(jul) God is an Astronaut – dieser Name trägt die Versprechen von Weltraumreisen, von mystischen Klangwelten und von Musik, die weit über die Erdoberfläche hinausreicht. Seit über zwei Jahrzehnten begeistert das irische Trio aus Wicklow seine Fans mit einem Sound, der gleichzeitig introspektiv und episch ist. Bekannt für ihre atmosphärischen und emotional geladenen Live-Auftritte und Studioalben, sind sie eine feste Größe im Post-Rock-Universum. Nun, am 06. September 2024, kehren sie mit ihrem elften Studioalbum „Embers“ zurück, veröffentlicht über Napalm Records – und es ist vielleicht ihre bislang größte und umfangreichste Produktion.
Eine Reise durch die Geschichte von God is an Astronaut
Die Band, gegründet von den Brüdern Torsten und Niels Kinsella, hat sich in der Post-Rock-Szene durch ihre einzigartigen Soundlandschaften einen Namen gemacht. Ihr Debütalbum „The End of the Beginning“ (2002, eigenes Label Revive Records) legte den Grundstein für eine musikalische Reise, die den Hörer in Welten jenseits des Gewöhnlichen entführt. Mit Alben wie „All is Violent, All is Bright“ (2005) und „Far from Refuge“ (2007) verfeinerten sie ihren Klang, der geprägt ist von tiefen emotionalen Schichten, die sich in schwebenden Gitarren, Synth-Eskapaden und dröhnenden Bässen sowie einer exzellenten Produktion manifestieren.
Ihr selbstbetiteltes Album „God is an Astronaut“ (2008) markierte den internationalen Durchbruch und bestätigte ihren Status als eine der führenden Post-Rock-Bands. In den folgenden Jahren entwickelten sie ihren Stil weiter und mit „Origins“ (2013) begannen sie, ihre Kompositionen mit komplexeren Strukturen und härteren Gitarrenriffs zu versehen, ohne dabei ihre melodiöse Grundstimmung zu opfern.
Im Studio waren die Kinsella-Brüder lange Zeit das Herzstück des Projekts, doch im Laufe der Jahre kamen immer wieder neue Musiker hinzu, die den Sound der Band prägten, darunter Jamie Dean (Keyboard) und Gazz Carr (Gitarre). Der langjährige Schlagzeuger Lloyd Hanney ist ein Paradebeispiel für die stetige Evolution des Bandgefüges. Seine dynamischen Drumparts brachten einen neuen Rhythmus in den Sound von God is an Astronaut und machten ihn noch vielschichtiger und treibender.
Ihr Wechsel zu Napalm Records, beginnend mit ihrem achten Album „Epitaph“ (2018), öffnete ihnen neue Türen und ermöglichte eine größere Reichweite, während sie gleichzeitig ihrer künstlerischen Integrität treu blieben.
„Embers“ – Ein monumentales Klanguniversum
Mit „Embers“ setzt God is an Astronaut erneut Maßstäbe. Das Album ist nicht nur eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, sondern auch ein Beweis dafür, dass sie nach all den Jahren immer noch bereit sind, neue Wege zu beschreiten. Vom ersten Track „Apparition“ bis zum epischen Finale „Hourglass“ – jeder Song ist eine Einladung, in das tiefgründige Klanguniversum der Band einzutauchen und es auf individuelle Weise zu erkunden.
Die Klangvielfalt auf „Embers“ ist atemberaubend und zeigt eine Band auf dem Höhepunkt ihrer kreativen Schaffenskraft. Von Psych-Rock über Krautrock-Elemente bis hin zu treibenden, fast schamanischen Rhythmen – das Album ist eine Hommage an die stilistische Offenheit, die God is an Astronaut seit jeher auszeichnet. Besonders bemerkenswert sind die Beiträge der Gastmusiker, die den Sound des Albums um faszinierende Facetten bereichern. Dara O’Brien, Jo Quail und Sean Coleman fügen dem Klangraum neue Dimensionen hinzu, indem sie Instrumente wie Sitar, Cello, Zither und schamanische Trommeln in das ohnehin schon vielschichtige Klangbild einbringen.
