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Alex Henry Foster – A Measure Of Shape And Sounds

(pe) Mit seinem Vorgänger-Album „Kimiyo“ hat Alex Henry Foster seine Geschichte noch nicht auserzählt und veröffentlicht mit „A Measure Of Shape And Sounds“ ein Album, das weit weg von seiner sonstigen Post-Rock-Orientierung komplett instrumental im Ambient-Stil überrascht.

Alex Henry Foster ist ein Musiker, der persönliche Erlebnisse in seine Musik integriert und die Musik somit selbst zu einer Art therapeutischem Ausdrucksmittel macht und „Kimiyo“ und „A Measure Of Shape And Sounds“ sind Wegpfeiler innerhalb seines Projekts „Voyage à la mer“ in dem er sich auf multimedialer Ebene mit seinem Weg zur Heilung und seinem Bezug zum Universum beschäftigt. Mittels diversester Publikationen, auditiven und visuellen Ausdrucksmitteln drückt Foster innerhalb des Projektes sein über Musik weit hinausgehendes persönliches spirituelles Verhältnis zu seiner Umwelt aus.

Aber wie genau geht man an die Rezension eines derartig außergewöhnlichen Albums heran?

Ein Album, das sich so weit weg von traditionellen Song-Strukturen und Genres bewegt, die den Schreiber dieser Zeilen normalerweise faszinieren?

Die Songtitel lassen darauf schließen, dass es hier um die Vertonung einer Kontemplation des kreativen Kopfes geht – und nach mehrmaligem Hören des Albums stellt sich nach Überwindung der durch bestimmte Erwartungshaltungen geformten Irritationen tatsächlich eine Wirkung des Gehörten auf den eigenen Organismus ein, die ein erster und einziger Durchlauf kaum ermöglicht hätte: der Schlüssel zum Album ist die Fähigkeit des Hörers zur Assoziation!

Die Nutzung von Fosters musikalischer Anleitung wie eine freundliche Handreichung, einem Mutmacher, sich selbst mit Hilfe der durch die Musik wachwerdenden Assoziationen zu eigenen Erfahrungen auf seinen ureigenen Weg in die Ergründung der persönlichen Tiefe zu wagen und dabei nicht allein zu sein!

Natürlich könnte man Fosters eigene traumatische Geschichte in Folge einer lebensbedrohlichen Herz-Operation Anfang 2023, seine Selbstversenkung in die Tiefe seines Inneren und den Versuch, den Zugang zu seinen kreativen Impulsen wiederzufinden als interpretativen Ansatz wählen – aber das wäre zu einfach und würde seinem Anspruch und seiner Intention nicht gerecht.

Denn Foster ist kein Mensch, der sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. “A Measure of Shape and Sound” ist weit mehr als eine introspektive Reise des Künstlers – es ist ein Album, das auf kraftvolle Weise das Menschsein in seiner Gesamtheit und seine Verbundenheit mit der Welt thematisiert. Foster gelingt es (sofern der Hörer sich darauf einlässt!) persönliche Reflexionen mit einer kollektiven Perspektive zu verweben, indem er seine eigenen Erfahrungen und Emotionen als Brücke nutzt, um universelle Themen anzusprechen. In seinen Songs geht es nicht nur um den eigenen inneren Frieden, sondern auch um das Verständnis und die Empathie für das Umfeld und die Gemeinschaft, die ihn umgeben.

Hörerinnen und Hörer und ihre Reaktionen sind in Fosters Musik integriert – sie werden Teil der Erfahrung, des Prozesses und letztlich auch Teil der Aussage. Die Songs schaffen eine Art musikalischen Dialog, der den Rezipienten dazu einlädt, Fosters Themen im eigenen Leben zu reflektieren. Mit dieser Verbindung zwischen sich selbst und dem Kollektiv eröffnet Foster Raum für gemeinsame, geteilte Kontemplation.

Foster selbst sagt über sein Album „Es fühlte sich an wie die Darstellung einer organischen Bewegung, die uns letztendlich aus der Echokammer befreien könnte, in der wir möglicherweise gefangen waren, und so den emotionalen Wirbel und den affektiven Kreislauf der Redundanz beenden könnte, der allzu oft mit unserer Leere und Verzweiflung einhergeht.“

Bewusst traf Foster die Entscheidung, dieses Album live aufzunehmen und ihm so den Charakter eines lebenden Organismus zu verleihen. Minimalistisch konzipiert, dominiert von wabernden Synth-Sounds und multiplen, mal klaren, mal tief verzerrten Gitarren-Layern und mit intuitiven Improvisationen während der Aufnahme „lebt“ und entwickelt sich die Musik direkt während der Entstehungsprozesses – die Klanglandschaften des Albums sind dabei fast wie ein Spiegel des kontemplativen Prozesses: sie folgen keinem festgelegten Muster, sondern entfalten sich organisch, wie in einem Zustand der Meditation in dem ungeplant Gedanken vor dem geistigen Auge entstehen und vorbeiziehen.

“A Measure of Shape and Sound” ist in vielerlei Hinsicht eine musikalische Reise in die Selbstreflexion und es gelingt Foster, Momente des Innehaltens und Nachdenkens zu schaffen, die wie eine Einladung wirken, die eigenen Gedanken und Emotionen zu erforschen. Kontemplation ist hier nicht nur ein Thema, sondern der zentrale Impuls der Musik selbst: Die langsame, sich entfaltende Struktur der Songs bietet Raum, um in tiefere Bewusstseinsschichten vorzudringen und den Moment zu erleben, statt ihn zu überstürzen – und ermöglicht es dem Hörer so, sich selbst in seiner eigenen Tiefe zu begegnen.

So wird “A Measure of Shape and Sound” zu einer klanglichen Reise, die Kontemplation auf eine kraftvolle, lebendige Weise erfahrbar macht – als ein Raum, in dem man zu sich selbst findet und sich gleichzeitig von der Musik leiten lässt.

(peter)

Tracklisting:

  1. Thoughtful Descent
  2. Mechanical Revision
  3. A Mind’s Tapestry
  4. Cinematic Insight
  5. Self-Portrait
  6. Sorrowful Bouquet
  7. Manic View
  8. A Gesture, A Present
  9. Alchemical Connection
  10. Reflective Ascent

Weblinks:

https://alexhenryfoster.com/

Alex Henry Foster & The Long Shadows | Gratiskonzert am 27.07.2024 in der Kantine, Köln

Filed under: Album Reviews, Ambient, ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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