(jul + kursiver vo) Unsere SOL-Pilgerreise startet um 9:00 Uhr im Ruhrgebiet. Ich sammle Uwe aka @ewu_lohrider in Dortmund ein, dann geht’s weiter über Wuppertal, wo ein gewisser Volker Fröhmer um 10 Uhr abgeholt werden möchte – pünktlich sein ist schließlich Teil seiner DNA.
Während Uwe und ich vor 11 Uhr und ohne Fahrbier noch nicht mal auf Standgas laufen, ist Volker (der vermutlich schon seit 6 Uhr wach ist) längst in Plauderlaune.
Trotz Boxenstopp – ich brauche dringend Kaffeeee – erreichen wir um 12:40 Uhr Wiesbaden. Vor verschlossenen Türen. In der glühenden Sonne. Kein Schatten, kein Erbarmen – nur brutzelnder Asphalt und Schweiß mit Vorfreude-Note. Änderung des Schlachtplans: Bevor wir selbst knusprig werden, flüchten wir in den nahegelegenen Bahnhof und laben uns an krosser Ente, während unsere Synapsen langsam auf Festivalmodus umschalten.
Und dann: Akkreditierungsschlange.
Volker wird erkannt – nicht einmal, sondern ständig. Dann sagt einer diesen Satz: „Volker, du machst mein Leben lebenswert.“
Ich stehe daneben, leicht angeröstet, komplett sprachlos.
Das ist mehr als Szene. Das ist Herz.
Das ist Rock’n Roll Pilgrimage.
Bevor jemand „Amen“ sagen kann, braten die Stromgitarren los – und die kochende Meute setzt sich in Bewegung. Endlich Einlass. Endlich Schatten.
Unter dem Vordach des Schlachthofs flimmert die Luft, und schon schieben sich ELECTRIC JUGS ins Bild. Zwei Aschaffenburger, zwei Instrumente, ein roh-punkiger Dampfhammer, der genau weiß, wie man eine verschwitzte Crowd in Bewegung bringt.
Direkt hinter dem Eingang: der erste Bierstand, davor: durstige Gesichter, zuckende Füße – und mittendrin Garagepunk, der röhrenversifft aus den Boxen scheppert.
Schnell ein Hopfen auf die Hand, rüber zum Merch – dort das große Hallo, Umarmungen, erste verschwitzte Erinnerungen. Das Festival ist da. Und wir sind mittendrin.
Jules und ich bekommen drei Bändchen: für Körper, Seele und Geist….und natürlich für Festival, Photograben und Backstage. Und erstmal, wie zu Beginn in einer Autowaschanlage: am Einlass, wer möchte, kann durch einen feinen Wassersprühnebel waten, feine Idee! Umgucken (Merch, SOL Flohmarkt, Bierstand, Außenbühne, Innenbühne), ahhhh, wunderbar. Sonnengott Ra ist heute sehr gut gelaunt und sorgt für die volle Dröhnung. Viele Bekannte aus der Konzert- und Festivalszene sind vor Ort, wie schön! Durch die vielen Umarmungsorgien verpasse ich fast den Beginn von Lucid Void um 14:30 Uhr, die ich hier auf diesem Gelände zum ersten Mal vor etwas über sieben Jahren beim damaligen SOL Showcase erleben durfte. Damals wie heute musizieren Bela-Bass, Jakob-Gitarre, Max-Schlagzeug und Samba-Tasten zusammen und bewirken mit ihrem psychedelischen, instrumentalen Stoner oder umgekehrt, ein innerliches Ruhen, ein Abtauchen, abdriften und Wegschweben in eine gute Welt. Danke Jungs, für die seligen Momente auf der Outdoor Stage, vor der zu dieser Zeit schon pralles Vergnügen herrscht!