Das Album „Embers“ packte mich voll und ganz ab der Minute 1:49, als die Sitar zum ersten Mal einsetzte – ein magischer Moment, der mich sofort in den Bann zog. Schon als Kind war ich fasziniert von der Sitar, dank der Beatles, und seit Metallicas „Wherever I May Roam“ aus dem Jahr 1991 sorgt dieses Instrument bei mir immer wieder für musikalische Ohr-gasmen. Doch noch nie habe ich die Sitar so perfekt in den Gesamtsound integriert erlebt wie bei „Falling Leaves“, der ersten Singleauskopplung des Albums. Die Art und Weise, wie dieses melancholische Stück die Vergänglichkeit unseres Daseins in Klangbildern einfängt, ist einzigartig. „Odyssey“ hingegen nimmt uns mit seinen treibenden Rhythmen und psychedelischen Nuancen auf eine fesselnde musikalische Reise mit. Der Titelsong „Embers“ beeindruckt durch seine progressive, dynamische Struktur, die sich aus eindringlichen, Synth-geladenen Passagen und fast schon bedrohlich wirkenden Shredding-Riffs zusammensetzt. Das Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit, ein zentrales Element ihrer Musik, wird hier meisterhaft inszeniert.
Ich hatte das Vergnügen, „Embers“ während der Perseiden Nächte im August Probehören zu dürfen. Das Erlebnis, zum Track „Realms“ einen sternklaren Himmel und zahlreiche Sternschnuppen fallen zu sehen, war von unvergleichlich schöner Melancholie geprägt.
Doch die wahre Stärke des Albums liegt in seiner emotionalen Vielseitigkeit.
Was „Embers“ besonders spannend macht, ist die unglaubliche Bandbreite an Emotionen und Stimmungen, die das Album einfängt. Jeder Track ist wie ein eigenes kleines Universum, in dem Melancholie, Hoffnung, Verzweiflung und Trost aufeinandertreffen. Die Band schafft es, diese Gefühle nicht nur musikalisch, sondern auch strukturell auszudrücken.
Die Erweiterung des musikalischen Spektrums wird durch die hervorragende Produktion von Streaky, einem der führenden Mastering-Ingenieure Europas, perfektioniert. Sein feines Gespür für Klangdetails verleiht dem Album eine Tiefe und Klarheit, die selbst in den komplexesten Momenten für eine beeindruckende Transparenz sorgt. Das Artwork, gestaltet von dem international anerkannten irischen Künstler David Rooney, fügt sich nahtlos in das ästhetische Gesamtbild ein und unterstreicht die visuelle und klangliche Intensität des Albums.
Fazit: Ein Meisterwerk des modernen Post-Rock
„Embers“ ist nicht einfach nur ein weiteres Album von God is an Astronaut – es ist ein Werk, das ihre Position als Pioniere des modernen Post-Rock festigt. Jeder Track ist durchdacht und detailverliebt komponiert, und die Band beweist einmal mehr, dass sie zu den Meistern ihres Fachs gehört. Die Mischung aus progressiven, psychedelischen und instrumentalen Elementen erzeugt eine Soundlandschaft, die gleichermaßen fesselnd wie tiefgründig ist.
Für langjährige Fans ist „Embers“ ein Muss, das den Geist der früheren Werke einfängt und gleichzeitig neue musikalische Horizonte eröffnet. Aber auch für Neulinge, die in die Welt des Post-Rock eintauchen möchten, bietet dieses Album einen perfekten Einstieg. God is an Astronaut haben mit „Embers“ ein Opus geschaffen, das die Zuhörer nicht nur zum Hören, sondern auch zum Nachdenken und Träumen anregt. Es ist ein Album, das lange nach dem letzten Ton nachhallt und einmal mehr zeigt, warum diese Band auch nach über zwei Jahrzehnten immer noch an der Spitze ihres Genres steht. Fantastisch!…(jules)
Erscheinungsdatum: 06.09.2024
Label: Napalm Records
Spielzeit: 57:44
Tracklist:
1. Apparition 05:28
2. Falling Leaves 07:58
3. Odyssey 07:39
4. Heart Of Roots 05:39
5. Embers 09:59
6. Realms 04:42
7. Oscillation 05:35
8. Prism 04:36
9. Hourglass 06:08
Website: https://god-is-an-astronaut.bandcamp.com/album/embers
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