
(KiS) Die Besucherzahl ist heute etwas gewachsen. Einige Kölner sind noch nach der Arbeit hierher in das Naherholungsgebiet Westerwald gefahren und bevölkern nun mit allerlei Campern und Zelten die umliegenden Hügel. Normale Ausflügler und Wanderer streifen mit großen Augen vorbei und wundern sich wohl ein wenig. Aber hier geschehen ja auch Wunder. Wunderschöne Momente mit wunderbaren Menschen.
Essen, mjamjam, auf dieser Party geht es um die Wurst, um die Wildwurst. Aber natürlich auch Fallafel, Nussecken, Flammkuchen, Asiatisch, alles da, alles liebevoll selbst gemacht vom Heinzelmännchen Hofcafé! Noch keinmal in der Schlange gestanden für Pommes um 22:30 abends, und endlich kapiert, dass mit : „vegane Chili“ nicht das Gemüse gemeint ist. Unbetrunken. Dafür ist die Frida Bar da, die gewöhnlich im belgischen Viertel in Köln ausschenkt, jetzt aber hier Getränke noch und nöcher mit verdammt echter Minze und auch… Westerwald-Bier an die Geburtstagsgäste. Der zweite Festivaltag beginnt mit etwas ganz Besonderem:

Hoflärm Yoga – (KiS) Freitagmittag, kurz vor eins. Statt Topfschlagen und Blinde Kuh gibt es zum fünfjährigen Geburtstag dieses Jahr Yoga auf dem Festivalgelände. Die süße Judith, O-Ton: „Hab ein bisschen Angst, dass keiner kommt.“ Was sie nicht weiß: Es stehen bereits ein paar Leute vor dem verschlossenen Eingang, doch als dieser geöffnet wird, sind alle verschwunden. Dann trudelt ein fröhliches Dutzend durch den Backstage-Bereich hinein und sucht sich einen Platz auf einer der 13 bereitliegenden Matten unter dem hellgrünen Sternenzelt oder breitet die eigens mitgebrachte Matte aus. Judith startet ihre Playlist und alle begeben sich in die Kindspose, als kurz darauf Caspar herbeigeeilt kommt und darauf hinweist, dass noch mehr Leute kommen. Am Ende verteilen sich 37 Leute auf Matten und im Gras, im Schatten des Sternenzeltes und unter der prallen Sonne. Sämtliche Asanas und Flows sind auf die neun Lieder abgestimmt – alles Songs von Bands, die dieses Jahr hier auf dem Festival spielen. Die Gruppe wärmt sich auf zu Rotors „Costa Verde“, fließt zu „Strong Reflection“ von Mars Red Sky durch den Sonngengruß, bangt ausgelassen die Köpfe zu „My First Knife Fight“ von Swan Valley Heights und verschmilzt am Ende mit dem warmen Boden, von Speck ins „Firmament“ getragen. Namasté, war das geil! Judith glücklich und überwältigt, die Teilnehmenden so begeistert, dass sie am liebsten Samstagmorgen wieder Yoga machen wollen. Eine Wiederholung 2024 scheint damit zementiert!

Madmess – (KiS) Hotties aus hot Portugal! Geben uns die Ehre, während neben ihrer Heimatstadt Porto gleichzeitig das Sonic Blast Festival läuft. Der Name ist Programm, es geht verrückt zu und frei und Haare fliegen. Aaaah. Feiner Stoner, harter 70er Psychedelic-Sound erhitzt den eh schon strahlenden Freitag mit Hitzerekord. Übrigens, auch hier beim googeln bitte exakte Namens-Eingabe, sonst landet man bei einer verrückten Ska Band …also hier auf den rechten Pfad gebracht um Ricardo Sampaio – Gitarre, Luis Moura – Drums und Vasco Vasconcelos – Bass auch auf jeden Fall wieder zu finden und ein paar Platten zu kaufen, die ihr am Merchstand vergessen habt!

Zahn – (KiS) Mein erster Gedanke, warum nicht Milchzahn? Das geniale Kuhcover des Debütalbums schwirrt wohl in meinem Kopf, ich verwerfe dies aber sofort. Zum Hoflärm-Geburtstag ist hier nicht die Kita-Gruppe Berlin-Mitte angereist. Mit hauptsächlich instrumentalen Klängen wartet das Trio für das kundige Publikum auf. Outfit-mäßig signalisiert man hier drei äußerst unterschiedliche, leicht sperrig- lustige Persönlichkeiten. Ist das „typisch Berlin“? Steiler Zahn, ja, auch daran kann man denken, denn vorsicht beim googeln, da stößt man bei „zahn band“ leicht auf dentale Hygieneprodukte. Daher hier ein sicherer Pfad zum weiteren Erkunden der drei Jungs. Und: Bildergalerie.

