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AC/DC Power Up Tour Messe Hannover am 4. August 2024

(pe) Zwei Tage Krach am Bach Festival in Beelen mit insgesamt ca. 25 Stunden Steherei steckten mir am Sonntagmorgen in den Knochen, und die Frage, die ich mir selbst stellen musste war: bist Du nicht vielleicht doch schon etwas zu alt für dreitägige Konzert-Marathon-Läufe?

Ein Youtube-Blick auf die schneeweiß ergraute Mähne von Angus Young signalisierte dann aber doch deutlich: wenn die alten Herren es noch schaffen, dann stell´ Dich gefälligst nicht so an!

Und so schüttelte ich die Müdigkeit aus den Knochen und aus dem Hirn und machte mich auf nach Hannover, die zwei Autostunden mit gerade noch trommelfellverträglicher Lautstärke einem bunten Strauß von Songs aus dem kompletten Schaffen der Australier lauschend und dabei nostalgieverzehrt vor mich hin sinnierend:

Es war 1980, als ich mir bei Life-Records in Dortmund (viele Ruhrpottler werden verzückt-glasige Augen bei Erwähnung dieses besten aller Plattenläden in der Region bekommen) mit 12 Jahren vom Taschengeld mein allererstes Album selbst kaufte: „Back in Black“ von AC/DC!

Auf einem tragbaren und aufklappbaren Plattenspieler mit eingebautem Monolautsprecher hörte ich die Platte zum ersten mal und weiß noch wie heute, wie mich der berühmte Blitz durchfuhr und eine Faszination und Liebe für diese Band in mein Jugendherzchen knüppelte, die bis heute anhält…

1988 folgte mein erstes AC/DC-Konzert in der Essener Grugahalle (Eintrittspreis: 32 DM!!!) – Dokken war die Vorband, und ich hatte mich mit einem Freund bis in die erste Reihe vorgekämpft, denn ich wollte meine Idole aus nächster Nähe erleben. Als Angus & Co jedoch dann auf die Bühne polterten, gab es in der Masse kein Halten mehr (Wellenbrecher oder sonstige Sicherheitsvorkehrungen gab es zu dieser Zeit noch nicht) die Leute rasteten komplett aus, jemand trat hinten auf meinen Schuh, und plötzlich stand ich auf einer Socke da und versuchte verzweifelt, nicht erdrückt zu werden. Mit Ellbogen-Einsatz konnte ich mich aus der wildgewordenen Horde herauskämpfen – und verbrachte den Rest des Konzertes in der hintersten Reihe – mit nur einem Schuh an den Füßen! Das Bild von Angus‘ splitternacktem Hinterteil, das er am Ende von „The Jack“ dem Publikum entgegenreckte, werde ich wohl nie mehr aus dem Kopf bekommen…

In den 90ern erlebte ich AC/DC zwei weitere Male in der Dortmunder Westfalenhalle – statt des blanken Popos zog Angus mittlerweile nicht mehr ganz blank, sondern streckte lediglich noch seine mit dem Union Jack bedruckte Unterhose gen Publikum – immerhin: ich erlebte beide Konzerte ohne jeglichen Schuh-Verlust!

Und heute, unglaubliche 44 Jahre nach dem Albumkauf bei Life Records in Dortmund, stehe ich mit 74.999 weiteren Fans jeden erdenklichen Alters bei allerbestem Festivalwetter auf dem Messegelände in Hannover, um mir das vermutlich letzte Farewell von AC/DC auf deutschem Boden anzusehen…

Einmal kurz nostalgisch tief durchgeseufzt – und danach 135 Minuten Rock’n’Roll mit mittlerweile nur noch Angus Young und Brian Johnson vom (nach der Bon Scott – Ära) originalen Line-Up: Malcolm Young, das Rhythmus-Genie im Hintergrund von AC/DC ist leider 2017 verstorben, der Job bleibt jedoch live in der Familie, denn er wird durch Stevie Young, Neffe von Malcolm und Angus Young, vertreten. „Achtelkönig-Bassist“ Cliff Williams ist nach Einspielung des aktuellen Albums „Power Up“ aus den Liveshows ausgestiegen und wird live durch Chris Chaney (Jane´s Addiction) ersetzt, Phil Rudd an den Drums ist nach diversen Drogenexzessen und zuletzt achtmonatigem Hausarrest mit Fußfessel wegen Morddrohungen und erneutem Drogenbesitz 2015 aus der Band geflogen und wurde durch Matt Laug (er spielte mit Slash, Alice Cooper und Alanis Morissette) ersetzt.

