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MONKEY3 & UNIDA & ROADSKILL SODA  |  02.11.2023  | Vortex, Siegen/Weidenau

English version below // (Text: Judith, Fotos: David Grünebach) Was für ein grandioser Abend! (Ich fang mal hinten an.) Eine langjährige, regelmäßige Besucherin des Vortex Surfer Musikclubs äußert kurz vor Mitternacht ganz beseelt: „So viel Spaß hatte ich hier schon lange nicht mehr.“ Und das will bei ihr was heißen. Die Gesichter der restlichen Besucherinnen und Besucher heute Abend spiegeln genau diese Euphorie wider. Drei Bands, drei Endorphinmaschinen, drei Grinsebackenbeschwörer. 

Die vier Haudraufdegen von RoadskillSoda aus Rumänien eröffnen den feucht-fröhlichen Abend mit derbem Rock’n’Roll-Stoner-Metal, der uns schonungslos am Kragen packt und über sämtliche Siegerländer Bordsteinkanten schleift. Frontmann Andrei Gherghel aka „Byst“ schreit sich nicht nur beim Singen die Seele aus dem verschwitzten Leib, sondern brüllt auch dem Publikum seine pushenden Motivationsparolen heiser entgegen, dass man ihn anschließend gerne mit Hustenbonbons und Salbeitee betüddeln würde. Voller vorwärtstreibender Vollrauschbeats reißen Vlad Casian an den Drums, Victor „Vava“ Ferezan am Bass und dessen Bruder Mihnea Ferezan an der Gitarre vom ersten Takt an die fröhliche Meute vor der Bühne mit und heben mit Frontsau Byst die Stimmung somit direkt auf ein hohes Level an, das an diesem Abend von den beiden Folge-Bands wieder aufgenommen und konsequent aufrechterhalten wird. (An dieser Stelle auch mal ein bewusstes Lob an das mega Publikum! Die Stimmung hängt schließlich immer von zwei Seiten ab: Mit eurer Begeisterung, die ihr zum Ausdruck bringt, spornt ihr die Bands an, die ihren Drive wiederum ans Publikum zurückgeben. Ein wunderbares, sich verstärkendes Perpetuum Mobile. Perpetuum Mobile Progressive Style, sozusagen.) Band-Managerin und Marketing-Expertin Patricia Bîea unterstützt ihre Jungs nicht nur vor der Bühne mit voller Leidenschaft, sondern auch als Gastsängerin auf der Bühne.

Unida aus den Vereinigten Staaten und auch das Publikum packen insofern auf und vor der Bühne noch eine Schippe drauf, als dass es ganz schnell ganz heiß wird und nicht nur bei den Musikern körperliches Kondenswasser im Takt des fetten Stonersounds auf den dürren Wüstenboden tropft, wo es auf der Stelle verdampft. Dies hält jedoch weder die vier wilden Wüstenfüchse noch die frenetischen Fans davon ab, durchgehend alles zu geben. Trotz des immensen Flüssigkeitsverlusts (inwiefern Bier hier hilft, ist fraglich) steht allen die pure Freude ins Gesicht geschrieben. Alle lieben Unida, und das zeigen sie mit vollem Stimm- und Körpereinsatz. Sänger Mark Sunshine wiederum wird wie vor fast einem Jahr (ihr letzter Gig im Vortex war am 14. Oktober 2022 – übrigens mein allererster Konzertbericht) nicht müde, seine Bandkollegen immer wieder lobend zu würdigen, ob mit respektvollen Worten oder Fingerzeig. Die haben die Würdigung des Sängers allerdings auch wahrlich verdient: Collyn McCoy am Bass ist eine Wucht vor dem Herrn und es ist eine Wonne, seinen flinken Finger zuzuschauen. Arthur Seay wechselt seine Mimik wie gewohnt zwischen diabolischem Grinsen und Zunge-Rausstrecken in bester KISS-Manier, während Mike Cancino seine Kollegen einerseits im Takt hält (es muss wahrlich schwer sein, hier nicht auszubrechen…), und zugleich abgeht wie der Hase aus der Duracell-Werbung. Unida sind pure Freude – beim Zuhören, beim Zuschauen und beim Mitgehen. Am heutigen Abend stellen sie ihre neue Single vor, „Unbound“, der erste Vorgeschmack auf das lang ersehnte neue Album, für das es derzeit noch keinen Erscheinungstermin gibt. (Wir halten euch hier auf dem Laufenden!)

