(ju) Auf die Siegerländer Metalheads ist Verlass. Der Vortex Surfer Musikclub ist rappelvoll. Schön muffelig eng, wie es sich gehört für ein feines Riffgewitter am Samstagabend. Heute ist wieder Siegener Metaller Geballer angesagt. (Hat eigentlich schonmal jemand schriftlich festgehalten, dass dies ein unfassbar geiler Name ist?) Motto heute: „Deadly Thrash Attack“.
An diesem Abend ist die „Metal-Liebe“, wenn ich sie mal so blumig nennen darf, überall zu spüren und derart greifbar, dass zwischen all dem thrashigen Dampfgeschwader und prügelndem Riffhagel auch ein Hauch von Nostalgie und Rührseligkeit in der brutal dicken Luft liegt. Was sich natürlich niemand anmerken lässt. Auf in den Kampf!

Zunächst einmal werden wir mit einem mächtigen Arschtritt zurück in den Ruhrpott der achtziger Jahre katapultiert, als uns die drei Haudraufdegen von SPHINX in weißen Basketballsneakers, fetten Patronengurten und Nieten-Armschienen authentisch derben, herrlich rohen Thrash und Speed Metal um die Ohren jagen, ganz im Geiste der frühen Kreator, Sodom und Destruction. Passenderweise kommen Terrorizer (Gitarre), Bonebreaker (Drums) und Aggressor (Bass und Vocals) aus dem Ruhrpott, genauer gesagt aus Gelsenkirchen. Die Vortex-Bühne ist geschmückt mit selbst gestalteten Kunstwerken, die u.a. in blutiger Schrift verkündigen, dass Siegen heute Abend zerfleddert werden wird. SPHINX geben dazu alles mit ihrem infernalen Riffgewitter und Texten über Krieg, Mord und Zerstörung. „Massacre Of Siegen“ quasi, statt „Massacre Of Distomo“. Die Fans in der ersten Reihe sind mit einem Fuß auf dem Bühnenrand nicht nur standsicher beim Bangen und Fäuste-in-die-Luft-Werfen, sondern auch textsicher und unterstützen den abwechslungsreichen, teils zweistimmigen Gesang von Bassist und Hauptsänger Aggressor sowie Saitenbuddy Terrorizer mit treuer Leidenschaft.



Auch die folgende Band ist mit ihrem geschwärzten Heavy/Speed Metal deutlich in den Achtzigern verwurzelt. Ihre Einflüsse gehen dabei eher auf internationale Bands wie die Briten von Venom und die Schweizer Celtic Frost bzw. vormals Hellhammer zurück. BEYOND THE GATES setzt sich zusammen aus aktiven Mitgliedern der Doom-Kapelle Lord Vigo (Zildrohar und Clortho) und ehemaligen Mitgliedern der Speed-/Black-Metaller Burstin‘ Out (Satanscythe und Witchnailer). Komplettiert werden die vier von Eric Stanton am Bass. Instrumental wird es nun etwas anspruchsvoller. Vor allem Zildrohar überzeugt an der Gitarre auf ganzer Linie, wenn er mit größter Lässigkeit und cooler Sonnenbrille schnelle gebrochene Akkorde und filigrane Gitarrensoli zum besten gibt, mal dreckig-verzerrt, mal clean brechend. Ordentlich geknüppelt wird auch hier, Satanscythe ist so in seinem Element, dass er inbrünstig seine Bierflasche auf dem Bühnenboden zerschmettert. Stantons prägnantes Bassspiel ist nicht minder anspruchsvoll. Zusammen mit Drummer Clortho wirft er sich scheinbar mühelos bei den komplizierten Tempiwechseln die Bälle zu (oder Handgranaten, um im Jargon zu bleiben). Vor der Bühne ist mittlerweile mehr los, auch hier stehen die Hardcore-Fans mit einnehmendem Fuß auf der Bühne in der ersten Reihe und werfen textsicher grölend mit Fäusten und Pommesgabeln um sich.



Den totalen Abriss liefert schließlich die Siegener Heimatband OLD und sorgt mit ihrer Mischung aus Thrash und Black Metal für freudvolles Kampfgerangel vor der Bühne. Ein Nackenbrecher nach dem anderen. Sänger Oz brüllt sich dermaßen die Seele aus dem Leib, dass die erste Reihe bereit steht, ihn zur Not aufzufangen. Unsere Nackenmuskeln haben derweil alle Hände voll zu tun, unsere im Schnitt sechs Kilogramm schweren Köpfe festzuhalten, damit diese sich nicht vom Atlas schrauben und das Vortex am Ende doch noch als Ort des Metal-Gemetzels in die Siegerländer Geschichte eingeht. Ekstatische Freude kommt im Publikum auf, als bei „Nocturnal Ritual“ Michael Dall aka Carnivore spontan auf die Bühne hopst und sich mit Oz das Mikro teilt, als wäre der Song von Anfang an als Duett mit dem Sänger von Cruel Force komponiert worden. Drummer Zarko prügelt auf die Felle ein, als gäbe es keinen Morgen mehr, während der Rest der Kombo deutliche Spielfreude zeigt und ein Riff nach dem anderen abfeuert.




Auf der Setlist steht übrigens als Überschrift: „Vortex Attack 2024“. Passendes Mantra für heute Abend.
Als die erschöpften, aber glücklichen Gäste sich wie die Lemminge an die Bar und nach draußen begeben, steht das Vortex noch. Siegen auch.
(Text – mit Nackenschmerzen verfasst – von Judith, Fotos – mit herzlichem Dank! – von Simon Kufferath)
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