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Tonzonen Festival im Bollwerk107 in Moers am 17.05.2025

(jules + der kursive volker) Modul 1 – Zündung und Schuuub! Beim ausverkauften Tonzonen Festival 2025 im Bollwerk 107 setzten Schubmodul gleich zu Beginn ein klares Ausrufezeichen. Der erste Slot und dann wenn draussen noch der Lorenz brennt – no piece of cake. Aber kein großes Ding für die drei Bochumer Jungs, Fabian (Gitarre), Nils (Bass) und „Shorty“ (Schlagzeug). Der Saal war schon sehr gut voll, die Leute aufmerksam, und das Trio nahm die Bühne mit einer Selbstverständlichkeit ein, die beeindruckte. Ihr Sound: fett, glasklar und körperlich. Die tiefen Frequenzen zogen durch den Raum wie Gezeiten, die Gitarren schichteten sich zu wellenartigen Texturen, die den Raum fluteten – und trotzdem war da kein Lärm, kein Chaos. Sondern Fokus. Präzision. Flow.
Lost in Kelp Forest mag noch im Titel an Orientierungslosigkeit erinnern, doch auf der Bühne sind Schubmodul angekommen. Sie wirken gereift, sicher, präsent. Und machen genau das, was starke Bands tun: Sie eröffnen einen Abend und setzen Maßstäbe. Die Bochumer haben sich still und beharrlich einen Platz im Kosmos des modernen Space Rock erspielt. Sie sind längst raus aus der Newcomer-Schublade, wenn auch noch relativ neu bei Tonzonen. Ihr aktuelles Album Lost in Kelp Forest ist eine hörbare Weiterentwicklung Die Songs wirken ausgereifter, strukturierter – und ihre Bühnenpräsenz hat deutlich an Tiefe gewonnen. Was einst als vielversprechender Geheimtipp begann, steht heute als feste Größe auf regionalen und überregionalen Line-ups.
Man spürt, dass hier drei Musiker unterwegs sind, die ihren Sound ernst nehmen – und sich selbst dabei nicht zu wichtig. Keine Showeffekte, kein Künstlichkeits-Overload, sondern professionelles Handwerk, Haltung und Herz überzeugen. Ihre instrumentalen Klanglandschaften oszillieren zwischen träumerischem Drift und kontrollierter Kraft. Mal hypnotisch, mal kraftvoll – immer mit einer inneren Logik, die sich nicht anbiedert, aber mitzieht. Das Publikum hat’s entsprechend honoriert und abgefeiert. Weiter so, Jungs!

Vibravoid: ein Neustart heute abend? Jawohl, auch einen Neustart gab es heute abend, denn ein Song dieses Namens befindet sich auf ihrem im September erscheinenden Album bei Tonzonen Records und wurde vor einigen Tagen als Videoclip veröffentlicht. Und diesen Song spielten Meister Koch – Gitarre + Gesang, Dario – Keys, Sound, Orgel, Bass und Frank – Schlagzeug + Percussion heute abend vor vollem Bollwerk 107 bei ihrem knapp 50 minütigen Auftritt auch, sowie noch „The Power Of Dreams“, der auch auf dem Album „Remove The Ties“ erscheinen wird.

Wenn ich einem Vibravoid Konzert lausche und es visualisiere – in meinem bisherigen Dasein bestimmt 25 – 30 dieser Erlebnisse Neopsychedelischer Krautart auf Festivalbühnen und in intimsten kleinen, aber auch mittleren Lokalitäten, werde ich auch immer in meine musikalische Sozialisierung gebeamt. Die begann Ende der 1960er als 13 jähriger und führte mich später, so ab Mitte/Ende der 1970er, auch in, für heutige Verhältnisse, unglaubliche Preßluftschuppen und Privathappenings: die dort gehörte Musik war sehr oft sowieso beeindruckend bunt, wurde aber im Laufe der Nacht durch sehr grashaltige Einflüsse immer farbiger! Gut so! Und Farb-, Kraut- und Psychedelische Erlebnisse bescherten uns die Drei aus der Düsselstadt satt und reichlich. Dafür sorgte, natürlich neben den großartigen Vibravoidisten, auch in diesem Fall das Team der Psychedelic Lightshow, das noch das gewisse Etwas in die perfekte Reise zurück, ins hier und jetzt und in die Zukunft der Neopsychedelic färbte. Danke für die grellbunte Show an die Beteiligten…..

Stufe 3 zündete Wedge aus Berlin – mit sägenden Gitarrenriffs, dicken Fuzz-Wänden und einer Energie, die sich wie ein Stromschlag durchs Bollwerk 107 zog. Der Name „Wedge“ verweist auf das älteste Werkzeug der Menschheit: den Keil. Und genau so wirken ihre Songs – treibend, spaltend, formgebend.
Kiryk Drewinski, Gitarrist, Sänger und charismatischer Mittelpunkt, kam stilecht in roten Schuhen – seine Präsenz: unübersehbar. Seine Gitarre: rotzig, wild, kontrolliert am Limit. Und selbst als plötzlich eine Steckverbindung zickte und der Ton kurz aussetzte, blieb Kiryk unbeeindruckt. Kein Drama, kein Stilbruch. Er tauschte die Gitarre, löste das „Elektrikerproblem“ in zwei Handgriffen – und fuhr ungebremst fort, als hätte er nur kurz den Blinker gesetzt. Das Set: ein Ritt durch ihr Schaffen, mit Klassikern wie Killing Tongue, Come On In und Push. Der Groove kam von tief unten – courtesy of Dave Götz am Bass und Orgel – während Holger „The Holg“ Grosser die Drums traktierte wie ein Besessener mit Taktgefühl. Wedge brachten das Bollwerk zum Kochen. Ihre Vintage-Rock-Attitüde wirkt nie aufgesetzt, sondern ehrlich gelebt. Ein Gig wie ein Faustkeil: simpel in der Form, brutal effektiv im Einsatz.

