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Festivalbericht Blue Moon 2024 in Cottbus

(jul) 01. Juli 2024: Rock im Wald oder Blue Moon? Rock im Wald! Oder doch Blue Moon…?

02. Juli 2024: Karin Klocke (@klokkomat) hat ein Ticket übrig für Blue Moon…also BLUE MOON – nix wie hin, Yippie!!!

03. Juli: Schnell Urlaub für Freitag und Montag bei mir selbst eingereicht (sehr nette Chefin!), FlixTrain Ticket gebucht, Doppelzimmer für Karin und mich im Radisson Blu für’n guten Preis erwischt (1,5 km Fußmarsch zum Strombad/35 € p.P. ohne Frühstück, topp).

Ready to rumble!

24. Juli: Ein Holländer schreibt mich via Facebook an. Sidestory: Ein anderer Holländer, der wiederum einen kennt, der mich kennt, hat in Nijmegen seinen Geldbeutel in den Merch von Hippie Death Cult fallen lassen. Da HDC auf’m Blue Moon spielen werden, und man gehört habe, ich würde auch dort sein, werde ich beauftragt, mich an der Rückholaktion zu beteiligen. Strange, but okay! Diese Holländer… to be continued

26. Juli: Die Anreise ab Dortmund gestaltet sich komplett entspannt. FlixTrain nach Berlin hin und rück inkl. reserviertem Sitzplatz 45 €, wer früher bucht, kriegt’s noch günstiger. Von Berlin aus weiter mit dem RE2 im Stundentakt nach Cottbus Hbf mit dem Deutschlandticket.
Reisezeit ab Dortmund, inkl. 50 Minuten Kaffeepause in Berlin Hbf: 6 Stunden.
Im FlixTrain gutes WLAN und entspannte Worktime (Rezension für die neuste Scheibe „Endtime Signals“ von Dark Tranquillity geschrieben).

In Cottbus angekommen, Hotel vis a vis vom Bahnhof, kurzer Check in, Boxenstopp mit Klamottenwechsel, Karin eingesammelt – die Arme hat ab Bielefeld ohne Pausen 6 Stunden im Auto hinterm Steuer gesessen – und los geht’s!

BLUE MOON…wir kommen!

Willkommen zu einem der heißesten Events des Jahres: dem Blue Moon Festival 2024 in Cottbus! Vom 26. bis 28. Juli versammeln sich hier Musikfans aus allen Ecken Deutschlands und darüber hinaus, um drei Tage lang in die Welt des Stoner, Doom und Heavy Psychedelic Rock einzutauchen.“

Das Blue Moon ist ein seit 2011 langsam aber stetig gewachsenes Festival, das die Herzen der Rockliebhaber höherschlagen lässt, und im vergangenen Jahr den Sprung ins Freiluftabenteuer gewagt hat. Das hat perfekt funktioniert und macht das Event nun zu einer ernstzunehmenden Alternative zum Rock im Wald oder zum Herzberg.
Auf Grund der Entfernung zwischen Cottbus und Michelau/Neuensee, respektive Breitenbach, und trotz starker Überschneidungen des Line-ups, ist es aber weniger eine Konkurrenz als eine Ergänzung der jährlichen Outdoor Spektakel, für diejenigen, die keine 400+ km Reise auf sich nehmen wollen.
Insbesondere für die Rocker Familien mit kleineren Kindern, denn auch an die hatte man beim Festival in der Lausitz gedacht.
Der Fokus des Blue Moon 2024 lag jedoch eindeutig darauf, musikalisch mitmischen zu können, und den Wanderzirkus der etablierten Stoner und Psychedelic Rock Größen in die Stadt Cottbus zu holen. Supported haben viele bekannte regionale Bands und heiße Newcomer. Das Line-up war super fett! Das Drumherum wurde bewusst schmal gehalten, teilweise etwas spartanisch, aber mit viel organisatorischer Hingabe. Für Groß, das mit Klein aus dem Umland zum Festival gekommen war, gab es tolle und abwechslungsreiche Angebote wie ein winziges Kino im Wohnwagen, inklusive handgemachtem Popcorn, Bogenschießen, Yoga, ein Topfschlagzeug, um sich daran auszutoben, und ausreichend Rückzugsmöglichkeiten, abseits des Getöses. Die Location Strombad mit der schnuckligen Badebucht an der Spree sind auch ohne Festival schon ein Magnet.

