt zu Beginn nach den ersten Tönen bereits ein erster roter Damenslip auf die Bühne fliegt (whatthefuck!?!??) – und allerspätestens wenn Bassist Frank Diedrich beim angekündigten „etwas ruhigeren“ zweiten Song sich seiner Lederjacke entledigen muss, weiß man, dass die Hütte hier in Flammen steht!

Ob es daran lag, dass sich ganz aktuell im März der rote Planet beim Vorbeiziehen von der Erde aus gesehen in genauer Opposition zur Sonne befindet, diese den Mars also direkt anleuchtet und ihn die ganze Nacht hindurch besonders gut am Himmel orange leuchtend sichtbar macht – oder ob die vier Jungs und das Publikum einfach komplett auf einer perfekten Frequenzwelle miteinander durch die Sphären surften … man weiß es nicht, und es ist eigentlich auch egal, denn was zählt ist: Highest Primzahl On Mars bescherten uns den perfekten krautgeschwängerten Space-Jam und nahmen uns mit auf einen irren Trip mit ihrer einzigartigen, schillernden Mischung aus instrumentalem, hyperpsychedelischem, progressivem Spacerock.
Ich würde so weit gehen, ihren Stil als kosmischen Jazz zu bezeichnen – denn HPOM lassen sich treiben, sie reagieren auf das, was ihre Bandkollegen auf ihrem Instrument kreieren, steigen darauf ein und werden dann selbst zu Generatoren von etwas Neuartigem, auf das wiederum musikalische Reaktionen der Mitstreiter folgen. Und so halten sie sich und ihre Musik permanent in einem stets Veränderung unterliegenden Fluss, auf dem sie selbst wie Treibholz umhermäandern und sich selbst mitfließen lassen. Jeder Song wird damit zu einem Unikat, niemals in derselben Form reproduzierbar, komplett einzigartig!

In Songlängen zwischen 15 und gefühlt unendlich vielen Minuten verstehen es die vier Herren, die Grenzen von Raum und Zeit derart zu dehnen, mittels komplexer Strukturen mit unberechenbarer Rhythmik Spannungsbögen fast unmerklich aufzubauen bis zur klimaktischen Explosion, sich zwischendurch durchaus auch immer wieder zurückzunehmen und mit Theremin und anderen Effekten eine wirklich galaktische Atmosphäre zu erzeugen, dass sich der Hörer wirklich komplett verlieren kann in diesem ganz ureigenen musikalischen Universum.
Gerd Böhme untermauert diese komplexe Sound-Kathedrale wunderbar mit teils stoischer, repetitiv-rhythmiger Bearbeitung seines Schlagzeugs, bricht aber auch immer wieder passend aus der krautigen Ur-Substanz aus und treibt seine Mitstreiter mit Enterprise-Scotty-artiger Soundingenieursbrillianz zu Höchstleistungen (und das am heutigen Abend – Kudos! – mit wegen einer Schnittverletzung dick bandagiertem Zeigefinger, der das Konzert fast nicht hätte stattfinden lassen können…)

Ich mag überschwänglich klingen – doch um es abschließend kurz und knapp zu formulieren: diese fantastische Band hat es verdient!

Herzlichen Dank für Euren großartigen Auftritt – der aber nur Teil 1 dieser unvergesslichen, epischen Space-Opera in Siegen sein sollte, denn mit Minerall hatte das Vortex im zweiten Teil des Abends eine weitere Band gleichen Kalibers im Köcher, von der Euch nun Blog-Kollegin Jules berichten wird … (peter)

MINERALL

(jul) Wer sich auf einen Abend mit Minerall einlässt, weiß: Das, was hier passiert, wird es genau so nie wieder geben. Marcel Cultrera (Speck) an der Gitarre, Tommy Handschick (Kombynat Robotron, Earthbong) am Schlagzeug und Sula Bassana (Electric Moon, Zone Six) am Bass, erschaffen zusammen  ein improvisiertes Sound-Kunstwerk, das zwischen krautiger Trance und spaciger Ekstase oszilliert. Keine festen Strukturen, keine Wiederholungen – nur der Moment zählt.

Und genau das macht Minerall aus: Ein Erlebnis, das nicht nur das Ohr, sondern auch das Bewusstsein erweitert.  Minerall brachten gestern im Vortex Surfer Club eine hypnotische Welle aus Klangflächen, krautigen Rhythmen und spacigen Jams auf die Bühne. Unter dem Banner von „Rock Freaks presenting the psychedelic kraut explosion – live!“ wurde das Publikum Zeuge einer Sound-Expedition, die weit über das hinausging, was man als klassisches Konzert bezeichnen könnte.

Die ersten Minuten waren ein geduldiges Anrollen – ein sanftes, doch unaufhaltsames Hineinziehen in den Sog der repetitiven Rhythmen. Handschick baute ein perkussives Fundament, das nie in den Vordergrund drängte, sondern wie ein Puls durch die Performance schlug. Über diesen Teppich legte sich Cultreras Gitarre – flirrend, sirrend, schneidend – mal ein psychedelischer Schleier aus Hall, Delay und Echo, dann wieder funkige Passagen, die den krautigen Jams eine treibende Lebendigkeit, ein hypnotisches Pulsieren gaben, das das Publikum mal schweben, mal unkontrolliert mitwippen ließ. Ein spannender Kontrast zu den spacigen, sphärischen Momenten und ein weiterer Beweis dafür, wie spielerisch Minerall Genre-Grenzen auflöst.

Sula Bassana (Dave Schmidt), eine Legende der Szene, trieb den Sound mit seinem Bass-Groove in andere Sphären. Unterbrochen wurde der transformierende Klangstrom, in dem Zeit ihre Bedeutung verlor, durch einen Moment der unfreiwilligen Live-Interaktion zwischen Musik und Materie. Dave hat es geschafft, mit seinen Vibes eine Steckdose in Bewegung zu setzen und locker zu bassen. Nach einem kurzen re-set ging es mit ungebremster Energie fast eineinhalb Stunden in Trance weiter, bis sich der letzte Akkord in einem sanften Echo auflöste, das sich in der Dunkelheit des Clubs verlor. Keine großen Worte von der Band – nur Blicke, ein stilles Einverständnis zwischen den Musikern, dass das Set genau den Punkt getroffen hatte. Man umarmte und bedankte sich.

Weil um 23 Uhr im Vortex Surfer Club ein Rave starten sollte, musste sich das Publikum widerstrebend ohne die verlangte Zugabe aus einem Konzertabend lösen, der mit  „psychedelic kraut explosion“ seinen Namen mehr als verdient hat. Ein hypnotischer Trip, der nachhallt – nicht nur in den Ohren, sondern auch im Kopf und im Herzen. Die drei sind herausragende Musiker und mega liebenswerte Menschen. Für uns vom RBBS war es ein Fest, sie wiedergetroffen zu haben. (jules)

Ps. Die photographischen Übungseinheiten stammen aus Volkers Canon.

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