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Hoflärm 2023 – 5th Anniversary: Samstag, 12.08.

(KiS) Und da ist er, der echte Geburtstags-Tag! Der letzte Festivaltag, und er bringt so einiges mit. Auch was Nasses von oben, aber egal. Hier ist ja nicht Wacken, die paar Pfützen machen nix, alle sind gut vorbereitet, die Spanne reicht von High-End Gummistiefel bis Barfuß. Eröffnet wird der Tag quasi mit Regenbogen und wieder einem Fall für den Zahnarzt. Der hat mehr zu tun, als die anwesenden Sanitäter, die die meiste Zeit des friedlichen Festes genießen können und nichts berufliches zu tun haben.

Old Horn Tooth – (KiS) Aus London, junger Bass, dass er von Hause aus Haareschwenker vor dem Herrn ist, war gleich klar. Das Trio hat einen mafiösen Deal mit dem Veranstalter abgeschlossen: Ein Spielst-du-hier-spielen-wir-dort-Geschäft, har har har. Und ob da nicht auch wieder Dr. DENTIST seine Finger im Spiel hatte!? Schön matschiger Doom wabert passend zum Wetter. Der alte Zahn röhrt über nebelige Hügel – Waschküche: Feuchtwarmes Klebeklima, herrlich. In der Zwischenzeit habe ich noch verlorene Schuhe wieder gefunden und fühle mich heldenhaft hilfreich auf dem Hof. Eine gute Magd. (Irgendwer muss den Job ja machen, ne?) Bildergalerie

Speck – (KiS) Speck, Speck, mjam. Was für ein Frühstück. Ein Brunch gar! Genießer der gesanglosen Instrumentalmusik kommen hier auf ihre Kosten. Von allen Seiten hochgelobt brutzeln die Dame und die Herren ein psycheldelisches Mahl, dass es nur so spritzt! Man kann wieder wunderbar in Bildsprache schreiben, der Sound ist Fett, auch die Zuschauer wackeln mit ihrem – Hüftspeck. Perfekt als Vorband von Steak, auf jeden Fall dieses Jahr in aller Munde, man hat nur lobende Worte aus allen Ecken gehört! Hier mal nachzulesen für Unkraut! Merke: Demnächst mal ein Interview (schon wegen des schönen Dialekts) machen und die Ernährungsgewohnheiten der Herr-/Frauschaften aus Wien herausfinden. Während Wien zu einer der unfreundlichsten Städte der Welt gekürt wurde, fragen wir uns hier: Sachertorte oder Möhrenkuchen? Habe die Ehre! Bildergalerie.

Swan Valley Heights – (ju) An den Essens- und Getränkeständen drängeln sich die Menschen dicht zusammen. Weniger, weil sie einem plötzlichen, kollektiven Anfall von Hunger und Durst erlegen sind, sondern weil sie unter den kleinen Dachvorständen Schutz vor dem Regen suchen. Es ist der erste von zwei Schauern an diesem Festival-Wochenende; wir wollen nicht meckern nach dem vorzeitigen Herbstwetter der vergangenen Wochen. Als die drei Münchener von Swan Valley Heights die überdachte Bühne betreten – drei Jahre nach ihrem letzten Auftritt auf den Hoflärm Backyard Sessions 2020, trotzen immerhin eine Hand voll Fans vor der Bühne dem kühlenden Nass. Die staubig angehauchte Wüstenmucke passt zum schwülheißen Wetter mit seiner lethargischer Hitze, auch wenn sich innerhalb weniger Minuten Staub in Matsch verwandelt. Von knackigen, rund dreiminütigen Instrumentalbrechern zu ausladenden, psychedelisch angehauchten Prog-Perlen, die von David Kreisls klarem Gesang zum dunklen Himmel getragen werden, mal zögerlich-einlullend, mal drängelnd-ausbrechend: Die Drei spielen gerne mit dem Stoner-Rock-Klischee und konterkarieren damit das etikettierende Schubladendenken. Der Regen hat seine erste Schicht beendet, der Platz vor der Bühne füllt sich wieder.