Earth Tongue – (KiS) Oh. Oh wie jung… oh was für ein süßes Duo! Beide aus Neuseeland hergedüst im Sauseschritt, wie der schmucke silberne Zweiteiler der Sängerin nahelegt. Ihr ist übrigens auf dem Flug nach Deutschland die Gitarre abhanden gekommen, doch sie konnte sich hier glücklicherweise eine Klampfe von einem Bandkollegen leihen. Der Drummer erinnert mich spontan an meinen jugendlichen Fotonachhilfelehrer. Aber da ist nix mit Topfdeckelschlagen oder so – der junge Mann betreibt sein Schlagstockspiel mit explosivem Wums an den richtigen Stellen. Also irgend ein Dentist hat doch hier an der Festival-Setlist gedreht… Earth Tongue, Zahn ersetzen Kvinna, Samstag noch Old Horn Tooth …zzz …wo ist nur dieser verdammte Zahnarzt aus Düsseldorf? – War mir die Band völlig unbekannt, fällt es mir wie Konfetti aus den Haaren, das ist die Vorband, die demnächst im Club Volta vorspielt. Vor Greenleaf. Feine Sache, da freue ich mich drauf. Bildergalerie.

Rotor – (ju) Es gibt Bands, die feiern eine wilde Party auf der Bühne und gehen ab wie die Lutzi auf Speed (zum Beispiel Truckfighters, s.u.). Auf der anderen Seite der Skala gibt es Bands, die durch ihr hochkonzentriertes, höchst versiertes (Zusammen-)Spiel völlig in ihrer Musik aufgehen und stets in tiefer Verbindung mit den Bandkollegen stehen. Den drei Herren von Rotor sieht man die Konzentration und Versiertheit deutlich an. Hier sind Profis am Werk, keine Frage. Rotor = Motor. Antrieb zum Wippen, zum Bangen, zum Taumeln, zur Ekstase. Das instrumentale Stoner-Prog-Trio aus Berlin weiß an diesem Nachmittag trotz oder gerade wegen seiner hochkomplexen Rhythmen und Tempiwechsel die Massen zu begeistern und zugleich zu hypnotisieren. Ihr erfrischend unkonventioneller Sound ist vielschichtig, unvorhersehbar und unfassbar punktgenau. Wenn sich Schlagzeug, Bass und Gitarre unterschiedliche, scheinbar gegensätzliche Rhythmen zuspielen und manche Passage im Stakkato-Gewitter erzittert, denke ich unweigerlich an Tool. Rotor ist eine dieser Bands, bei denen mir der Mund offensteht. Normalerweise zu viert unterwegs, müssen die Herren derzeit wegen gesundheitlicher Gründe auf ihren Gitarristen Martin verzichten, was ihre Leistung jedoch nicht vermindert und umso beachtlicher erscheinen lässt.
Auf der Bass Drum wurde beim Sonor-Logo der Namen des in Bad Berleburg ansässigen Unternehmens durch den Bandnamen ausgetauscht, was auf den ersten Blick kaum auffällt. Profession ersetzt durch Profession. Bildergalerie

Hällas – (KiS) Diese Gäste auf der Bühne haben sich wirklich angemessen schick gemacht. Make up aufgelegt und geben der Hoflärm Geburtstagsparty den stylischen Flair. Leider, leider sieht man später gar nichts mehr davon. Denn: Dunkelheit und Nebel umfangen die Truppe wie ein Samtenes Mäntelchen. Dabei passt der „Neue“ – Rickard an Gitarre Nr.2 wunderbar ins Gesamtbild der Band. (Er war aber auch schon beim Freak Valley Festival am Start, falls er einigen doch schon vertraut vorkam). Die Herren aus Schweden wirbeln auf der Bühne, während mir nur Klischées durchs Hirn schwurbeln. Småland, Ikea, Michel von Lönneberga, Pipi Langstrumpf, ah verdammt. Zu diesen meinen Kindheitserinnerungen lassen die Klänge vergangener Zeiten als Untermalung einen bleibenden Eindruck. Epic!

Truckfighters – (KiS) Natürlich der Abriss. Da müssen sich sogar The Great Machine warm anziehen. High Energie Performance vom Spring-ins-Feld König. Noch nie ohne Kniebandage gesehen, aber wahrscheinlich nur deshalb leben die Knie noch. Was der Mann da treibt ist Olympiaverdächtig. Da tritt zum Teil sogar die Musik in den Hintergrund. Auch ein Bad in der Menge (Verfolgungsjagd meinerseits in der Fotogalerie nachzusehen) und ein königlicher Besuch am Bauzaun zwecks musikalischer Weiterbildung der ersten Reihe und vorm allem der Jugend unter 18 sind im Programm inbegriffen. Stars zum Anfassen sozusagen! Zwei Zugaben, um noch die Hits an Mann und Frau zu bringen, die Menge tobt! Ausrasten ist von der ersten Sekunde an das Maß der Dinge.
Karloff – (KiS) Zu unchristlich später Stund‘ spielen die Bastards of the night: Karloff. Des Nachts tönt es über die Hügel und durch die Ritzen der heruntergelassenen Rollos und über die hochgeklappten Bürgersteige. Das wäre aber wohl in Oldenburg nicht anders. Musik ganz nach meinem Geschmack, leider muss ich zu dieser späten Stunde schon Heia machen und mich unter der Decke verstecken. Bei einem anderen Kindergeburtstag treffe ich die Grusel -Fans hoffentlich wieder. Letzte Band uuh schnarch. Wirklich wirklich müde, seit 13 Uhr die Kameras hochgehoben, knips knips. Ich liege im Bett. In Hörweite. Lausche also vor dem Einschlafen noch dem gesamten Set und denke mir, krass das geht ordentlich ab!
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