Hier ein Überblick über die Highlights:

FREITAG, 26. Juli

Die Doom-Metal-Ikonen WEEDEATER aus North Carolina waren der Headliner des ersten Tages. Sound: Dreckigster, dröhnender Sludge und „Dixie“ Dave Collins mit seinem besten Kumpel, Jim Beam, in Topform!

Davor spielten ROTOR ihre progressive „Volllast“ bis zum anschließenden „Kahlschlag“ – instrumentaler Stoner-Rock aus Berlin vom Feinsten! Diesmal zu dritt am Start und wie immer: Amtlich abgeliefert!

Nautic Doom aus Heidelberg – das sind AHAB. Episch! Düsterer Doom , tief wie der Marianengraben, aber dann auch wieder cleaner Gesang mit Melodic Death Metal Einschlägen. Moby Dick hätte sich freiwillig ergeben!

Weitere Bands des Tages waren Praise The Plague, V’GER Galaxis, Sautrus, Solar Trip und TURBO MOSES, die als Opener des Festivals eine mehr als amtliche Performance abgeliefert haben und für mich, mit ihrem Sludge Metal aus Sachsen, die große Überraschung des Festivals waren. Ihr Debütalbum „Desert Frost“ ist Anfang Mai erschienen.

Besonders gefreut, auch wegen der schrägen Sidestory mit den Holländern, hatte ich mich auf HIPPIE DEATH CULT. Das Trio aus Oregon, mit einer sehr abgerundeten Mischung aus Stoner und Psychedelic Rock, wollte ich unbedingt kennenlernen. Alle drei Bandmitglieder sind nicht nur hervorragende Musiker, sondern dazu auch noch ultra sympathisch. Mit Laura (Bass/Gesang), Eddie (Gitarre) und Harry (Drums) sitze ich nach dem Gig noch in Hendrik und Tinas gemütlicher Camping Idylle. Während ich mit Eddie plaudere, darüber wie die drei sich gefunden haben, wie lange er und Laura schon verheiratet sind, die Tour und ihre Woche Pause und Urlaub bei Eddies Familie in Kroatien, die sie sich nach dem letzten Konzert in Ljubljana gönnen wollen, bevor es in den Staaten weitergeht, fällt Laura plötzlich dazwischen „Damn, we totally forgot about the woman with the wallet!“ – Ich krame den Geldbeutel raus, den der Merch Mann der Band mir schon direkt bei meiner Ankunft am Gelände gebracht hat. „Oh, you got it?“ meint Laura. „And could you please give it to her?“ Ich fange an zu lachen: „I am the woman!“ Ich blicke in verdutzte Gesichter. Jetzt hat die Runde kapiert und alle lachen… Die Welt ist eben doch klein, insbesondere die Niederlande, wo jeder jeden kennt. „One Dutchman loses his wallet and almost the entire country is getting involved“.

SAMSTAG, 27. Juli,

Der Headliner des zweiten Tages ist ORANGE GOBLIN und Ben Ward in neuem Erscheinungsbild, mit rasiertem Schädel und gestähltem Bizeps, dröhnte die ersten zwanzig Reihen auch ohne Mikro ins Nirvana. Stoner-Rock-Veteranen? No way! Die Fans sind ausgerastet und Orange Fuckin Goblin Baby hat locker 20 Minuten überzogen. Das Repertoire aus fast 30 Jahren Bandgeschichte, hätte, wenn es keine behördlichen Auflagen gäbe, auch gerne bis zum Morgengrauen gereicht.

Vor den orangenen Kobolden hatte der Gödfather of Desertröck die Szene beherrscht. Während das Publikum komplett ausrastete, stand ich erstmal wie paralysiert vor Ehrfurcht vor dem großen BRANT BJORK (Björk) und habe sogar beinahe vergessen, Fotos zu machen. Wen die Aura dieses älteren Herrn nicht berührt, der…ach was soll ich sagen… wow? Dazu „Fatso Jetson“ Mario Lalli am routinierten Bass und Ryan Gut (Güt) an den Drums, so wird ein Trio daraus.

Übrigëns: An umlaut ( ¨ ) in punctuation is just a pair of dots above a vowel!