Meine Blase meckert, macht schon länger auf sich aufmerksam. Irgendwann ist Schluss mit Kneifen, ich eile mitten im Lied Richtung Klo. Auf halbem Weg erklingen jedoch die ersten wummernden Takte von „My First Knifefight“. Verdammt! Mein absoluter Lieblings-Ausflipp-Track der Kombo. Hierzu haben wir gestern Mittag noch beim Yoga ausgelassen unsere Köpfe fliegen lassen. Ich bleibe auf der Stelle stehen, vollführe einen Donut auf zwei Beinen (wäre ich eine Comic-Figur, würde ich mächtig Staub aufwirbeln) und eile zurück vor die Bühne. Interessant, wie körperliche Bedürfnisse durch einen äußeren Reiz ruckzuck wieder in den Hintergrund geraten. Die Gitarre singt ihr Lied in solch eindringlicher Melodie, wie es nur selten einer Instrumentalband gelingt. Ihr narrativer Charakter erhält Unterstützung vom kontrastreich tiefen, tänzelnd anmutenden Bass, bevor im Refrain Bass und Schlagzeug das Ruder übernehmen und alles mit einem mächtigen Krawumm niedermetzeln. Köpfe und Haare fliegen umher, dazwischen zahlreiche Endorphine. Fehlen nur noch Blitze und Donner am Himmel. Bildergalerie

Firebreather – (ju) Jan Oberg geht fremd. Mit zwei Schweden. So langsam kommt bei mir der Verdacht auf, dass er sich hat klonen lassen. Ein Tausendsassa, wie er im Buche steht. Der Drummer von Grin ist eingesprungen für Firebreather-Bassisten Kyle Pitcher, um an der Seite von Gitarrist und Sänger Mattias Nööjd und Schlagzeuger Axel Wittbeck aus Göteborg mit treibenden, massiven Riffs die Wolken zu vertreiben und die beleidigte Sonne wieder hervorzulocken. Wer hätte gedacht, dass diese auf monolithischen, destruktiven Doom und Sludge Metal steht? Wahrscheinlich ist sie genauso wie die winzigen Menschlein da unten auf der zermatschten Wiese angetan von diesem virtuosen Gitarrenspiel des langhaarigen Schweden, das stellenweise wirkt, als hätte er an einer Westerwälder Kreuzung seine Seele an den Teufel verkauft. Nööjds Stimme tut ihr Übriges, wenn sie mit leidenschaftlich rauen Growls dezente Melodien erzeugt. Irgendwann brauen sich am Horizont erneut dunkle Wolken zusammen, die sich mit jedem schleppenden Riff weiter auftürmen und schließlich die Tore über dem Festivalgelände öffnen. Diesmal stürmt kaum jemand unter irgendwelche Vordächer, die Menge bleibt und feiert Firebreather, eine Band, deren Feuer sich auch von einem heftigeren Regenschauer nicht löschen lässt. Bildergalerie

Slomosa (14)

Geburtstagsüberraschung: Slomosa – (ju) Um 19:45 Uhr sollen sich alle am unteren Merchandise-Stand einfinden, dessen linke Hälfte seit heute Morgen mit einer großen Plane verhüllt ist. Den ganzen Tag schon gibt es Getuschel, wo man auch hingeht. Eine Überraschung, aber was für eine bloß? Eine Band, aber welche bloß? Manchen raunen sich einen Bandnamen zu, doch nicht leise genug, als dass es die Umherstehenden nicht mitbekommen. Bei Überraschungen ist es ein bisschen so wie Stille Post. Oder wie eine Schachtel Pralinen: Man weiß nie, was man kriegt. Und so kommt es, dass an diesem Samstagabend die Menge auf der Stelle außer Rand und Band gerät, als der provisorische Vorhang fällt und die norwegischen Wumms-Granaten von Slomosa auf der Mini-Überraschungsbühne auf Knopfdruck abgehen wie Schmidts Katze beziehungsweise wie die Fans, die sich zwischen Eingang, Bäumen und Merchandise-Ständen auf matschigem Untergrund knubbeln. Doch die Enge stört niemanden, im Gegenteil: Alle flippen gemeinsam aus, zappeln, schupsen, tanzen, feiern, herrlich anzusehen von weiter oben. Da die Trennlinie zwischen Band und Fans aufgehoben ist, verschmelzen beide Seiten zu einem wilden, fröhlichen Haufen. Nach ihrem offiziellen Auftritt auf dem letztjährigen Hoflärm-Festival dürfte dieser besondere Gig für die drei Herren und die Dame aus Bergen und Oslo eine enthusiastische Einladung sein, Knallbonbons und Konfettitüten über der ekstatische Menge platzen zu lassen, was sie auch großzügig mit Hits wie „Kevin“, „There is Nothing New Under the Sun“ oder „Horses“ tun. Caspar steht derweil scheinbar gelassen hinter den oberen Merch-Tischen und schaut sich die Geburtstags-Sause mit einem seligen Grinsen im Gesicht aus etwas Entfernung an. Wie es sich für ihn anfühlen muss, dass seine Lieblingsband am fünften Geburtstag seines Festivals im Garten seiner Kindheit spielt, können wir bloß erahnen. Ich gehe jede Wette ein, dass sich in seinen Augenwinkeln hinter den großen Sonnenbrillengläsern das eine oder andere Freudentränchen ansammelt. Das Konfetti hat sich mittlerweile am Himmel hinter der großen Bühne zu einem wunderschönen Regenbogen vereint.