Noch nicht die Endstufe, aber fast. Nach dem abgerockten Orkan von Wedge wurde es im Bollwerk kurz still – so, als hätte der Raum selbst gewusst, was jetzt kommt. The Spacelords betreten keine Bühne, sie erscheinen. Und wenn sie anfangen zu spielen, verlangsamt sich alles. Kein Tempoverlust – sondern eine andere Dimension.
Seit über einem Jahrzehnt sind The Spacelords eine feste Größe bei Tonzonen, und man spürt: Diese Band muss nichts mehr beweisen. Ihr Set ist keine Aneinanderreihung von Songs – es ist ein einziger, sich stetig transformierender Strom aus Klang, Bewegung und Gefühl. Ihre Instrumentals sind ausladend, mächtig und doch meditativ. Gitarrist Matthias Wettstein (Hazi) spinnt flirrende Klanglinien wie Lichtbahnen durchs All, während Ekhard Kazmaier (Akee) am Bass mit einer Ruhe spielt, als würde er tektonische Platten verschieben. Und Marcus Schnitzler an den Drums? Der gibt nicht den Takt vor, er lenkt Gezeiten. Wo andere Bands aufbauen, fangen The Spacelords gerade erst an zu schwingen. Es ist dieser epische Ansatz, der sie so besonders macht: Sie erschaffen Räume. Schichten aus Delay, Riff, Reverb und Rhythmus, die sich übereinanderlegen wie galaktische Sedimente. Im Bollwerk war das nicht nur hörbar, sondern körperlich spürbar. Die Zuschauer standen still – nicht aus Müdigkeit, sondern weil man sich diesem Sog nicht entziehen konnte. Keine Show, kein Blickfang, keine großen Ansagen. Nur Musik von Freunden für Freunde, die spricht, fließt, sich zieht – wie Nectar of the Gods. Zehn Jahre Tonzonen, zahllose Veröffentlichungen, unzählige Konzerte und dennoch wirken The Spacelords nicht abgeklärt. Sondern präsent. Wach. Und mit einer Klarheit im Sound, die man selten so erlebt. Das Publikum schwebte mit und huldigte Frau Kuhnkes Kosmos. Grandios!

Speck: es gibt einige Bands auf diesem Planeten Musik die dermaßen viel musikalische Seele verbreiten das es nur so rauscht, und so einen Rausch verbreiteten ab 23:00 europäischer Moers Zeit in einem Bollwerk der Tonzone meine vier Freunde aus Wien: ein knapp 75 minütiges Space Ritual, das sämtliche Publikumsnacken in lockeren, fetten Speck verwandelte. Die sich, sehr wahrscheinlich nicht nur für mich, ab heute abend auch Masters Of The Universe nennen könnten. Und die Nennung dieses Songmonolithen von Hawkwind ist nicht zufällig von mir gewählt denn was Lisa – Basstastisch, Patrick – Präzisionsuhrschlagwerkender Taktgeber, Marcel – Visionärer Saitenzauberer und ein jetzt feste in die Band integrierter Lukas – Elektronischer Wizard, heute abend ins Bollwerk spaceden war nicht mehr von dieser Welt: das war, von diesem Platz hier und heute nochmal Revue passierend, gebeamter Wahnsinn der Extraklasse (woll Yvonne!). Wir alle im Bollwerk waren heute abend Speck, erschaffen durch die unfassbare Energie die von der Bühne auf uns wie Sonneneruptionen prasselte. Neben meinen photographischen Versuchen versuchte ich bei den drei? Space Ritualen möglichst meinen Nacken zu schonen, aber: es ist sinnlos sich das vorzunehmen, völlig sinnlos. Die, das schon miterlebt haben was da abgeht wissen was ich meine…..Lisa, Lukas, Marcel und Patrick: ihr wart der Wahnsinn! Ps. Und auch hier nochmal: Herzlichen Dank für das Leiberl und eine fröhliche Halbrunde. 

Am Ende des Abends

Es war weniger Festival, mehr ein großes Wiedersehen. Eine Nacht voller Musik, Gespräche, Umarmungen, Verstärkerwärme und vertrauter Gesichter. Das Tonzonen Festival 2025 im Bollwerk 107 war genau das, was man sich als Teil dieser Szene wünscht: gut kuratiert, gut organisiert – und vor allem getragen von Menschen, die Musik nicht machen oder hören, sondern leben.

Das Bollwerk war einmal mehr der perfekte Ort dafür – soundtechnisch top, mit Platz zum Atmen, aber trotzdem nah dran. Draußen mildes Frühlingswetter, drinnen Raum für laute Töne, leise Gespräche und jede Menge Energie. Kein großes Event-Gedöns, sondern genau die richtige Mischung aus familiär und professionell.

Danke an Tonzonen Records, die uns – Volker und mich – eingeladen haben, als Teil dieser Community dabei zu sein. Als Freunde, nicht als „Presse“. Als Szene, nicht als Außenstehende. Backstage wurde gelacht, gegessen, erzählt – wie’s sein soll. Kein VIP-Gehabe, sondern ehrlicher Austausch auf Augenhöhe. So wie wir es kennen. So wie wir es mögen.

Ein Abend, der hängen bleibt. Nicht nur wegen der Musik, sondern wegen der Menschen. Und weil man wieder mal gemerkt hat: Wir sind nicht allein mit dem, was wir lieben.

(Jules + der kursive Volker + alle Photos)

Alex, der Conférencier des Abends

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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