Es war am Nachmittag, als THE DEVIL AND THE ALMIGHTY BLUES aus Oslo die Bühne betraten, und ich könnte schwören, das Licht schien gleich noch ein wenig heller. Halleluja! Was für eine Hammer Predigt! Mit bluesigem Doom-Sound und neuem Mann aus Schweden an der Gitarre. Danach brauchte ich erst einmal einen großen Schluck Weihwasser…

Who let the dogs out? Parker Griggs (Radio Moscow) mit komplett neuer EL PERRO Meute. Die Jungs machen richtig Spaß und entzündeten ein psychedelisches Tanzvergnügen mit Funk und Latin Rock Einflüssen, großartigen Percussions und entsprechender Folklore. Karin ist eigentlich nur für „die Perros“ am Freitag angereist, fährt Sonntag zurück nach Bielefeld, ist Montag in Düsseldorf und Dienstag in Köln dabei, Aschaffenburg am Mittwoch und Krach am Bach Festival in Beelen am Freitag. So kriegt man eine Woche Urlaub auch rum…

Wenn man an Stoner Rock aus Griechenland denkt, dann kommt man um GODSLEEP aus Athen nicht herum. Die Energie auf der Bühne war greifbar, die Gitarrenriffs von John Tsoumas zerschmetterten den friedlichen Samstagnachmittag. Und dann ist da noch diese Wahnsinns Frontfrau mit ihrer unverwechselbaren Dynamik: Amie Makris, die stimmlich zwischen punkiger Kreissäge und hypnotischer Sirene locker umhertaumelt und ihre ganze Energie in dieses 40-minütige Set legte. Zur Abkühlung ab in die Spree!

Die Überraschungsgäste auf der Jamstage „Cannabineros“ (Säsh und Igor aus Berlin) sorgten dafür, dass Godsleep die ersten zwei Songs vor sehr wenig Publikum performten. Es wollte sich niemand so recht lösen und zur Mainstage rüberlaufen. Über zu wenig Fans aus der Region, und weit darüber hinaus, können die Cannabineros sich ganz sicher nicht beklagen. Wenn Säsh an den Drums einmal loslegt, gibt’s kein Halten mehr – auch nicht für Igor, der muss dann einfach dranbleiben. Die beiden haben den totalen Unterhaltungswert!

Am frühen Samstagnachmittag spielten noch die Bands Apacity aus Polen, Cinerea aus Berlin auf der Jamstage, Have Blue mit Progressive Punk aus Berlin und Aptera, internationale Frauenpower mit Homebase Berlin.

Dead Myrick (read my what?) mit Heavy Rock und Stoner aus Dresden und Sven Müller von Elbsludebooking am Getömse.

SONNTAG, 28. Juli

Zum krönenden Abschluss des dritten und letzten Festivaltages heulten WOLFMOTHER den blauen Mond an. Absolute Eskalation! Ich will die Wölfe am liebsten gleich adoptieren! Okay, Andrew Stockdale ist nur knapp vier Jahre jünger als ich, deshalb passt das mit der „Mutter“ der Wölfe nicht so ganz. Aber „Woman“ singen sie ganz bestimmt nuuuur für mich, gell?!? Zumindest immer, wenn ich den Song alleine im Auto mitgröhle… Nun ja, bevor ich mich hier verliere: Das Set war der Wahnsinn und ließ wirklich bis in die letzten Reihen niemanden stillstehen. Die Meute ist schier ausgerastet und am Ende gab es noch Zugaben mit Led Zeppelin und Black Sabbath Covern, um den großen Wolfmother Vorbildern zu huldigen. An der Stelle hat der bescheuerte Spruch „wenn’s am schönsten ist, soll man aufhören“ endlich mal einen Sinn ergeben. Denn runder hätte das Blue Moon Festival 2024 nicht ausklingen können.

Ein bisschen schade fand ich, dass THE GREAT MACHINE ihr Set einschränken mussten, um Wolfmother pünktlich starten zu lassen. Auf ihren üblichen Umzug, samt Schlagzeug von der Bühne mitten ins Publikum, haben sie verzichtet. Das entsprach so gar nicht ihrem Drang nach Freiheit. Denn die drei Jungs aus Tel Aviv sind im tiefsten Herzen Punks! Vollgas ohne Regeln bis zum Delirium geben die beiden Brüder Aviran und Omer Haviv und Drummer Michael immer: on und off Stage. Ihre heavy Mischung aus Stoner, Psychedelic und Punk kam trotzdem gut an, auch wenn sie diesmal nicht unten im Pit mitmischen konnten. Aviran, das kleine Äffchen, hat die Bühne stattdessen dreidimensional ausgenutzt.