Nach dem krachenden Krawall von RoadskillSoda und dem beatlastigen Stampfgeschwader von Unida gelingt den mighty Monkey3 mit scheinbarer Leichtigkeit das eigentlich Unmögliche: Diese aufgeputschte Stimmung trotz ihres rein instrumentalen, psychedelisch angehauchten Stoner-Stils aufrecht zu halten, auch wenn die Temperatur sich (zum Glück, der Kreislauf atmet auf) wieder angenehm senkt. Die vier Herren aus Lausanne, einer Stadt am Genfersee im französischsprachigen Kanton Waadt in der Schweiz, schaffen es weniger durch Eskalation als vielmehr durch Ekstase ihr Publikum regelrecht zu verzaubern und in ihrem soundtechnisch bombastischen Bann zu halten. Guillaume Desboeufs zaubert seinen Keyboards Soundteppiche hervor, die nicht von dieser Welt scheinen; vor allem der elfminütige Opener „Spirals“ ist ein kaum zu übertreffendes Beispiel für in höchstem Maße fesselnde, synthetische Klangumarmungen. Das verspielte und zugleich versierte Rhythmusgerüst von Kevin Richard am Bass und Walter Albrecht an den Drums kreist verträumt auf kosmischen Umlaufbahnen, um immer wieder durch progressive Verdichtung in eindrucksvollen Supernovas zu kulminieren. Boris De Piantes Gilmourschen Gitarrensoli lösen nach der vergangenen gnadenlosen Wüstenhitze unzählige Gänsehaut-Schauer aus, die sich unter den verschwitzten Klamotten umso intensiver anfühlen. Das mit spannungsgeladenen Pausen agierende „Through the Desert“ von „Beyond the Black Sky“ (2011) wird vom effektvollen, fesselnden Einsatz des Bühnenlichts untermalt. (Lob an Licht und Sound!) Als Zugabe gibt es das auf dem gleichnamigen Stück von Ennio Morricone basierende, epische „Once Upon a Time in the West“, das uns zurück in den Staub beamt, diesmal in den stiefelzertretenen braunen Sand des Wilden Westens. 

Monkey3 halten das Publikum durch ihre sphärisch-progressive Spielart zärtlich, aber unerschütterlich in ihrem Bann. Doch wir wehren uns nicht, wollen mitgerissen werden, fortgerissen aus einer Gegenwart, die in ihrer weltpolitischen Dynamik derzeit kaum auszuhalten ist. Ob nun durch garstigen Wumms, stampfende Riffs oder sphärische Klangteppiche – Musik leckt Wunden, besonders heute Abend. Danke dafür.

(Judith)

English version:

(Text: Judith, Photos: David Grünebach) What a great evening! (I’ll start at the end.) Shortly before midnight, a regular visitor to the Vortex Surfer music club expresses her excitement: „I haven’t had this much fun here for a long time.“ And that’s saying something for her. The faces of the visitors tonight reflect exactly this euphoria. Three bands, three endorphin machines, three grin-inducing entertainers.