15:35 Uhr Outdoor Stage.
WIGHT aus Darmstadt wirken, als hätten sie sich mit der Sonne verschworen: leicht verschwitzter Funk, psychedelisch vernebelt – aber mit klarem Kompass.
Rene Hofmann & Crew sind der Gegenentwurf zum Hitzekoma: groovegeschmeidig, riffverwirbelt und charmant entrückt. Statt Stoner-Gewitter gibt’s fließende Übergänge, funkelnde Gitarrenspiralen und einen Bass, der seelenruhig die Hüfte dirigiert.
Die Unverzagtesten tanzen sogar dazu.

16:20 Uhr Kant aus Aschaffenburg spielen seit 2020 eine hippe, selbstbewusste Mischung aus Heavy Indie Psyche. Retro im Sound, aber frisch im Auftritt.
Was in Köln stark nach Flohmarkt roch, wirkt heute riffig und fokussiert.
Die Kombo bringt Druck und Haltung auf die große Bühne, ohne sich aufzublasen.
Nicht laut, sondern klug gewachsen, mit vierkantigem Set (KANT sind ein Quartett) und klarer Attitude – heavy kann auch stylisch.

17:05 Uhr, The Machine betreten die Outdoor Stage und erinnern mich daran das dieses Trio in der Zusammensetzung für mich Neuland ist (nur Gitarrist David ist aus der Urformation noch dabei) und sich ihre Musik gewandelt hat: von Stonerpsychedelic mehr zum Alternativ- und Noise Rock, aber „Genau Or Never“ passte mir von der Kragenweite her vorzüglich und sowieso: besonders Schlagzeugbearbeiter, -drescher, -prügler und -berserker Klaas erzeugte Photomotive en masse und überzeugte durch großartiges Können genau wie Chris am Bass, und David ist eh ein Künstler an den sechs Saiten. Ungewohnte Machine Musik für mich und gute Stimmung im Volk vor der Bühne.

17:50 Uhr: Rüber in die gekühlte Halle um Valley Of The Sun die Ehre zu erweisen. Sie sind mit Wilfried, der guten Seele und Tourbegleiter aus Münster unterwegs unter dem Motto: in knapp 50 Tagen durch Europa und sie präsentieren Alt- und Neubewährtes aus 15 Jahren Bandgeschichte. Ryan-Gitarre, Gesang, Chris-Bass und Lex-Schlagzeug heizen die Halle auf und sorgen mit ihrer Farbenfrohen Musik auch für farbenfrohe Photomotive: Dank an die Band und den Lichttechniker.

18:35 Uhr – Outdoor Stage: Da kommen ’se endlich, die Schätzekes!
Heute nicht aus Dortmund angereist, wie wir, sondern im Saunabus direkt vom Blackdoor in Passau:
DAILY THOMPSON. Verschwitzt, verstaubt, verstrahlt – wie immer. Und wie immer: bereit, alles zu geben. Sie bauen auf der kleinen, glutheißen Outdoor-Bühne auf – und erhöhen die Temperatur gefühlt um weitere acht Grad. Dann fliegt alles: Fuzz, Groove, Herz. Und wir mittendrin, heiß erwartet, total bereit – aber ohne Hut! Alle Daily-Thompson-Hüte ausverkauft (heul!) Ich verkrieche mich in den Schatten der Frontrow – und lande direkt im Dauergrinsen von Mephi. Sie spielt, als gäbe es kein Morgen, Danny sägt sich durch den Sound,
Mister Babblz brät das Drumkit gar, und die komplette Crowd ist einfach nur: Da. Drin. Drauf
Trotz Siedepunkt: Gänsehaut pur.
Bei „Pizza Boy“ grölt der ganze Platz mit – wie zuletzt nur beim Heimspiel im Dortmunder Hafen. Aber: Heute reißen sie auch auswärts alles nieder. Wiesbaden loves you. Ich sowieso.
Nach gefühlt 50 Photos von Mephi, die auf der Bühne Motive für die Photographen abgibt (ich mach da mal ´ne Serie raus) die einfach nicht zu toppen sind…..und auch Danny spielt sich fast in Jenseits, die Leute vor der Bühne rasten ein und aus und Torsten schlagwerkt als gäbe es keinen Morgen: was für ein Fest und „let my soul fly“.

