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Wucan + Kanaan im Bora Club in Duisburg am 04.10.2025

(jul-text + vo-photos) Kanaan und Wucan – zwischen Leuchten und Lawine
Samstagabend in Duisburg. Draußen hängt das Herbstwetter über dem Dellplatz, drinnen vibriert der Boden. Das Bora ist voll bis zum Rand, die Luft schmeckt nach Spannung und Fuzz.

Punkt 20 Uhr: Kanaan. Das norwegische Power-Trio, das sonst auch den Kern von Full Earth bildet, betritt die Bühne ohne Schnickschnack und Hallo. Nur ein Blick zwischen ihnen – und dann dieser erste Gitarrenklang aus Ask Vatn Strøms Gitarre, die an und für sich schon Statement genug ist. Eskild Myrvoll legt mit dem Bass oben in der Doppelhalsgitarre ein leises Fundament, das unter der Haut arbeitet, und Ingvald André Vassbø tastet sich an die Drums, als wolle er den Puls des Raumes finden.

Der Einstieg: rein ambient, ruhig, fast meditativ. Kanaan ziehen den Raum langsam aber sicher in ihre Umlaufbahn. Nach zehn Minuten ist der Sound so dicht, dass man ihn greifen könnte. Nach weiteren fünfzehn Minuten trommelt sich Ingvald in völlige Ekstase und verliert gleich mehrfach einen Drum-Stick. Das Bemerkenswerte daran: Er spielt so hart am Limit, jenseits des kalkulierten Anschlags, dass man es überhaupt nicht hört.

Sie bewegen sich zwischen Ambient und Attacke, zwischen jazziger Offenheit und Stoner-Gewalt, und schaffen so einen eigenen dramaturgischen Bogen. Kanaan spielen fünf Stücke – zwei neue – in rund 45 Minuten:

Duisburg 4/10:
1 Öresund
2 Pink Riff
3 Ouroboros (new)
4 The Groke (first time in like 5 years?)
5 [New song]

Es ist kein Set im herkömmlichen Sinn, eher ein Zyklus: Aufstieg, Entladung, Schwebezustand.
Als sich das Set dem Höhepunkt nähert, gleitet der Klang nahtlos in eine neue Dimension über. Der Sound im Bora ist an diesem Abend makellos. Druckvoll, ohne zu dröhnen. Jede Schattierung hörbar – selbst, wenn Ask die Gitarre nur atmen lässt. Die Lichtregie hält sich zurück, lässt die Bühne in warmen Rot- und Orangetönen glimmen.

Kein Effektgewitter, keine Überinszenierung. Nur drei Musiker, die tun, was sie tun müssen. Kanaan verlassen die Bühne, und es bleibt ein Nachbeben. Ein Gefühl, als hätte man kurz in eine andere Gravitation gewechselt.

Dann kommen Wucan. Und mit ihnen Frontfrau Francis Tobolsky – ein echtes Phänomen. Abseits der Bühne wirkt sie sehr zurückhaltend, nachdenklich, ja, fast unscheinbar. Doch sobald sie in Python-Print gewandet ein Mikro in der Hand hält, entlädt sie sich in diese schillernde Lichtgestalt, die die Bühne mit Energie, Charisma und dieser unverwechselbaren Mischung aus Kraft und Anmut erfüllt. Ihre Präsenz ist magnetisch, ihre Stimme ein Sturm mit Seele, auch wenn am zweiten Tourtag leicht angeschlagen. Wenn Francis zur Querflöte greift, explodiert der Raum.

Zwischen Jethro Tull und einer Garage in Dresden schwingt ein Funken Wahnsinn, der ansteckend wirkt. Wucan sind mit ihrem neuen Album Axioms (Long Branch Records, August 2025) auf Tour, aus dem sie heute Abend unter anderem Fountain of Youth und Holz auf Holz live präsentieren.

Zuletzt habe ich sie im Juni auf der großen Bühne beim Freak Valley Festival gesehen. Und heute genieße ich insbesondere den guten Blick auf das Schlagwerk von Philip Knöfel: ein Traum in weiß.

Sonst meist eher hinter Francis Gitarren-Querflöte-Theremin One-Woman Orchester etwas versteckt, heute präsenter denn je. Und der Mann weiß den Traum auch zu spielen. Wucan ziehen über eine Stunde perfekt durch und machen den Abend in Duisburg zu einer absolut gelungenen Sache.

Zwei Bands, ein Raum, zwei völlig verschiedene Wege – und doch dieselbe Wahrheit: Musik ist dann am stärksten, wenn sie mit Erwartungen bricht und Grenzen auflöst….(jules + volker – photos)

Wir bedanken uns bei Joe Schmidt (Shogun Konzerte) für die Akkreditierungen.

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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