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Alber Jupiter – Puis Vient La Nuit

(pe) Alber Jupiter aus Rennes (FR) gründeten sich 2017 und sind (was man kaum erwartet angesichts des komplexen und fetten Sci-Fi-Sounds, der den Ohren von der Platte entgegenbläst) eine Zwei-Mann-Kombo bestehend aus Nicolas Terroitin (Bass, Synthesizer) und Jonathan Sonney (Schlagzeug, Bass, Synthesizer). Unterstützung genießen sie auf „Puis Vient La Nuit“ („Dann kommt die Nacht“) durch Steeven Michel als Gastmusiker, der zu zwei Songs weitere Synthesizer und Soundscapes beisteuert.

Ein Looper, ein paar Pedale plus Synthies – und die musikalische Reise wird quasi grenzenlos: der Bass verwandelt sich in verzerrte Gitarren und trippige Geigen, Schreie, ätherische und verzerrte Layer fügen sich hinzu, und virtuos eingesetzte Synthesizer runden den Klangkosmos zu einem verblüffenden Reichtum an Kraft, Intensität und Fülle ab.

Ihre Musik orientiert sich stark am Elektro-Kraut-Rock der 70er Jahre (allen voran „Neu!“) und wird äußerst spannend erweitert durch zeitgenössischen halluzinatorischen Post-Rock á la Godspeed You!Black Emperor oder Neo-Psychedelic-Bands mit Krautrock-Hintergrund wie insbesondere die Chilenischen „Föllakzoid“, „The Black Angels“ aus den USA oder auch Minami Deutsch aus Tokio.

2019 veröffentlichten sie nach intensiven Jam-Sessions ihr Debut-Album „We Are Just Floating In Space“, das stilistisch sehr ähnlich komponiert ist wie „Puis Vient La Nuit“ und ein perfektes Double-Feature für einen psychedelischen Space-Trip-Abend vor den heimischen Boxen abgibt.

Der Bandname entstand nach einem Videoabend mit dem 1977 Terror-Klassiker „The Hills Have Eyes“, in dem eine boshafte Figur namens „Papa Jupiter“ auftaucht, dessen Vorname schließlich durch Albert ersetzt und des Klanges wegen um das „t“ gekürzt zum finalen Bandnamen „Alber Jupiter“ erhoben wurde.

Der Name klingt nach unendlichen Weltraum-Weiten und wird damit zum Programm was die Musik des Albums angeht, denn die Herren aus der Bretagne nehmen uns vom ersten Ton an mit auf eine dystopische galaktische Reise: Nach dem auf das Kommende einstimmende Synth-Intro steigen wir direkt ein in „Daddy´s Spaceship“ (dieser Track ist vorab quasi als Single-Auskopplung auf allen Streaming-Plattformen zu hören) und die allererste Assoziation, die sich mir in die Gehörgänge ergießt ist ein monotones „Fahr´n, fahr´n, fahr´n auf der (Space-) Autobahn“, denn der wunderbare Klassiker der Elektropop- und im weitesten Sinne auch Krautrock-Pioniere „Kraftwerk“ begleitet uns mehr als deutlich durch dieses Ohrwurm-Stück, und auch der „Neu!“-Klassiker „Hallogallo“ blinzelt uns wie ein fröhlich funkelnder Stern am Firmament immer wieder hell entgegen.

Deutlich düsterer wird die Stimmung im zweiten Song „Pas De Bol Pour Peter“ („Kein Glück für Peter“), das direkt mit düsterem Moll-Bass und unheilschwangeren Synthies startet und sich über 10 Minuten lang repetitiv wie ein schwerer, dunkelschwarzer, morastiger Fluss, der sich zäh wie Teer durch das Flussbett eines kurz vor der Supernova stehenden sterbenden Planeten windet, ab und an eine aufwühlende Stromschnelle passiert, um am Ende zum sphärisch untermalten Sternensterben in einer vernichtenden Glut komplett zu verdampfen.
Tja, kein Glück für den armen Peter (wer immer Du auch sein magst) – aber immerhin geht er dahin in einem unendlich hypnotisierenden galaktischen Schwanengesang …

„Captain Captain“ zieht das Tempo dann mit einem treibenden und durch das gesamte Stück schwelenden Bassriff an, aber auch dieser Track führt die Reise auf eher bedrohlichen durch Synthie-Experimente vertonten Pfaden fort und mündet gegen Ende in den letzten anderthalb Minuten in beängstigender räumlicher Weite, Leere, Finsternis und Kälte.

