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Freak Valley X-Mas-Fest – Tag 2: Rock the Stone am 09.12.2023 im Vortex: The Machine – Mars Red Sky – Gnome – ¡PENDEJO! – Giöbia

(ju) Unsere Winter bedeuten eine nass-kalte, dunkle und recht zermürbende Angelegenheit. Sonnenstrahlen auf nackter Haut, Festival-Frohsinn und Grillengezirpe haben längst alles durchdringendem Nieselregen, Schneematschgestöber und Dunkelkammeratmosphäre Platz gemacht. Zum Glück gibt es alle Jahre wieder Anfang Dezember die kleine Schwester des frühsommerlichen Freak Valley Festivals. Das allwinterliche X-Mas-Fest im Vortex schenkt uns genügend Lebensenergie und -freude, um die kommenden sechs Monate bis zum nächsten Freak Valley einigermaßen wohlbehalten zu überstehen.

(yv) Unerwartet treten GIÖBIA an diesem Abend als Opener an, wohl der anstehenden Weiterreise zum nächsten Konzert geschuldet. Die italienischen Meister des sphärischen Acid Rock wären für mich stets Kandidaten für einen späteren Spot, einfach spitze, wie sie das Publikum mit ihren Klängen gekonnt einspinnen und zum synchronisierten Schwingen bringen. Leider ist der erste Rang im Ablaufplan ja zumeist etwas undankbar in puncto Publikumsbesetzung, das tut der Stimmung hier aber keinen Abbruch: Diejenigen, die sich vor der Bühne tummeln, erleben ein ausgefeiltes Programm aus neuen Nummern der aktuellen Scheibe “Acid Disorder“ und innig geliebtem, altbekanntem Liedgut wie „Lentamente la Luce“ und „Sun Spectre“. Spätestens wenn gegen Mitte des Auftritts Saitenmagier Stefano „Bazu“ seine Sitar aus dem Ständer nimmt und umschnallt, stehen schon diverse Schweißperlen auf Stirnen, seeliges Grinsen in den Gesichtern reihum, die Freaks sind am frohlocken, pfeifen und klatschen, die erste Reihe ist schier am ausflippen und abheben und die übrige Physis ist schonmal ordentlich warmgeschüttelt. Dieses Quartett ist immer wieder eine feste Bank, schon so oft gesehen und doch jedes Mal aufs Neue grandios. Mille Grazie!

(ju) Obacht, jetzt wird es wild! Denn die fünf Amsterdamer ass-kicking Mariachis von ¡PENDEJO! stürmen die Bühne und legen mit ihrer irren Mischung aus schweren Riffs, explodierenden Drums, kreischenden Bläsern und spanischen, nicht ganz jugendfreien Texten im Handumdrehen das Vortex lahm. Die derbe Mischung aus Heavy und Stoner Rock mit zünftigem Doom Metal lässt das Publikum begeistert ausflippen. ¡PENDEJO! ist Spanisch und bedeutet übersetzt „Dummkopf“, „Feigling“, „Arschloch“ oder „Schamhaar“. Bei Bevorzugung der Jugendsprache auch „Hohlbrot“. Man suche sich aus, was am besten gefällt. Dass sie weder hohl noch dumm noch feige sind, beweisen El Pastuso am Mirko und der Trompete, Sjoerd „Nudo“ Van Der Knoop an der Schießbude, Ed „El Loco“ Romijn an der Gitarre, Menno Roymans mit seiner Posaune sowie Stef „El Rojo“ Gubbels am Bass mit ansteckender Manie, die selbst Feinde von Blechbläsern begeistert ausflippen lässt.