The four roughneck dudes from RoadskillSoda from Romania open the humid and cheerful evening with rough rock’n’roll stoner metal that relentlessly grabs us by the collar and drags us over every single curb in the Siegerland. Frontman Andrei Gherghel aka „Byst“ not only screams his heart out as he sings, but also shouts his motivational slogans at the audience so hoarsely that you’d love to pamper him with cough drops and sage tea afterwards. Full of propulsive, intoxicating beats, Vlad Casian on drums, Victor „Vava“ Ferezan on bass and his brother Mihnea Ferezan on guitar sweep up the cheerful crowd in front of the stage from the very first beat and, together with front maniac Byst, immediately raise the mood to a high level, which is taken up and consistently maintained by the two following bands that evening. (At this point, a conscious word of praise to the great audience! After all, the atmosphere always depends on two sides: With the enthusiasm you express, you spur on the bands who in turn give their drive back to the audience. A wonderful, reinforcing perpetuum mobile. Perpetuum mobile progressive style, so to speak). Band manager and marketing expert Patricia Bîea not only supports her boys with passion in front of the stage, but also as a guest singer on stage.

Unida from the United States and the audience take it one step further, as it quickly gets very hot and not only the musicians‘ bodies drip condensation onto the arid desert floor in time with the fat stoner sound, where it evaporates on the spot. However, this doesn’t stop the four wild desert foxes or the frenetic fans from giving their everything throughout. Despite the immense loss of fluids (to what extent beer is helping here remains questionable), pure joy is written all over everyone’s faces. Everybody loves Unida, and shows this with full vocal and physical commitment. Singer Mark Sunshine, for his part, never gets tired of praising his bandmates, whether with respectful words or finger-pointing, just as he did almost a year ago (their last gig at Vortex was on October 14, 2022 – my very first concert review, by the way). However, they truly deserve the singer’s appreciation: Collyn McCoy on bass is a force before the Lord and it’s a delight to watch his nimble fingers. Arthur Seay alternates his facial expressions as usual between a diabolical grin and sticking out his tongue in the best KISS manner, while Mike Cancino keeps his colleagues in time (it must be really hard not to break out here…) and at the same time goes off like the rabbit from the Duracell commercial. Unida are pure joy – to listen to, to watch and to go along with. Tonight they present their new single, „Unbound“, the first foretaste of the long-awaited new album, for which there is currently no release date yet. (We’ll keep you up to date here!)

After the crashing ruckus of RoadskillSoda and the beat-heavy stomping squadron of Unida, the mighty Monkey3 achieve the seemingly impossible with apparent ease: Maintaining this exhilarated mood despite their purely instrumental, psychedelic-tinged stoner style, even when the temperature drops again (fortunately – the circulation breathes a sigh of relief). The four gentlemen from Lausanne, a city by Lake Geneva in the French-speaking canton of Waadt in Switzerland, manage to enchant their audience less through escalation than through ecstasy and keep them under their sonically bombastic spell. Guillaume Desboeufs conjures up soundscapes on his keyboards that seem out of this world; the eleven-minute opener „Spirals“ in particular is an example of highly captivating, synthetic sound embraces that can hardly be surpassed. The playful and at the same time adept rhythmic framework of Kevin Richard on bass and Walter Albrecht on drums circles dreamily in cosmic orbits, only to culminate in impressive supernovas through progressive densification. Boris De Piante’s Gilmourian guitar solos trigger countless shivers of goosebumps after the past merciless desert heat, which feel all the more intense under the sweaty clothes. „Through the Desert“ from „Beyond the Black Sky“ (2011), with its suspenseful pauses, is accompanied by the effective, captivating use of stage lighting. (Praise to the lighting and sound!) The encore is the epic „Once Upon a Time in the West“, based on the Ennio Morricone piece of the same name, which beams us back into the dust, this time into the boot-treaded brown sands of the Wild West.

Monkey3 holds the audience tenderly but unshakeably under their spell with their spherical-progressive style. But we don’t resist, we want to be swept away, torn away from a present that is currently almost unbearable in its global political dynamics. Whether it’s through dirty boom, stomping riffs or spherical soundscapes – music licks wounds, especially tonight. Thank you for that.

(Judith)

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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