(hwa) Trower (74) ist ein saucooler Hund. Seine unglaubliche Lässigkeit und sein intensives Bluesgefühl machen ihn zum Musterbeispiel einer im musikalisch besten Sinne fleischgewordenen Reduktion auf das Wesentliche. Mehr als seine Strat und den Marshall-Verstärker unter Strom braucht er nicht. Und herausgekommen ist wieder Mal ein Bluesalbum vom Feinsten …
Das war bei Hendrix ähnlich. Der brauchte (eigentlich) auch nicht mehr.
Es wird deutlich, dass Trower Hendrix vom Gefühl und dessen Spielweise her verinnerlicht hat. Eigentlich ist es durchaus wieder Mal eine unbewusste Hommage an Jimi. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, indem ich behaupte, dass Hendrix – sollte er noch leben – im Prinzip dieses Album im Hinblick auf Slowblues im hohen Alter ähnlich aufgenommen hätte.
Man höre nur den Trower-Opener „Diving Bell“ oder Track fünf „Tide Of Confusion“ – und man spürt sofort: sie (und andere auch) sind von Hendrix’ Spirit getragen. Phrasierung und der Anschlag der Stratsaiten evozieren Jimi, keine Frage! Aber: Trowers Timbre bricht das Ganze ein wenig. Macht aber nix. Der Geist von Jimi lebt. Und die Magie von Trower anyway.
So war es ja eigentlich immer schon – zumindest, seit Trower ab 1973 unter eigenem Namen Alben veröffentlicht hat. Zuvor war er ja ab 1967 fünf Jahre Mitglied bei Procol Harum, bevor er dann in der ersten Häfte der 1970er Jahre drei Aufsehen erregende Alben hintereinander herausbrachte: 1973 „Twice Removed From Yesterday“, 1974 „Bridge Of Sighs“ und 1975 „For Earth Below“. Ich bin stolz drauf, diese drei Alben als Originalvinyl im Plattenarchiv konservieren zu dürfen. Ich hüte sie wie den sprichwörtlichen Augapfel.
Mittlerweile kann sich Trower als Autor weit über 30 Soloalben gutschreiben – das muss man sich mal vorstellen! Und sein aktueller Longplayer hat immer noch die typische Trower- Qualität, die sich genialerweise nicht abnutzt. Bei „Coming Closer To The Day“ kommen neben Hendrix selbstredend auch noch ein paar andere Reminiszenzen zum Vorschein. Zum Beispiel an B.B und Albert King, Jack Bruce oder Peter Green. Und entstanden ist wieder Mal eine zeitlose Zeitreise.
Sein Songwriting und die instrumentale Performance sind durchgehend vom gleichen hochklassigen Kaliber. Mit Ausnahme der Drums spielte Trower alle Instrumente selber ein, also neben der Leadgitarre auch den Bass. Demnächst wird Trower „Coming Closer To The Day“ und zahlreiche seiner Klassiker gemeinsam mit Bassist und Sänger Richard Watts sowie Drummer Chris Taggart im Zuge einer ausgedehnten US-Tournee im April und Mai dieses Jahres auf die Bühne bringen.
Der Albumtitel „Coming Closer To The Day“ verweist auf die Gewissheit, dass wir alle mit jedem Atemzug und jeder Sekunde unseres Lebens dem Tode unausweichlich näher kommen.
„Ich weiß natürlich“, sagt Trower, „dass in meinem Alter das Ende viel näher als der Anfang ist. Ob mir das Angst macht? Nicht im mindesten.“
Von daher, verehrter Robin Trower: bitte noch viele weitere Alben obiger Art!
(Heinz W. Arndt)
Robin Trower „Coming Closer To The Day“
Provogue / Mascot Label Group PRD 75831
Als CD, LP und Digital
12 Tracks
Laufzeit: 49:47 min
VÖ: 22. März 2019
Tracklist:
01. Diving Bell
02. Truth Or Lies
03. Coming Closer To The Day
04. Ghosts
05. Tide Of Confusion
06. The Perfect Wrong
07. Little Girl Blue
08. Someone Of Great Renown
09. Lonesome Road
10. Tell Me
11. Don’t Ever Change
12. Take Me With You
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