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Leprous – Melodies Of Atonement

(jul) Die Band LEPROUS besteht seit 2001 aus Einar Solberg (Gesang und Keyboard) und Tor Oddmund Suhrke (Gitarre), später hinzugekommen sind Baard Kolstad (Schlagzeug), Robin Ognedal (Gitarre) und Simen Børven (Bass). Während ihr Debütalbum „Aeolia“(2006) eindeutig einem Genre zugeordnet werden wollte, und sofort die Aufmerksamkeit der Prog-Metal-Community erregt hat, ist der Stil der Band seitdem zu einer einzigartigen Mischung aus komplexen Rhythmen, experimentellen Klanglandschaften und besonders eingängigen Melodien herangewachsen, die sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lässt. Die Jungs kommen aus Notodden, einer kleinen Stadt in Norwegen, die bekannt ist für ihr jährliches Blues Fest, aber ein bisschen auch der Geburtsort des norwegischen Heavy Metals ist.

Spannende Metal Projekte sind nämlich seit den 90er Jahren nicht nur in Göteborg, sondern auch in Notodden rund um den Multiinstrumentalisten Isahn und die Band Emperor entstanden. LEPROUS war anfangs eher ein Nebenprojekt, und zeitweise auch die Backing Band von Isahn, ist über die Jahre aber zu einem eigenständigen Kraftpaket im Prog-Metal avanciert. Echte Popularität hat die Band allerdings erst mit ihrem dritten Album „Bilateral“ und ihrem anschließenden Support für die 2011er „The Beginning of Times“ Tour von Amorphis erlangt. Danach ging es plötzlich Schlag auf Schlag für LEPROUS mit der eigenen Headliner Tour „European Progressive Assault“. Der Veröffentlichung des vierten Albums „Coal“ (InsideOutMusic) folgte in 2013 umgehend die nächste Headliner Tour, auch außerhalb Europas. Eine Geschwindigkeit, der die Band persönlich nicht immer gewachsen war.

Ein zentrales Element von LEPROUS ist der Sänger Einar Solberg. Seine Stimme ist unglaublich vielseitig und reicht von sanft und melodiös bis zu kraftvoll und aggressiv. Aber was viele Leute vielleicht nicht wissen, ist, dass Einar auch offen über seine persönlichen Kämpfe mit Depressionen gesprochen hat. Diese Offenheit ist besonders auf dem Album „Pitfalls“ spürbar, das 2019 veröffentlicht wurde. Das Album hat die Fans geteilt. Einige vermissten den härteren Sound der früheren Alben, während andere die ehrliche und verletzliche Seite der Band schätzten. Letztendlich zeigt es jedoch, dass LEPROUS immer bereit ist, Risiken einzugehen und sich musikalisch weiterzuentwickeln. Einars Kampf mit der Depression hat seine Musik tief beeinflusst und so ist auch sein erstes Soloalbum „16“ (2023) vor allem eins: authentisch.

Diese gefühlvolle Seite von LEPROUS spürt man auch beim neusten Album „Melodies Of Atonement“ durch und durch. Es mag für manche nach zu viel Pathos klingen, aber es massiert einem echt die Seele. Die Jungs von LEPROUS haben hier wirklich alles gegeben und ein Werk hingezaubert, das gleichzeitig vertrackt und emotional berührend ist. Stell dir vor, du bist auf einer Achterbahnfahrt durch eine surreale Landschaft aus Klangwelten, die mal sanft und melancholisch, mal heftig und energetisch an dir vorbeizieht.

Der Titeltrack „Atonement“ startet durch mit kraftvollen Riffs und energiegeladenen Drums, die einem wie ein Hammerschlag ins Gesicht fahren. Die Vocals sind intensiv und eindringlich, erzählen von Reue und Erlösung. Die dynamischen Wechsel zwischen ruhigen Passagen und brachialen Ausbrüchen machen diesen Song zu einem emotionalen Kraftakt.

Das Album strotzt nur so vor Kreativität und musikalischer Raffinesse. Ist das noch Rockmusik, fragt man sich bei Songs wie „Limbo“? Die Antwort kommt prompt mit dem folgenden Track „Faceless“: Die Gitarrenriffs sind messerscharf wie eine frische Rasierklinge und die Drums ballern dir wie ein Presslufthammer ins Gesicht. Doch gerade wenn du denkst, es wird zu heftig, kommen die Jungs mit einer ruhigen, fast zerbrechlichen Melodie um die Ecke, die dich auf eine andere Art packt und nicht mehr loslässt.

Der Gesang ist ein absolutes Highlight. Die Vocals reichen von kraftvollen, opernhaften Höhen bis hin zu tiefen, gefühlvollen Passagen, die dir eine Gänsehaut verpassen.

Melancholisch und schwer, „Like A Sunken Ship“, das auf dem Grund des Ozeans ruht, dann wieder ätherisch und klar. Ein Glanzstück des Albums ist das avantgardistische „I Hear The Sirens“ – es ist, als ob der Sänger deine Gedanken und Gefühle in Musik verwandelt und dir direkt ins Herz singt. Die Texte sind poetisch und tiefgründig, ohne dabei zu verkopft zu wirken. Man kann sich richtig darin verlieren und jeder Song erzählt eine kleine, eigene Geschichte.

Auch die Produktion des zehnten Albums der Norweger ist top-notch. Es wurde wieder mit David Castillo (Opeth, Katatonia, Soen, etc.) am Mischpult aufgenommen. Einar Solberg lobt seinen langjährigen Weggefährten in den höchsten Tönen und stellt fest, dass er weiterhin das Beste aus allem herausholt. Alles klingt sauber und klar, ohne an Druck und Intensität zu verlieren. Die einzelnen Instrumente sind perfekt ausbalanciert, sodass man immer wieder neue Details entdecken kann, wenn man das Album erneut durchhört. Es ist ein Album, das nicht langweilig wird, sondern immer wieder neue Facetten zeigt. Wenn man Vergleiche ziehen möchte, wird man es schwer haben. Meine reichten während des Hörens von Muse über a-ha bis Björk – zu poppig? Keineswegs!

„Melodies Of Atonement“ ist nicht nur ein Album, sondern ein Erlebnis. Es nimmt dich mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt, die dich nicht nur einmal umhauen wird. Für Fans von progressiver Musik und alle, die auf der Suche nach etwas Einzigartigem und Bewegendem sind. Leprous hat hier echt einen Volltreffer gelandet!….(jules)

Nächstes Konzert in Deutschland: 08.02.2025, Carlswerk Victoria, Köln

Leprous – “Melodies Of Atonement” (51:42)

Release: 30.08.2024

Label: InsideOutMusic

Vertrieb: Sony Music

Tracklisting:

1. Silently Walking Alone (04:05)
2. Atonement (04:49)
3. My Specter (03:55)
4. I Hear The Sirens (04:31)
5. Like A Sunken Ship (04:04)
6. Limbo (05:56)
7. Faceless (06:25)
8. Starlight (06:09)
9. Self-Satisfied Lullaby (06:21)
10. Unfree My Soul (05:21)

Discographie:

Aeolia – 2006

Tall Poppy Syndrome – 2009

Bilateral – 2011

Coal – 2013

The Congregation – 2015

Live At Rockefeller Music Hall – 2016

Malina – 2017

Pitfalls – 2019

Aphelion – 2021

Melodies Of Atonement – 2024

Weblinks:
www.leprous.net
www.facebook.com/leprousband
https://www.instagram.com/leprousofficial/
https://www.omerch.eu/shop/leprous
https://linktr.ee/leprousofficial 

Filed under: Album Reviews, Postrock, Prog, Rock,

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