Cologne Doom! Das sind DAEVAR, die in diesem Jahr gefühlt jedes Festival mitgenommen haben. Sie gehören zu meinen absoluten Lieblings-Live-Bands – und das nicht nur, weil sie meiner geliebten Heimatstadt entstammen. Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn Caspar sich in sein Gitarren-Solo vertieft und ihm die Spielfreude ins Gesicht geschrieben steht.

Den Opener machten am späten Sonntagnachmittag die ABANDONED DOGS aus Cottbus, die als Lokalmatadoren selbstverständlich ihre eigenen Fans des Garage und Indie Rock mitgebracht hatten.

Ich unterhielt mich, während der Frontmann seinen gesamten Schmerz herausbrüllte, auf drei Sprachen und mit Händen und Füßen, mit einigen italienischen Musikfans über die dortige Festival (Un-)Kultur und die dahinter liegende „Politik“ und wurde – wie sollte es bei Italienern anders sein – auf einen hervorragenden Mokka eingeladen.

Ein weiterer Grund, kleinere Festivals wie das Blue Moon wertzuschätzen: Man trifft in familiärer Atmosphäre auf freundliche, gleichgesinnte Menschen, schließt neue Bekanntschaften und macht alte Bekannte zu guten Freunden.

Fazit

Das Strombad in Cottbus ist die perfekte Location für das Blue Moon Festival.

Mit seiner idyllischen Lage am Wasser und den großzügigen Grünflächen bietet es nicht nur eine fantastische Kulisse, sondern auch genügend Platz zum Zelten und Entspannen zwischen den Auftritten.

Die verschiedenen Essensstände boten eine gute Palette an kulinarischen Köstlichkeiten, von Pizza über Nudeln mit Vegiebolo oder Käsespätzle, könnte sich aber durchaus noch etwas vielfältiger präsentieren. Für mich als Besucherin aus dem „Pott“ hat das Ostflair etwas Besonderes und könnte durch ein Angebot regionaler Spezialitäten für meinen Geschmack noch stärker betont werden.
Warum gab es keine Spreewaldgurken?

Die hat Karin mir im Souvenirshop am Spremberger Turm beschafft.

Besser hat sich die Auswahl der Kaltgetränke präsentiert. Für die durstigen Kehlen gab es eine gute Auswahl an Bier (Spaten/Beck’s/Craftbeer 0,5 l für 4,50 €) und anderen Getränken, z.B. eine bunte Palette „Ostmost“ mit oder ohne Umdrehungen. Ich habe mich durchprobiert…Nun ja, muss man durch, wenn man darüber schreiben will.
Positiv aufgefallen ist, dass es nirgends lange Schlangen gab und alle immer super engagiert und dazu überaus freundlich waren. Auch der Merch war hervorragend organisiert und zentral gegenüber der Bühne platziert, so dass man nichts verpasst hat, wenn man sich mit einer Band verquatscht hatte und die nächste schon gespielt hat.

In diesem Jahr war das Blue Moon Festival, mit weniger als 1.000 Besuchern, noch ein echter Geheimtipp. Die familiäre Atmosphäre und die liebevolle Organisation machten das Festival so besonders. Man konnte sich voll und ganz der Musik und dem Gemeinschaftsgefühl hingeben und dank der indoor Location „Chekov“ bis in den frühen Morgen Party machen. Veranstalter Ludwig Domrös (Club Kommission Cottbus) und Matte Vandeven (Desertfest Berlin) haben mit einem herausragenden Line-up, einer tollen Location und einer großartigen Atmosphäre bewiesen, dass Cottbus nun die Freiluft-Festival Szene rund um Heavy Stoner Psychedelic und Doom Rock um ein weiteres Highlight im Kalender ergänzt. Besonders gelungen, und eine Bereicherung für die Szeneanhänger aus der Region, ist die Familientauglichkeit des Festivals.

Wer nicht dabei war, hat definitiv etwas verpasst – Also: Kalender zücken und das letzte Juliwochenende 2025 schon mal rot anstreichen. Wir sehen uns in Cottbus!….(jules)

Filed under: Festivals, Konzertphotos, Live Reviews,

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