Text: Volker (wie immer der Kursive) und Jules; Fotos: Volker mit seiner 4 Kg Waffe
Münster, 3. Mai 2025. Während draußen der Himmel in einem schimmernden Stahlgrau versinkt, füllt sich der Innenhof der Sputnikhalle mit erwartungsfrohen Seelen, die wissen: Heute gibt’s wieder einmal ein Line-up für echte Sound-Gourmets, das von tiefgründigem Instrumental-Postrock bis fuzzgetränkten Riff-Exzessen einiges auffährt.
Feedy: Der Opener mit Kante und Kollision
Punkt 19 Uhr schieben sich Feedy aus Oldenburg auf die Bühne im großen Saal und sobald der erste Akkord die PA durchschneidet, ist klar: Hier wird kein lauwarmes Warm-up geliefert, hier wird die Bude abgefackelt. Das Quartett schmeißt einen Bastard aus Noiserock, Jazzcore und Postmetal in den Raum. Das Publikum? Erst irritiert, dann gefesselt. Eine Band wie ein Brennglas: roh, virtuos, unbequem. Ein mutiger Opener – und genau deswegen ein Statement.
Die Crowd ist wie immer beim Alterna: offen, neugierig, mit der richtigen Mischung aus Kennerblick und Feierlaune. Die Sputnikhalle ist eben kein Mainstream-Tempel, sondern ein Schmelztiegel für alle, die Musik noch entdecken wollen. Die Technik? Auf den Punkt. Kein Matsch, kein Übersteuerungsporno – und so kommt Feedys Klang-Gewitter differenziert rüber.

Planisphere: der Vierer mit vier Steuermännern aus der rheinischen Domstadt berockt schon knapp 15 Jahre die Bühnen der Republik und bringt in diesen Tagen ein neues Album an den Start, aus dem sie auch einige Songs vorstellten. Ihr Hauptanliegen ist eine Mischung aus proggigem, Postrockigem und heftig groovendem, in instrumentalem Gewand. Ich hatte die Jungs länger nicht mehr live erlebt und war beeindruckt wie sich seitdem ihr Können, ihr Zusammenspiel und ihre Power weiterentwickelte hin zu dieser heute abend vorgeführten, großartigen Bühnenpräsenz. Eine knappe Stunde in voller Schlagzahl, filigran und heftig berserkernd: manchesmal ein bissel vertrackt aber trotzdem clean, um manche Ecken und Kanten nicht verlegen und mit unbändiger Kraft mächtig austeilend. Das machte nicht nur mir großen Spaß wie ich sehr erfreut um mich rum feststellen durfte, da kam Bewegung ins Auditorium Maximum. Fazit: diesem Vierer kannste ohne Wenn und Aber auch größere Bühnen bereiten, das war ein Brett heute abend, deshalb dicke, fette 12 Points vom RBBS.

Fuzzy Grass aus Toulouse waren wie ein bunter Farbtupfer im Line-up: Vintage-Vibes, Blues-infundierte Riffs und diese unnachahmliche französische Leichtigkeit des eher schwergewichtigen Audric. Elfengleich tanzt er über’s imaginäre, fuzzige Bühnengras. Eine Show zum Grinsen, zum Liebhaben, zum Abheben – aber ohne Kitsch. Stellenweise Hendrix, dann wieder King Gizzard im Groove-Modus, gepaart mit einem entspannten Jam-Flow, bei dem jedes irre Instrument seine eigene Bühne hat. Theremin, Schruti Box und Cosmic Machines schiebt Audric genauso elegant zwischen Lauras Gitarrensoli, wie Synth und Orgel.

Wenn französische Bands anrücken, weiß man nie genau, ob man am Ende tanzend, fliegend oder zersägt den Raum verlässt. Während Fuzzy Grass eher für das Tanzen und Fliegen sorgten, kamen die drei Jungs von Decasia aus Paris (ursprünglich Nantes) mit der Säge: Klarheit und Dichte, die wirkte wie ein Stromstoß in Zeitlupe. Dicke Riffs, treibende Rhythmen, knorrige Gitarrenlinien, die sich plötzlich in noisige Klangkaskaden ergießen. Es wird mächtig geschwoft und geschwitzt zu Titeln des Albums „An Endless Feast For Hyneas“ und einem kaum enden wollenden Jam von „Skeleton Void“. Die eingeforderte Zugabe darf das Trio nicht mehr über der aufgeheizten Meute auskippen, dafür fliegen noch Herzchen und Danksagungen an Veranstalter Klaus Hartmann von der Bühne, denen wir uns inbrünstig anschließen. Chapeau – beim Alterna Sounds sind alteingesessene Profis am Werk und das spürt man eben auch an der Einhaltung eines straffen Zeitplans.

Glasgow Coma Scale: Das Postrock Trio Infernale begleitet mich seit ich sie 2014 zum ersten Mal mit ihrer CD EP Apophenia kennenlernte, die unser damaliger Kollege Colin so wunderbar beschrieb und live beim Psyka Festival in Karlsruhe in 2017, als noch Helmes die Brüder Piotr-Gitarre, Programming, Soundscapes und Marek-Bass, schlagtechnisch unterstützte. Seit einigen Jahren sitzt ja nun Lala auf dem Sitz hinter den Kesseln und den Brüdern, aber Überraschung: Helmes/Helmut war heute abend auch dabei, privat, zum Gucken und Hören, ein freudiges Wiedersehen. GCS machten ab ca. 23 Uhr 45 live so weiter wie ich/wir sie kennen und mögen und herzen: ihre phantastischen, Postrockig erschaffenen Umlaufbahnen mit diversen Stop und Go Phasen, slow und heavy Attacken, laut und leise Passagen sorgen wie immer für eine Wohlfühlatmosphäre. All um mich herum glücklich selige Gesichter, etliche tief versunken in Musik und manche in sich selbst da natürlich die Setliste keinerlei Wünsche offenlässt. Und wenn sie auch noch „Southern Crosses“, meinen persönlichen Sternenhimmel ihres Songkatalogs, spielen schwebt nicht nur Volker auf Wolke 7 am Südkreuz.

Fazit: Das Alterna Sounds 2025 war nicht nur ein Festival – es war ein Trip durch die Landschaften des Alternativen Rocks: fordernd, fließend, familiär. Wer offen für Klangexperimente ist, wer Gitarrenriffs in staubigen Wüsten genauso liebt wie Jazz-Vibes in Betonhallen – der gehört 2026 wieder hierher. Unbedingt….(jules+volker)
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