(ju) Etwas niedlicher, aber nicht weniger verrückt (im positiven Sinne!), kommt das Belgische Wichtel-Gespann von GNOME daher: Passend zu Weihnachten bringen sie nicht nur materielle Geschenke in Form von Zwergenmützen samt Bastelanleitung unters Publikum, sondern auch ganz viel fröhlich-grungiges Sound-Lametta. Die Stoner Rocker – um sie mal über den Genre-Kamm zu scheren – verbinden skurrile Lyrics mit fröhlich-fetten Riffs, tanzbaren Hardrock-Hooks und herrlich verspielten Gitarrensoli. Schon die ersten Takte des groovigen Riffs im Opener „Bulls of Bravik“ lässt uns wie auf Knopfdruck Tanzbeine und Haare schwingen, sodass allen die Sonne aus dem Allerwertesten scheint und sämtliche Weihnachtsbeleuchtung im Siegerland überflüssig macht. Sänger und Gitarrist Rutger Verbist trägt das ganze Konzert über die bandtypische Zipfelmütze, Egon Loosveldt (Schlagzeug) und Geoffrey Verhulst (Bass) ist es dafür vermutlich zu heiß. Dass die drei Herren aus Antwerpen auf der Bühne so abgehen, macht es der Temperatur allerdings auch nicht erträglicher. Mit welcher Leichtigkeit sie ihr Können vollführen, mutet dabei fast schon magisch an. Was für eine riesige Zwergen-Sause!

(ju) Anschließend wird der aufgeheizten Menge eine samtige Decke übergelegt, es wird ruhiger, wärmer, verträumter, entrückter. Die Menge taumelt ein wenig, weiß im ersten Moment nicht wohin mit dem ganzen Schweiß und Adrenalin, lässt sich aber schnell auf den kosmischen Zwischenstopp ein. Augen schließen und wippen tut jetzt auch mal gut. Die psychedelischen Doom-Stoner MARS RED SKY aus Bordeaux, 2018 bereits Gast auf dem Freak Valley Festival, stellen heute Abend ihr erst gestern veröffentlichtes fünftes Studioalbum „Dawn of the Dusk“ vor, verwöhnen die Fans aber auch mit Klassikern wie „Strong Reflection“ von ihrem ersten Album „Mars Red Sky“ aus 2011. Die Harmonie zwischen Julien Pras (Gesang, Gitarre), Jimmy Kinast (Bass, Gesang bei „The Final Round“), und Mathieu Gazeau (Schlagzeug) stimmt auch heute Abend, und Frontmann Pras trifft bei den nicht ganz anspruchslosen Gesangsmelodien die Töne (was nicht immer live der Fall ist). Seine hohe, zerbrechlich wirkende Stimme stellt den auffälligen Kontrast dar zu den teils hoch aufgetürmten Doom-Wänden, der für die französische Band so kennzeichnend ist. Doch auch Bassist Jimmy Kinast beweist bei „The Final Round“ vom aktuellen Album seine gesanglichen Kompetenzen und bietet einen angenehm tiefen, warmen Gegenpol zu Pras’ ätherischen Vocals. 

(ju) Noch mehr Benelux-Banausen! Nachdem sie bereits 2013 auf dem Freak Valley Festival überzeugten, kehren auch Chris Both (Bass), David Eering (Gitarre, Gesang) und Klaas Dijkstra (Schlagzeug) mit THEMACHINE zehn Jahre später zurück zum kleinen weihnachtlichen Spin-Off des Festivals. Ihr Einstieg mit „Moonward“ ist eine passende Überleitung von den französischen Marsianern zum letzten Gig des Abends, die uns in den ersten drei Minuten noch sanft in den Armen wiegt, bevor der große Weckruf kommt in Form von wummernden Basskanten und knarzenden Gitarren. Insgesamt bieten die drei Holländer aus Rotterdam eine dynamische Mischung aus schwererem psychedelischem Teppich (z. B. „Genau or Never“), fuzzigem Acid-Blues (z. B. „Paradox“) und derbem Garagen-Grunge („Crack You“), die uns bei diesem Band-Marathon noch einmal sämtliche Kraftreserven entlockt und die grandiose Stimmung bis zum letzten Takt aufrechterhält. Ehre, wem… Ihr wisst schon.  Danke für diesen fantastischen Abend! 

Texte: Yvonne & Judith

Fotos: David Grünebach (merci!) und Handyfoto von Judith (Bastelanleitung GNOME)

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