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ZOAHR – Mosaic

(ju) Nach „Off Axis“ (2019) und „Apraxia“ (2022) präsentieren ZOAHR mit „Mosaic“ ihr drittes, live eingespieltes Werk in Eigenproduktion, das wie seine Vorgänger von einer DIY-Mentalität strotzt, die ihresgleichen sucht. Abraham Lincoln würde beim visuellen und auditiven Vinyl-Bad vermutlich anerkennend nicken und den Zylinder lupfend murmeln: „That‘s what I call blood, sweat and tears, dudes!“

ZOAHR steht hier in einer Reihe mit weiteren Independent-Bands, die sich durch Leidenschaft, Ausdauer und einer gewissen Malocher-Mentalität in einem herausfordernden Musikbusiness behaupten, das längst von hits, clicks and cash geprägt ist statt blood, sweat and tears. Umso schöner und wertvoller, wenn die kleineren Fische trotzdem weiter gegen den Strom schwimmen und dadurch echte, treue Fangemeinschaften generieren.

Seit 2017 frönen Philipp Dahler (Schlagzeug), Thorsten Winkler (Bass) und Jessie Schmidt (Gitarre und Gesang) aus dem Pfälzerwald ihrer Leidenschaft für den Blues und Psychedelic Rock der siebziger Jahre, indem sie fluffige Blues-Shuffles mit kernigen Heavy Riffs vereinen und hier und da geschickt die Brücke zu den Anfängen des Grunge schlagen. Markenzeichen sind auch auf „Mosaic“ Jessies Blues-Rock-Röhre und sein äußerst facettenreiches Gitarrenspiel, das von ausdrucksstarken Bassläufen und einem eindringlichen Schlagzeugspiel getragen wird.

Der Opener „Endurance Race“ macht seinem Namen alle Ehre. Energetisch prescht er voran und reißt sofort mit. Erst nach einem über zweiminütigen Instrumentalinferno setzt Jessies Stimme ein und surft auf abwechslungsreichen Gesangslinien. „Buntheit“ wäre ein passendes Wort für die melodiöse Vielfalt seines Gesangs, wenn es dieses denn gäbe. (Hiermit offiziell ins Leben gerufen.)

In „Zephyr“ toben sich Gitarre und Bass aus wie Kinder auf einem großen Abenteuerspielplatz und brechen stereotype Songstrukturen auf. Schon zu Beginn zeigt sich, dass sich „Mosaic“ durch ein sehr abwechslungsreiches Songwriting auszeichnet.

„Garden of Grief“ ist die verträumte Blues-Nummer der Scheibe, bei deren tieferen, teils Tom-Waits-mäßigen Vocals man sich dem Sonnenuntergang entgegenlaufen sieht.

Nach dem fluffig-treibenden „Prisma“, gewissermaßen der Tanznummer des Albums, endet die A-Seite mit „Cornered“ schön deep‘n’dirty.

Die B-Seite beginnt schleppend, tragend, stampfend: „Erosive“ zieht tiefe Furchen in den Klangteppich und stellt eine ergreifende Symbiose aus Bass und Gitarre dar. Der Song besticht vor allem durch kleine, aber feine Schliffe, so wie die klare, zarte Bridge, in der sich Jessies Stimme auch mal sanft und zerbrechlich zeigt – was ihr wunderbar steht! Sehr schön und prägnant auch das überzeugende „No! There ain‘t no coming back“. „Erosive“ ist mein persönlicher Favorit und ein passendes Beispiel dafür, dass sich ZOAHR nicht davor scheuen, auch über unangenehme, schmerzhafte Tabuthemen zu singen. „Erosive“ handelt von Kindheitstraumata und von den erosiven Spuren, die durch Gewalt und Missbrauch unweigerlich in Körper und Seele hinterlassen werden – so tief und unwiderruflich, dass nur noch der Suizid als Ausweg bleibt.

„Idols & Statues“ drischt mit ordentlich Druck und Tempo auf die Trommelfelle ein, während „Red Tide“ einem anschließend nach einer groovigen ersten Hälfte tröstend die angenehm schwere Samtdecke umlegt, bevor schließlich „Wayward Blues“ das Gesamtwerk mit seinem verträumt-versöhnlichen Blues-Shuffle und einer sehr ergreifenden Gesangslinie beendet.

„Mosaic“ bietet kreative Vielfalt und höchste Spielfreude. Wie bereits bei seinen Vorgängern wurden alle neun Lieder live eingespielt und erfuhren anschließend nur einen geringen Feinschliff. Ergo: Roh, authentisch, ehrlich.

Das Cover-Artwork zeigt eine Seherin an einem Tisch mit Kugel, Kerzen und Tarotkarten und soll unsere Wünsche und Träume wiederspiegeln. Witzige Idee: Auf der Rückseite sind diese Karten im Detail abgebildet. Sie enthalten die Songtitel und zeigen Bilder, die die jeweiligen Lyrics symbolisieren. Letztere scheuen, wie bereits zuvor erwähnt, nicht vor den unangenehmen Wahrheiten des Lebens zurück, was ZOAHR umso authentischer rüberkommen lässt. Die Texte handeln von individuellen Schicksalen, von Depression, Missbrauch und Alkoholismus und von einer Leistungsgesellschaft, in der wir zunehmend ausbrennen. Jessie: „Generell geht es viel um festgefahren sein in seinen Strukturen; sich mal zu hinterfragen und Ansporn zu finden, etwas Neues zu wagen.“ Das ist ZOAHR durchaus gelungen.

Label: Eigenproduktion

VÖ: 14.01.2025

Dauer: 46:05

Trackliste:

  1. Endurance Race (05:34)
  2. Zephyr (04:27)
  3. Garden Of Grief (05:46)
  4. Prisma (04:42)
  5. Cornered (04:11))
  6. Erosive (05:02)
  7. Idols & Statues (04:38)
  8. Red Tide (05:25)
  9. Wayward Blues (06:16)

https://zoahr.bandcamp.com/album/mosaic

Filed under: Album Reviews, Blues, Bluesrock, Grunge, Heavy Rock, Psychedelic,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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