19:20 Uhr: meine ganz persönliche Götterspeise für heute Abend, meine Leib- und Magenband, meine Freunde, meine Wohlfühloase, meine Launeaufheller, meine Gänsehauterzeuger- und nah am Wasser Erbauer betreten die Bühne: mit einer brennenden Kerze zu Ehren ihres vor zwei Jahren verstorbenen Schlagzeugers und Freund Steffen! Andre, Matte, Norman und Seppi umarmen sich, werden euphorisch und enthusiastisch und voller Liebe begrüßt (sowas erlebst du nicht oft in der Musikwelt) und ab jetzt ist bei mir sowieso die Objektivität im Nirvana verschwunden: die ersten Klänge nach dem Intro „The Four Horsemen“ gehören „Brahma“ und ich kann mich fast nicht so richtig auf das Photographieren konzentrieren weil mich das so mitreißt was die vier Jungs aus Basel, Haibach, Laudenbach und Wiehl von nun an mit uns machen. Eine körperlich zu fühlende Verbundenheit von Band und Publikum: du siehst völlig entrückte, grinsende, tanzende, schwebende, fliegende Leute die jeden Song prasselnd feiern: „Brahma, Prithvi, Ephedra, Maya Shakti, Ahimsa, Psylobyce und Hymn 72“ sind die Boten unseres und ihres Glücks und Vergnügens: was für eine Stimmung in der Halle! Und natürlich wie immer: die vier geben alles, spielen mit allem was sie haben und geben können: inbrünstig, voller Freude und Energie, gegenseitigem Aufputschen, abklatschen, angrinsen und: die Halle bebt und vibriert!

20:15 Uhr – Outdoor-Ekstase statt Hallen-Kompromiss. GREENLEAF kommen heute rüber wie ein echtes Naturereignis. Auf der Outdoor-Bühne reißen sie die gesamte Fläche mit und blasen einfach alles weg. Beim Soundcheck stehe ich sabbernd in der Burger-Schlange und lasse mich vom Flamegrill Aroma konservieren, während Arvid schonmal amtlich verkündet, dass seine Stimme heute bis zum Bahnhof reicht. Er ist unglaublich präsent, spielt mit der Crowd, alles perfekt abgemischt – klar, kraftvoll, ohne von übersteuertem Bass erdrückt zu werden, wie es in Köln leider der Fall war. Da hatte der Sound in der Halle ein wenig gelitten: Der Bass war zu dominant, die Betonwände ließen alles widerhallen, und Arvids Stimme ging etwas unter. Aber hier, im Schlachthof? Das ist Greenleaf in Bestform, so wie man sie liebt: kraftvoller Sound und mit einer Energie, die das Publikum von der ersten bis zur letzten Note mitreißt. Und zu „Ocean Deep“ stehe ich in der Front Row und flirte mit Tommi Holappa, der aussieht als käme er gerade aus der Dusche – oder als bräuchte er eine.