Danke für diese geile Überraschung, lieber Caspar und liebes Hoflärm-Team, und danke für diesen granatenstarken Auftritt, Slomosa! Die Messlatte ist jetzt hoch. Was es wohl zum Zehnjährigen geben wird? Bildergalerie

Messa – (KiS) Italienisch. Die Messe. Was könnte besser zum Kloster Marienthal passen? In roten Nebel gehüllt, tritt die Jungfrau Maria im Strickgewand ans Mikrophon. Könnte man denken. Aber nein, die Sängerin trägt einen anderen biblischen Namen. Sara bewegt die Nackenhaare der Metal-Doom-Gemeinde, die sich brav vor der – quasi – weihrauchgeschwängerten Bühne versammeln. Seit 2016 das erste Album Belfry auf den Markt eingedrungen ist, hat sich die Band kontinuierlich in die Herzen und Gehörgänge der Anhänger geflochten. Eine Frontfrau wie eine Ikone, ihre Musiker wie Denkmäler in der sixtinischen Kapelle. Dantes göttliches Inferno zu Besuch im nassen Tal des (Wester-)Waldes. Was für ein Geschenk für mich, dieses wunderschöne Wesen ablichten zu dürfen – atemberaubend! Bildergalerie.

Acid King – (KiS) Dame Nr. 4 am heutigen Tage, eine Legende. Eine Umbenennung in Acid Queen wird hoffentlich nicht benötigt, trotz lauter werdender Gender-Debatte. Ich wiederhole nochmal, Legende! Stoner-Doom-Band der ersten Stunde. Während man aus San Francisco blumigere Klänge erwartet, geht es hier – wuuums – deutlich teuflischer zu. Loris markante Stimme rauscht über die Hügel Middle of Nowhere, Center of Everywhere kann es nicht besser treffen als hier. Gänsehaut. Punkt. Beyond Vision der frische und würdige Nachfolger der eben genannten Scheibe von 2015, überzeugt mit bedeutungsschwangerem Sound. Vielleicht blüht da auch ein winziges Blümchen am Ende. Bildergalerie

(Ja, war ganz schön duster beim Auftritt).

Zuletzt:

Eremit – (KiS + ju) Kirsten: Hallo süßer Einsiedler. Wohl wissend, dass ich die Nacht mit der Band nicht erleben werde, schnell einen Schnappschuss bei Tageslicht am Merch-Stand gemacht.

Judiths Körper rebelliert derweil. Man munkelt, ihre Blase sei zu oft herausgefordert worden. (Judith: Ja was?? Bei all den geilen Songs?!? Das Leben ist zu kurz zum Pinkeln!!) Netter Kalenderspruch. Oder T-Shirt-Aufdruck fürs nächste Festival.

Fazit – (ju) Was für ein grandioses Geburtstags-Spektakulum! Bestes Wetter nach Wochen voller Regen, ein wie immer gut aufgelegtes und friedliches Publikum, sympathische Musiker/innen, die sich fröhlich und aufgeschlossen unters Volk mischen, verdammt leckeres, liebevoll zubereitetes Essen, Flaschenbier und Weingläser ohne Pfand (!), das damit verbundene Vertrauen, das den Festivalbesucher/innen entgegengebracht wird, faire Preise, familiäre Atmosphäre und ein Sound, von dem (nicht nur) die Bands backstage begeistert schwärmen. Wir danken den Veranstaltern, den Bands und den unzähligen Helferinnen und Helfern für ein Wochenende, das uns ewig im Gedächtnis bleiben wird, und freuen uns bereits jetzt wie blöde auf den 08. bis 10. August 2024.

Filed under: Doom, Festivals, Konzertphotos, Live Reviews, Psychedelic, Sludge, Stoner, , , , , , , ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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