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Coroner- Dissonance Theory

(tob) 1987 veröffentlichten Coroner ihr Debütalbum „R.I.P.“, 1993 erschien mit „Grin“ das letzte Album – abgesehen von „Coroner (Compilation)“ aus dem Jahr 1995 und „Autopsy: The Years 1985–2014 In Pictures“ (DVD/Compilation) von 2016. 1996 gaben die Eidgenossen ihre Trennung bekannt – ein Schlag in die Herzen ihrer Fans. Die gute Nachricht: Coroner haben neue Musik aufgenommen, die seit dem 17. Oktober 2025 erhältlich ist. Der neue Dreher aus der progressiven Thrash-Küche von Tommy Vetterli (Gitarre), Ron Broder (Gesang & Bass) und Diego Rapacchietti (Schlagzeug) trägt den Titel „Dissonance Theory“, enthält zehn Songs mit einer Spielzeit von 47 Minuten, aufgenommen von Tommy Vetterli in den New Sound Studios in der Schweiz und gemischt sowie gemastert vom schwedischen Mastermind Jens Bogren in den Fascination Street Studios. Erhältlich ist „Dissonance Theory“ als limitiertes 2CD-Mediabook (mit erweitertem Booklet und dem legendären „Death Cult“-Demo von 1986 mit Tom G. Warrior als Bonus-CD), als Standard-CD im Jewel Case, als 180g-Vinyl-LP – in Schwarz und Farbe – sowie als Digitalalbum.

Zurück sind Coroner allerdings nicht erst jetzt. Bereits 2011 kehrte man auf die Bühnen zurück – in der Originalbesetzung mit Tommy Vetterli, Ron Broder und Marky Edelmann. Neue Songs oder gar ein neues Album waren damals jedoch kein Thema. Man erfreute sich daran, wieder live spielen zu können, die geliebten Songs zu performen und begeisterte alte Fans ebenso wie „Neuankömmlinge“. Die Jahre gingen ins Land, und man verzeichnete den Ausstieg von Edelmann – Vetterli und Broder machten weiter, und das war auch gut so. Als neuen Drummer holte man Diego Rapacchietti in die Band, aber neues Material war noch immer nicht in Sicht – und trotzdem läuft die neue Platte nun in Dauerrotation.
Vetterli erklärt die lange Entstehung von „Dissonance Theory“:
„Ich begann 2015, Ideen zu skizzieren, fand aber nie den mentalen Raum, mich ganz darauf zu konzentrieren. Das Leben kam immer wieder dazwischen – kurze Phasen des Fortschritts, gefolgt von langen Unterbrechungen. Da ich mein eigenes Studio leite, produziere ich ständig andere Bands und kümmere mich um den Betrieb. Nach neun Stunden Aufnehmen oder Mischen bleibt abends kaum kreative Energie. Die eigentlichen Aufnahmesessions begannen erst im Juni 2023 – und selbst die wurden mehrfach unterbrochen.“
Vetterli nennt keine bestimmten Bands oder Künstler als Inspiration, stellt aber treffend fest:
„Inspiration ist einfach das Leben selbst. Alles, was du siehst, hörst oder fühlst, hinterlässt Spuren – Musik, Filme, Bücher, der Zustand der Welt, persönliche Dinge. Manchmal ist es etwas Großes, manchmal nur ein einzelner Baum auf einem Hügel. Das kann schon reichen. Es geht nie um bestimmte Bands oder Stile, sondern um das, was dich im richtigen Moment trifft.“
Auch die Präsenz von Rapacchietti beflügelte Vetterli und Broder beim Komponieren:
„Diego bringt ein Maß an technischer Präzision und Musikalität mit, dass völlig neue Dimensionen in unserem Songwriting eröffnet hat. Seine Vielseitigkeit erlaubte uns, neues Terrain zu erkunden, ohne uns selbst zu verlieren. Vor allem rhythmisch konnten wir weiter gehen als je zuvor.“
Wie gut, dass Tommy Vetterli und Ron Broder so viel Spaß am Live-Spielen hatten – und dass sich mit Diego Rapacchietti der Schlüssel zu neuem Material von Coroner fand. „Dissonance Theory“ startet mit dem instrumentalen und leicht unheimlich anmutenden ‚Oxymoron‘. Diese 58 Sekunden erzeugen eine Spannung, die sich schließlich in ‚Consequence‘ entlädt – einem griffigen, meist schnellen Track, der sich mit der digitalen Welt und unserem Umgang mit ihr auseinandersetzt: ein kritischer Blick auf den „High-Tech-Rush“. ‚Sacrificial Lamb‘ geht ebenso intensiv, wuchtig und soundgewaltig unter die Haut; Coroner servieren verspielte Soli, die Vocals wirken bedrohlich, warnend und mahnend. Nach etwas mehr als der Hälfte des Liedes legt das Trio noch eine Schippe in Sachen instrumentalem Können drauf – hier heißt es einfach genießen und aufsaugen, was an musikalischer Expertise geboten wird. ‚Crisium Bound‘ legt nach kurzen Akustikgitarren-Sounds deftig los; der typisch brodelnde und klare Gesang von Ron Broder bearbeitet die Trommelfelle ebenso intensiv wie Drums, Gitarre und Bass. Die leicht psychedelische Ader ist im Hintergrund deutlich zu hören – klasse, welche Melodiebögen Coroner hier stricken, und das nicht nur in diesem Song.