21:10 Uhr KING BUFFALO Schon beim Soundcheck wusle ich herum wie ein Silberfisch im Neonlicht – vor dem FOH, am Bühnenrand, im Graben, Front Row, mitten in der Crowd. Auf der Jagd nach dem Sweet Spot. Ich will ALLES hören. ALLES sehen. Und ehrlich: Ich bin nicht die Einzige. Die Halle vibriert wie ein lebender Organismus – bereit für Trance, Riff und Erlösung. King Buffalo liefern keine Show, sie erschaffen Sphären. Als „Silverfish“ die Luft zerschneidet, ist’s um uns geschehen. Hypnotische Repeats, brodelnder Bass, Sean McVays Stimme wie ein Ruf aus dem Äther. Der Mann ist voll da – mit Augenzwinkern, kleinen Gesten, Körperspannung. Wer weiß, dass er nicht der lauteste Bühnenmensch ist, spürte doppelt, was dieser Abend bedeutet: Präsenz. Verbindung. Ausbruch. Mit „Orion“ wird es fließend und kühl, „Burning“ fackelt alles ab. Die Crowd? Durchgeschwitzt, selig, eins. Und ich? Wünschte mir, mich zu klonen, um jede Perspektive gleichzeitig zu erleben. King Buffalo in Wiesbaden – das war keine Show. Das war ein Zustand.

Das war das beste Konzert von den Kings was ich je erleben durfte, und ich habe einige erlebt: meine Fresse, voll „under pressure“!
22:40 Uhr: der Meister aller Desert Rock Klassen mit seinem Trio, eine Band die soviel Desertfeeling aufbringt…..Bei der du die Wüste erlebst, ihre Hitze, den Staub. Die kargen und aufs nötigste reduzierten Klänge von Bandnamensgeber Brant Bjork-Gitarre, Gesang, Mario Lalli-Bass (wenn ich seine Bandbeteiligungen aufzähle reicht der Platz hier nicht) und nicht von dieser Basswelt und Mike Amster-Weltklasseschlagzeuger, u.a Nebula, Blaak Heat Shujaa, Mondo Generator sind von nun an für 70 Minuten nur für uns da. Die Hitze wabert, die Tumbleweeds wehen gefühlt durch den Saal, feiner und grober Sand raspelt aus ihren Sound. Brant fetzt und singt die Songs, wie immer, im Stakkatomodus: der „Low Desert Punk“ schaut vorbei! Die Wüste lebt, und wie!

Um Mitternacht die endgültige Aggregatzustandsveränderung:
Ob man wohl auch auf Planet ĬİĨ so schwitzt wie ein Schwein? EINSEINSEINS landen im Kesselhaus, um ihr Kraut in den Kosmos zu funken.
Sie bringen Frieden, sagen sie.
Jetzt bringen sie vor allem Bewegung in die zerfließende Meute.
Es wird auf und vor der Bühne heftigst geschwoft. Friseure aufgepasst:
Alex Fedorov ist ab sofort unbestritten der Godfather der Curtain Bangs.
Alles andere ist nur billige Nachahmung –so viel bangender Curtain war noch nie.
Und umso erstaunlicher, dass Alex eine gerissene Saite im fliegenden Galopp nicht nur registriert (sieht der Kerl überhaupt irgendwas?), sondern ruckzuck umstöpselt, und der Ritt geht nahtlos weiter.
Das ist nicht mehr Festival. Das ist SOL SONIC RIDE – next Level.

Und zum guten Schluß: Auf dem Weg aus dem Kesselhaus zum Hotel treffen Jules und ich noch Matte, SOL Gründer, MSK Bassist und Tausendsassa der Szene: er sitzt mit einem Jugendfreund vor dem Kulturzentrum, drückt uns beide, sagt Danke für unsere nun auch schon 14-jährige Unterstützung durch Schrift und Bild und auch für heute abend und ist beseelt von diesem, seinem Fest das rundherum glückliche Menschen erzeugte. Danke Matte, SOL, Schlachthof, und Danke sowieso für alles in den letzten 14 Jahren, es war uns eine Ehre das wir dabeisein konnten und durften, DANKE!….(jules und volker)
Ps. Ich bedanke mich bei meinen Photofreunden Anders, Falk und Jürgen für die herzliche, Ellbogen- und Schubsfreie Zusammenarbeit im Graben und vor der Außenbühne.
Filed under: Festivals, Konzertphotos, Live Reviews, SOL Sonic Ride Part II - 20 Jahre Sound Of Liberation - Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden am 28.06.2025