Und wie der Titel des Albums schon bedeutungsschwanger vorausorakelt:
„Dann Kommt Die Nacht“!
Sie kommt jedoch nicht wie erwartet dunkel und kalt, sondern ganz im Gegenteil: Alber Jupiter führen uns komplett hinaus aus der Düsternis der beiden vorherigen Klanglandschaften und hinein in eine existentielle Schönheit und Ruhe am Ziel unserer Reise – eine zwar immer noch in Ansätzen elegische, zugleich aber auch strahlend schöne, verheißungs- und hoffnungsvolle neue Welt am anderen Ende des Universums.

Auch das von der Band selbst entworfene Narrativ hinter dem Album ist ein Düsteres und erzählt von der Auslöschung einer zukünftigen menschlichen Spezies durch den Tod der Sonne sowie von dem verzweifelten Versuch, Kapseln mit Spuren von Leben in alle Richtungen des Weltraums zu senden – ein letzter verzweifelter Versuch der Menschheit, irgendwo anders aus ihrer Asche wieder aufzuerstehen… irgendwie wirkt das Szenario gar nicht so weit vom aktuellen Zustand unserer Welt entfernt, oder?!
Perfekt ist in diesem Zusammenhang das Artwork von Harry Hadler, auf dem sich eine traurige, dunkle Welt, nur beleuchtet durch einen gleißend hellen Baum in Richtung eines wundervollen, Hoffnung verheißenden galaktischen Objekts bewegt, im Hintergrund angedeutet die in alle Richtungen startenden Raumkapseln, erzählt quasi in nur einem einzigen Bild perfekt passend die Storyline des Albums.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich „Daddy´s Spaceship“ zu fast religiös anmutenden Synthie-Klängen aus der Nacht hinausschweben, in einen Spiralnebel aus purem gleißenden Licht eintauchen, kleiner und kleiner werden, und schließlich verschwinden in dem Wissen, dass die menschlichen Inhalte der Kapseln neue, faszinierende Horizonte vor sich haben, die es hoffentlich auf dem dritten Alber Jupiter Album zu entdecken gilt…

Alber Jupiter erschaffen auf „Puis Vient La Nuit“ eine wirklich einzigartige Klanglandschaft. Mit motorischem Rhythmus und aus dem Krautrock übertragenen stark repetitiven Grooves wandert die Band zwischen klagevollen Delays und intergalaktischem Hall. Sie haben nicht nur den Soundtrack zu einem eigenen dystopischen Sci-Fi-Film komponiert, sondern ihre Musik ist derart bildlich aufgeladen, dass sich der visuelle Teil des Films tatsächlich direkt durch die Musik getriggert in der Imagination des Hörers entfaltet. Großes Kino im wahrsten Sinne des Tones…

(peter)

„Puis Vient La Nuit“ erscheint am 5. April 2024 auf dem Label Foudrage mit Hilfe von Araki Records und Up In Her Room Records (UK).

Live zu sehen sind Alber Jupiter in diesem Jahr unter anderem am 19. April 2024 beim Roadburn Festival in Tilburg (Niederlande) und Anfang Mai 2024 beim Desertfest London (Großbritannien).

Track Listing

1 – Intro

2 – Daddy’s Spaceship

3 – Pas De Bol Pour Peter

4 – Captain Captain

5 – Puis Vient La Nuit

Weblinks:

https://alberjupiter.bandcamp.com/album/puis-vient-la-nuit

https://www.facebook.com/foudragerecords/

https://foudrage.fr/

https://arakirecords.bandcamp.com/

https://upinherroom.bandcamp.com/

https://shakepromotion.com/

https://mrsredsound.com/index.php/artist/alber-jupiter/

 

Filed under: 70s, Album Reviews, Elektronik/Motorik, Experimental, Krautrock, Postrock, Psychedelic, Space, , , , , , ,

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