‚Symmetry‘ gehört mit seiner Spielzeit von knapp unter vier Minuten zu den kürzeren Titeln auf „Dissonance Theory“ und wurde bereits als Single ausgekoppelt.
Über ‚Symmetry‘, das fast nach modernem Death Metal klingt, sagt Tommy Vetterli:
„In diesem Song geht es um Eitelkeit, Ego und darum, wie Selbstbesessenheit destruktiv sein kann. Diese Idee hat auch die Art und Weise geprägt, wie wir den Song gespielt haben. ‚Symmetry‘ gab uns Raum für unsere Kreativität, und mit den rhythmischen Elementen, die Diego (Rapacchietti – Schlagzeug) einbringt, hat es uns weiter gebracht als je zuvor.“
‚The Law‘ startet ruhig – man könnte fast sagen „locker, flockig, rockig“. Nach diesem Intro wird der Song intensiver; die Lyrics handeln von der Illusion, es gäbe Gerechtigkeit. Der Mittelteil bietet knackigen und wütenden Thrash, bevor die Schweizer wieder in das ursprüngliche Fahrwasser des Songs zurückkehren. ‚Transparent Eye‘ gibt sich zunächst sehr melodisch, progressiv und weniger thrashig, bis die Herren zum Headbangen einladen und Freunde gepflegter Gitarrensoli erneut begeistern. ‚Trinity‘ ist ein gutes Beispiel für das grandios klingende Bassspiel von Ron Broder, und ‚Renewal‘ ist ein Nackenbrecher der Güteklasse „Abrissbirne – 5-Sterne-Edition“. ‚Renewal‘ geht nahtlos in „Prolonging“ über, dass die Wucht des Vorgängers Stück für Stück dämpft und mit Hammond-Orgel-Klängen untermalt ist.
„Dissonance Theory“ klingt modern, technisch präzise, wuchtig und ganz und gar nicht so, als wären sie über Dekaden nicht im Studio gewesen. Vetterli, Broder und Rapacchietti liefern mit „Dissonance Theory“ ein Album ab, das definitv die Bestenlisten am Ende des Jahres füllen wird und sicherlich einigen jungen Bands als Quelle der Inspiration dienen könnte und auch wenn ich mich wiederhole: Danke, dass ihr Coroner nie aufgegeben habt und die Metal-Welt um ein aktuelles Weltklasse-Album und ein künftiges Referenzwerk in Sachen Thrash- und Prog reicher gemacht habt……(Tobias Stahl)

Credit: Grzegorz Golebiowski

Filed under: Album Reviews, Metal, Thrash,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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