(syb) „It’s happening right now!“ ist nicht nur die künstlerische Praxis, sondern der Dauerdaseinszustand von THE IMPERIAL MUSTARD, die mit „turn the stone“ ihren zweiten Longplayer vorlegen. Die Neun Tracks, allesamt entstanden aus freier Improvisation, wurden nicht geschrieben, sondern im Moment gefunden und sind gänzlich dem Unterbewusstsein des Frankfurter Kollektivs entsprungen.
Das besteht aus Gene Deja und Hank Wagner (guitars), Stefan Mysdor (drums), Suse Michel (voice) und Carsten Eckermann (bass) und kennt sich mit einer Ausnahme schon seit den 80er Jahren. Alle Mitglieder haben seitdem in diversen Konstellationen miteinander gespielt und sich im Griesheimer Proberaum dann und wann zu Jam-Sessions getroffen. Im September 2011 kam es dort erstmals in der fast aktuellen Besetzung zu wilden Space-Jams, deren kreative Energie alle Beteiligten wohl von Beginn an spüren ließ, dass aus ihnen zwangsläufig eine neue Band entstehen musste. Und zwar eine, die intuitiv improvisiert und von der Norm abweicht.
Mal krautig, sixties-rockig, dann wieder spacig, funky und tüchtig groovy unterwegs brauchte das Projekt dann noch einen Namen. Aus der Ursuppe herausgefischt wurde schließlich die Idee „Mehr Kraut mit unserem Senf dabei“ des 2020 ausgestiegenen Bandmitbegründers Eick Hoemann. Orientiert an einer echten Senf-Marke und in Worten dann kaiserlich gekrönt, wird der Bandsenf seither als The Imperial Mustard dazu gegeben.
„Turn The Stone“ ist nun die logische Fortsetzung des gefeierten Debuts „Room One“ aus dem Jahr 2023, denn es beweist mit den neuen im Proberaum entstandenen Tracks erneut, dass die Bandmitglieder im Einklang stehen, intuitiv und gefühlvoll im Jam zu einer Einheit verschmelzen und sich wie dich in ihrem eigenen Monotonie-Universum wegbeamen können. Dafür nimmt sich The Imperial Mustard viel Zeit und jeden, der sich darauf einlässt mit auf diesen ausufernden, 66-minütigen Trip.
Und der kleckert zum Einstieg mit „Black Sunday“ nicht vorsichtig herum, sondern klotzt sofort tüchtig los. Jazzy, wütend, aus Gründen, voll auf die Fresse. Suses dunkle, rauchige Stimme, die vorherrschende Farbe an diesem Sonntag ist schillerndes schwarz.
Weiter geht’s mit „On the Line“, schwer psychedelisch. Man könnte fast meinen, jemand würde irgendwo im Universum die Fäden ziehen und alles durcheinanderbringen. Alle drehen durch, Chaos, ich will weg, Tür zu, Kopf weg. Weck mich wieder auf am Tag danach…
„Turn the Stone“, tranceartige Langsamkeit wandelt sich stetig zur Ekstase. Durch die Vorhänge fällt blasses Licht und Suses Stimme schleicht sich ins Kleinhirn und fordert immer wieder Mut, wage es, „go there, turn the stone“!
Track 5 „Hot Smoke“ beginnt lässig, Gitarren klingeln, finden kriechend ihren Weg. Die Mäuse im Grab drehen sich im Kreis und fragen nicht einmal warum. Jeden Tag aufs Neue in die Hölle. Am Ende will die Maus raus, hat verstanden, dass hier nur heißer Rauch verkauft wird, hohle Phrasen, ohne Sinn.
„Beautiful Day“ eine klangvolle Yo La tengo Reminiszenz: eindringliche Zurückhaltung, jedoch die gesamte Aufmerksamkeit fordernd, Soli, Wah Wah, die Gitarren schrauben sich in bewusstseinserweiternde Höhen. Am Ende vergeht jedoch auch dieser schöne Tag.
Song Nummer 6 „Easy“ katapultiert unmittelbar in den klassischen funky Kraut- Mood, es groovt, aber so leicht lasse ich mich nicht vom Weg abbringen. Ich weiß bereits, wo er ist und wohin er führt, aber es gibt Sirenen am Straßenrand.
„Deep Down“, eine knackige, atemlose Fahrt durch das eigene Innere. Mit Höhen, mit Tiefen. Eine Stimme wird laut: wer bist du wirklich? Kenne ich dich überhaupt?
„Orient V8“ : Ein 9 1/2 minütiger instrumentaler Monolith aus feinstem, monotonen Kraut mit Fuzzbass. Wunderschön und episch.
Das Ende des Trips beschließt das Quintett mit einem bluesigen „Goodbye“ und hinterlassen trotz sanfter Schwermut ein zufriedenes Glücksgefühl.
Aus jeder einzelnen Pore dieser Platte tropft die Direktheit und Leidenschaft, mit der sie entstanden ist. Wer sie hört, versteht THE IMPERIAL MUSTARD und ihre frei improvisierte Musik, die durch einen Space- Echo gejagt und mit Herzblut gefiltert wurde. „Turn the Stone“ ist kein Album, es ist eine Einladung zur kollektiven Bewusstseinserweiterung. Angenommen!
(sybille)
VÖ
05.12.2025 (bereits erschienen)
Recorded and mixed at Nexttogerard by
Hank Wagner and Carsten Eckermann
(SlagRec.)
DAUER
01:06:11
Tracks
01. Black Sunday
02. On the Line
03. Turn the Stone
04. Hot Smoke
05. Beautiful Day
06. Easy
07. Deep Down
08. Orient V8
09. Goodbye
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