Ein Monument aus Dunkelheit, Seele und Melodie

(jul) Es gibt Bands, die sich weigern, stillzustehen, die sich mit jeder Note und jeder Veröffentlichung neu erfinden – und dann gibt es Avatarium, die die Grenzen dieser Definition sprengen. Mit ihrem sechsten Studioalbum Between You, God, The Devil & The Dead melden sich die Schweden zurück, düsterer, schwerer und doch melodisch strahlender als je zuvor.
Von der ersten Note des Openers „Long Black Waves“ spürt man die gewaltige Anziehungskraft eines Albums, das mit einer fast mystischen Intensität aufwartet. Die von Jennie-Ann Smith angeführte Band setzt erneut Maßstäbe in der Symbiose von Doom und Classic Rock und liefert ein Werk ab, das ebenso monumental wie intim ist.
Der Kontext: Ein Jahrzehnt in der Dunkelheit
Entstanden in einer Phase persönlicher und kreativer Reflexion, ist Between You, God, The Devil & The Dead nicht nur eine Erweiterung des bisherigen Schaffens von Avatarium, sondern ein Zeugnis ihres gewachsenen Selbstverständnisses. Nach der wegweisenden Ära mit Leif Edling haben Jennie-Ann Smith und Marcus Jidell den kreativen Kern übernommen und eine Vision verfolgt, die den epischen Doom der Anfangstage mit Elementen von Retro-Rock und klassischer Musik kombiniert.
„Wir haben eineinhalb Jahre an diesem Album gearbeitet“, sagt Jennie-Ann. „Natürlich ging es nur langsam voran, denn natürlich haben wir ein gemeinsames Leben, das auch noch andere Dinge umfasst! […] Jetzt, wo wir älter sind, haben wir neue Perspektiven auf das Leben und die Musik. Ich denke, eines der wichtigsten Dinge für dieses Album ist, dass ich angefangen habe, viel mehr Klavier zu spielen, also habe ich für das Album auf diese Weise komponiert. Der Schwerpunkt liegt auf klassischer Musik, und vielleicht ist das Album auch ein wenig davon beeinflusst. Es war sehr inspirierend, und die Dinge haben sich auf eine sehr schöne Weise entwickelt“, bemerkt Jennie-Ann. „Wir sind veheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn, also sind die Dinge für uns ein wenig anders. Aber wir sind auch als Songwriter-Team gewachsen.“
Das Album zeigt eine Band, die nicht nur ihre klanglichen Wurzeln ehrt, sondern auch mutig neue Wege beschreitet. Dunkle, dröhnende Riffs treffen auf sphärische Arrangements, die von Smiths einfühlsamen, seelenvollen Gesang zusammengehalten werden. Die Produktion, maßgeblich von Jidell geprägt, ist bemerkenswert dicht und dynamisch – jedes Instrument findet seinen Platz, ohne die massive Klangwand zu überfrachten.

Meine Highlights des Albums
Lyrisch ist das Album so tiefgründig wie der Sound, den es transportiert: Eine Reise durch Licht und Schatten.
„Long Black Waves“ hat mich voll gepackt – Gänsehaut pur. Dieser Song ist keine bloße Eröffnung, sondern ein dunkler Sog, der mich sofort in die Tiefen der Stimmung dieses Albums reißt. Die Texte sind wie ein Spiegel innerer Ängste – eindringlich und beunruhigend. Besonders die Zeile „Long black waves haunt me in my sleep“ hat mich getroffen, als würde sie direkt aus einem meiner Alpträume stammen. Jennie-Ann Smiths Stimme schwebt über den schweren Riffs wie ein Licht, das durch einen stürmischen Ozean bricht. Es ist diese Mischung aus Doom-Schwere und einer beinahe zarten Melancholie im Refrain, die den Track für mich so hypnotisch macht. Ich konnte mich nicht entziehen, und ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht.
„Until Forever And Again“ – eine Mischung aus roher Härte und introspektiver Verletzlichkeit. Ziemlich düstere Poesie, die mich voll abholt. „I spit you out with gravel and pieces of glass“ ein schmerzhafter Bruch mit etwas Dunklem aus der Vergangenheit. Schleppende Riffs, die wie ein schwerer Schatten über dem Stück liegen, und Jennie-Ann Smiths Stimme, die zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit schwebt. Es ist ein Song, der mich an meine eigenen inneren Kämpfe erinnert, an den Moment, in dem man etwas loslässt, obwohl es weh tut. Dieses ständige Hin und Her von Abschied und Wiederkehr spiegelt sich auch im hypnotischen Refrain wider: „Until forever and again.“ Für mich ist das ein Track, der Katharsis und Schönheit zugleich bietet. Nichts für jeden Tag, aber für besondere Stimmungen.
Ganz anderes hingegen „Notes From Underground“. Dreieinhalb Minuten großartige Doom Hymne – könnte ich in einer Endlosschleife hören.
Der titelgebende Track „Between You, God, the Devil and the Dead“ hat für mich zwar seine atmosphärischen Momente, wirkt aber stellenweise etwas zu pathetisch und überladen. Die balladeske Ausrichtung und die stark emotionalisierende Darbietung lassen den Song zwar eindrucksvoll klingen, aber er verliert dadurch für mich ein wenig an Authentizität und fällt aus dem Gesamtkonzept des Albums etwas heraus.
Fazit
„Between You, God, The Devil & The Dead“ hat mich echt gepackt. Avatarium schaffen es, ihre Wurzeln im Doom zu bewahren und trotzdem frisch und spannend zu bleiben. Die Mischung aus schweren Riffs, melancholischen Melodien und tiefgründigen Texten nimmt einen einfach mit. Klar, nicht jeder Track trifft voll ins Schwarze, aber insgesamt ist das Album ein starkes Statement: mutig, vielseitig und emotional. Wer Doom, Classic Rock und ein bisschen Experimentierfreude mag, sollte hier unbedingt reinhören.
Line-up: Jennie-Ann Smith (Vocals), Marcus Jidell (Guitar), Andreas Habo Johansson (Drums and percussion), Mats Rydström (Bass)
VÖ: 24.01.2025
Spieldauer: 42:36
Label: AFM Records
Tracklist on Vinyl:
A 01 – Long Black Waves | A 02 – I See You Better In The Dark | A 03 – My Hair Is On Fire (But I’ll Take Your Hand) | A 04 –Lovers Give A Kingdom To Each Other | B 05 – Being With The Dead | B 06 – Until Forever And Again | B 07 – Notes From Underground | B 08 – Between You, God, The Devil And The Dead |
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Filed under: Album Reviews, Classic Rock, Doom, Hardrock, Avatarium, Between You, God, The Devil and The Dead



