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Motorowl – This House Has No Center

(ju) Obwohl sich das Jahr so langsam dem Ende zuneigt (oder gerade deswegen), soll an dieser Stelle noch ein Album vorgestellt werden, das bereits im Februar erschienen ist und somit schon fast sein Einjähriges feiert. Nicht bloß, weil ich es einem Freund versprochen habe, sondern vor allem, weil dieses Exemplar schlicht und ergreifend Beachtung verdient hat – wenn auch reichlich spät. 

„This House Has No Center“ des Thüringer Fünfers MOTOROWL, der zwischenzeitlich einen Besetzungswechsel an den Tasten erfahren hat, erinnert in seiner Gesamtheit an die Entwicklung und Reise eines menschlichen Wesens auf der Suche nach sich selbst, nach seiner Identität, seinem Kern, seinem Zentrum. Der Titel des dritten Albums lässt ahnen, dass diese Suche schwierig bis unmöglich werden wird, so ganz ohne Mitte, ohne Zentrum. Doch die zehn Lieder erzählen ihre eigene Geschichte:

Nach einem kurzen Intro aus Synthie-Sounds samt Glockengeläut preschen „All Bells Ring“ und „Lie to the Creator“ freigeistig voran und spiegeln mit gewissem Retro-Hardrock-Charme die Irrungen und Wirrungen der adoleszenten Sturm-und-Drang-Phase wider. 

Das balladeske, warme „Fences“ fungiert mit verträumten Gitarren und tiefer Singstimme als Lullaby für das zutiefst aufgewühlte Innere. 

Im anschließenden „Future Nostalgia“ zeugen tiefe, schleppende Riffs zunächst von mächtig Testosteron, bevor das Schlagzeug die Füße in die Hand nimmt und erneut davon prescht, angetrieben von einem eindringlichen, befeuernden Hammond-Sound. Die Suche geht weiter – die Mitte, das Zentrum, ist weiterhin bloß eine vage Zukunftsnostalgie.

Doch irgendwann zieht jeder mal die Handbremse. Wir können nicht ewig rennen, werden langsamer, achtsamer, entschlossener. „Lightweight Champion“ kommt als schleppende, düsterere Doom-Perle daher. Das Schlagzeug beweist, dass es weitaus mehr als Stampede kann, und überzeugt mit rhythmischer Vielfalt und eindringlicher Zurückhaltung im höchst genialen Chorus. Frontmann Max Hemmann (Gitarre, Gesang) beweist (nicht nur) hier sein beeindruckendes Stimmspektrum und seine besondere Gabe für packende Melodien. 

Das tragisch-schöne „Clean Passage“ besticht in der ersten Hälfte mit cineastischen Gitarren und emotionaler Gesangmelodie, bevor es sich in der zweiten Hälfte in gebrochenen Gitarrenakkorden und schreiender Verzweiflung kathartisch entlädt. Nach der Überwindung der Midlife-Krise wirkt „Hundelbude“ gestärkt und selbstbewusster und stellenweise sogar fröhlich.

„No Center“ baut auf dem doomigen „Lightweight Champion“ auf und setzt noch eine Schippe metallische Entschlossenheit drauf unter gekonnter Anwendung fetter Riffs und einem Monster-Hammond-Sound, der keine Zweifel mehr offen lässt, dass hier jemand erwachsen geworden ist und langsam weiß, was er will. Für mich eines der besten Lieder des Jahres! 

Der letzte Track „Forever Box“ klingt schließlich nach Ankommen („Here I am“), nach Erinnerungskiste, nach heiterer Zufriedenheit. 

Was für eine Reise! Mir persönlich gefällt die erwachsene Motoreule, die ihren Weg gefunden hat und selbstbewusst auf scheppernden Riffs reitet, am besten. Neben einem abwechslungsreichen Songwriting, das weder langweilt noch überfordert, und einem virtuosen Beherrschen der Instrumente überzeugt bei MOTOROWL auch und vor allem Hemmanns Stimme, die immer eindringlich, aber niemals aufdringlich ist. 

Live ist die Band übrigens eine Wucht und schleudert die Energie des Albums um ein Vielfaches verstärkt ins Publikum. Emotionaler Overload garantiert! Um die Zeit bis zum nächsten Live-Gig zu verkürzen, schaut euch das brandneue Live-Video der Band an, das ganz frisch auf YouTube erschienen ist:

(judith)

Label: Supreme Chaos Records 

VÖ: 16.02.2024 

Länge: 44:45

Trackliste: 

  1. The Night
  2. All Bells Ring
  3. Lie to the Creator
  4. Fences
  5. Future Nostalgia
  6. Lightweight Champion
  7. Clean Passage
  8. Hundelbude
  9. No Center 
  10. Forever Box

http://motorowl.de

 

Filed under: Album Reviews, Doom, Hardrock, Heavy Rock, Metal, Prog, ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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