(as) Durch ihre feurigen Liveshows an jeder Steckdose haben sich SPIDERGAWD verdientermaßen in die erste Liga des weitläufigen Classic-Rock-Betriebs in Europa gespielt. Grundlage dafür sind freilich hervorragende Studioalben, deren siebtes nun im erst zehnten Jahr des Bestehens der Gruppe erscheint. Die Musiker bleiben sich wie abzusehen stilistisch treu, schicken der Veröffentlichung allerdings die Bemerkung voraus, „VII“ klänge roher und wilder als sein Vorgänger.
„VI“ hatte wirklich einen eher aufgeräumten Sound, doch es ist nicht so, dass man sich beim Erstkontakt mit dem neuen Material verdutzt am Kopf kratzen würde. Das eröffnende „Sands of Time“, eine Entschuldigung von Bandleader Per Borten an seinen Co-Gitarristen/Sänger Brynjar Takle Ohr, weil er dessen Lieblingsband Rush kritisiert hatte, vermittelt in der Tat etwas von dem melancholisch hymnischen Charakter, den die kommerziellsten Songs der kanadischen Prog-Legende aufweisen (etwa „Spirit Of Radio“ oder „Tom Sawyer“).
Hinzu kommen Spidergawds von jeher starke NwoBHM-Einflüsse, die flotte Proto-Metal-Nummern wie „The Tower“ (inhaltlich eine Betrachtung des paneuropäischen Rechtsruck in jüngerer Zeit und seine Auswirkungen auf den Kunstbetrieb) oder die Single „Your Heritage“ auszeichnen. Wohingegen „Bored To Death“ gerade durch verzierende Akustikgitarren besticht, gebührt das Rampenlicht während des rasanten „Afterburner“ Bassist Hallvard Gaardløs (auch bei Orango tätig) mit seinem präsenten Spiel. Im breitbeinigen „Dinosaur“ ist wiederum das Gitarrenheldensolo am Ende der Glanzpunkt, wobei allerdings alle Stücken eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind vor allem dank ihrer Refrains äußerst eingängig – aber nicht so plump, dass man ihrer rasch überdrüssig würde.
Als typischer Sleeper geht indes „Anchor Song“ durch (der Band zufolge quasi eine Fortsetzung von „Stranglehold“ von „IV“), das auf seine getragene Art ein paar Durchläufe mehr zum Zünden braucht. Der Track bestellt praktisch das Feld für ein an Spidergawds Standards gemessen absehbares Finale: „…And Nothing But The Truth“ schraubt sich bedächtig hoch und markiert Baritonsaxofonist Rolf Martin Snustads großen Moment auf „VII“, womit das Album kaum idealer ausklingen könnte.
Unterm Strich haben sich die Trondheimer ihren Hang zu subtiler Wehmut (die Melodien) und musikalischer Unberechenbarkeit (die Arrangements) bewahrt. Eine Fülle von Riff-Ideen geht mit einer detailverliebten Harmonik einher, die man abermals mit Thin Lizzy assoziieren kann, aber nicht muss – Spidergawd haben die zeitlosen Tugenden des ursprünglichen Hardrock schlichtweg verinnerlicht und bereiten sie für ein zeitgenössisches Publikum auf. Ein Must-Have-Album für 2023 (und darüber hinaus).
Crispin Glover / 10.11.2023
37:00
01] Sands Of Time
02] The Tower
03] Dinosaur
04] Bored To Death
05] Your Heritage
06] Afterburner
07] Anchor Song
08] …And Nothing But The Truth
Andreas Schiffmann
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