Und als hätten AC/DC meine Nostalgie-Gedanken gelesen, beginnen sie das heutige Set mit „Back in Black“ – und mein Lächeln wird noch fetter, als es eh schon den ganzen Vormittag lang war…

Auch wenn Brian Johnson mittlerweile nur noch knapp bei Stimme ist, flitzen Angus‘ Finger wie gewohnt teuflisch übers Griffbrett seiner geliebten Gibson SG und sprintet ein Angus leibhaftig mit wild wehenden Haaren im obligatorischen Schuljungen-Outfit mit seinem einbeinig eingehüpften Signature-Move unnachahmlich über die Bühne.

Es folgen selige Minuten voller Hardrock-Klassiker: die Hells-Bells-Glocke fährt tief tönend vom Bühnenhimmel herab, Angus läuft mit Teufelshörnern auf dem Haupt Amok zu „Highway to Hell“, die gigantische aufblasbare Dame aus den 90er-Konzerten, die zu „Whole Lotta Rosie“ stets ihren Auftritt bekam wird neuzeitlich ersetzt durch eine riesenhafte digitale Neon-Rosie auf dem Leinwand-Hintergrund. Bei „High Voltage“ zucken auf den Leinwänden animierte Blitze durch die Körper der Musiker, und immer wieder sucht Angus die Nähe zu den Fans indem er wie ein Derwisch den 50 Meter langen Catwalk ins Publikum entlangläuft, um ein weiteres atemberaubendes Solo im Rampenlicht abzufackeln. Dabei wird er mal auf einer Hebebühne 10 Meter in die Höhe gefahren, ein anderes mal wirft er sich wie früher auf den Boden und spielt wild mit den Extremitäten zuckend seine Gitarrenläufe auf dem Rücken liegend.

Es ist ein großes Fest, das die Fans hier miterleben dürfen, auch wenn mehrfach schmerzlich deutlich wird, dass ein Stevie Young seinen Onkel Malcolm nicht Eins zu Eins ersetzen kann, denn bei Songs wie „Thunderstruck“ oder „Riff Raff“ muss dann doch die Handbremse ein klitzekleines bisschen angezogen werden, damit die Rhythmusgruppe noch mitkommt. Zudem leicht befremdlich sind die 20 bis 30 sekündigen Pausen nach wirklich jedem Song, die Angus & Brian vermutlich benötigen, um backstage kurz die Atemmaske aufzusetzen und reinen Sauerstoff in die gealterten Lungen zu blasen. Aber am heutigen Tag verzeiht man diese kleinen Mankos innerhalb eines Wimpernschlags, denn heute geht es um das Abfeiern von und die Danksagung für 51 Jahre AC/DC – die Band, die wie keine andere Hardrock Band dafür gesorgt hat, dass heutzutage jeder Mensch weiß:

„Rock’n’Roll Ain’t Noise Pollution!“

Als Höhepunkt des Abends haut Angus gegen Ende ein 10-minütiges Solo vor 15 Meter hochgetürmten (virtuellen) Marshall-Lautsprechern raus, dass die überall im Publikum sichtbaren rot blinkenden Teufels-Hörnchen nur so schlackern, bis am Ende, nachdem „Sound, Light, Drums, Guitar – Let there be Rock!“ über die Massen niedergebrochen waren, die Ohren durch die Kanonenschüsse von „For Those About To Rock“ druckbetäubt und die Bühne im Abschluss-Feuerwerk mit T.N.T. in Flammen aufgeht – und mit einem letzten heiseren „We love you!“ aus Brians Schmiergelpapier-Kehle schließlich Stille einkehrt…

Macht’s gut, Brian & Angus! Es war eine fantastische Reise durch die Jahrzehnte mit Euch – danke dafür – we salute you !!!
(peter)

Filed under: Hardrock, Heavy Rock, Konzertphotos, Live Reviews, , , , ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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