(ro) Leo Lyons, der in den 60ern zusammen mit Alvin Lee „Ten Years After“ gründete, und Joe Gooch, der 2003 als Ersatz für Alvin Lee zur Band stieß, bilden zusammen mit Damon Sawyer an den drums „HUNDRED SEVENTY SPLIT“.
Das ist eine Kombination geballter Talente, die wahrlich perfekt funktioniert. Ein Trio, das es in sich hat und das einmal mehr zeigt, was mit Gitarre, Bass und Schlagzeug so alles möglich ist.
Leo, mittlerweile schlappe 71 Jahre alt und eher der weißhaarige Gentleman, bringt seine jahrzehntelange Erfahrung als Bassist und Blues-Rock-Urgestein mit zu „H.S.S.“.
Wobei man natürlich sagen muss, dass es solche und solche Urgesteine gibt. Da gibt es ja zum Beispiel einige, die sich mittlerweile nur noch durch Eskapaden bei ihren Ausflügen aus dem Rockolymp auszeichnen. Aber es gibt auch solche wie Leo Lyons, der sich eben nicht auf den Lorbeeren von einst ausruhen möchte.
Ich war einige Male auf „Ten Years After/Ten Years Later“ Konzerten. Unlängst fand ich ein Foto wieder, das mich mit aufgerissenen Augen auf dem Geländer einer Absperrung vor einer Bühne sitzend zeigt. In der Hand halte ich ein TYA-Plakat und einen geöffneten Regenschirm.
Wo und wann dies genau war, weiß ich nicht mehr, aber frisurentechnisch gesehen, muss es schon ziemlich lange her sein.
Doch zurück zu „Hundred Seventy Split“: Hier hat also Leo Lyons zusammen mit den beiden Jungspunden Gooch und Sawyer ein wunderbar altmodisches und doch vollkommen staubfreies Album vorgelegt, das für mich ein einziger Freudenquell ist.
Als hätte jemand an der Uhr gedreht.
Es ist schwer zu sagen, was mich am meisten begeistert: die musikalische Könnerschaft oder das völlige Fehlen von Firlefanz und Protz. Alle zehn Songs kommen genau auf den Punkt. Sie sind sehr abwechslungsreich, aber stets zusammengehalten von diesen drei famosen und dennoch unaufdringlichen Musikern.
Wie aus der Zeit gefallen klingt das, und zwar in dem Sinne, dass man diese CD meiner bescheidenen Meinung nach sowohl im Heute, als auch im Morgen oder im Gestern verorten könnte.
Gleich bei den ersten Tönen hört man, auf welcher Schiene die Band fährt.
Hier kommt geradliniger, kraftvoller Blues-Rock daher, der sowohl facettenreich als auch handwerklich vom Feinsten ist. Nicht nur graumelierte Schallplattensammler können sich auf mit Herzblut gespielte Songs freuen, die in einem warmen, retrolastigen Gesamtsound dargeboten werden. Fantastisch.
Ja, es stimmt, ich werfe hier mit Superlativen herum, aber wenn es eine CD verdient hat, dann ist es für mich persönlich diese.
Schon der Opener „Pork Pie Hat“ treibt mir die Wonne in die Ohren. Mit beseeltem Temperament und ohne viel Pipapo macht er sogleich klar, wohin diese genial gut geplante, musikalischeReise geht. Der Hörer landet an einem magischen Ort und in einer Zeit, wo Alben qualitativ noch Stück um Stück zu bestehen wissen und in Gänze „zeitlos“ genannt werden dürfen.
„I never saw it coming“ lässt die Vorzüge des Trios einmal mehr leuchten. Dieses Lied berauscht durch seine Intimität und hinterlässt einen unter die Haut kriechenden Schauer. Es mutet angenehm altmodisch an und Lichtjahre entfernt vom allgegenwärtigen R&B-Gedöns.
Zu meinem persönlichen Highlight gerät allerdings dann doch der stonerartige Bluesrock von „Gonna Dance On Your Tombstone“.
Ein wunderbares Aufputschmittel, das noch stundenlang nachwirkt und gute Laune macht. So sieht für mich persönlich ein Lied aus, das quasi sofort zum Klassiker mutieren könnte. Der Refrain setzt sich augenblicklich in meinen Ohren fest.
Dazu singt und spielt Joe Gooch so entspannt und doch facettenreich, dass es eine wahre Freude ist.
Was sagte doch der „Rockpalast“ zu „Hundred Seventy Split“?
Zitat: „Kaum eine Formation versteht es den guten alten Blues-Rock so powervoll und vor Energie strotzend auf die Bühne zu bringen wie die Band Hundred Seventy Split.“ Zitatende
(..Rosie..)
Songliste:
1.) Pork Pie Hat // 2.) I Never Saw It Coming // 3.) Gonna Dance On Your Tombstone // 4.) Let Me Go // 5.) Columbus Stockade Blues // 6.) The Sound Of Goodbye // 7.) The Devil To Pay // 8.) What The Devil Loves // 9.) The Devil To Pay (Reprise) // 10.) King Of The Blues
Besetzung:
Leo Lyons – bass
Joe Gooch – vocals, guitar
Damon Sawyer – drums
Guests:
Billy Livsey – Hammond Organ
Sean Fuller – drums on track 10
Live-Termine (ohne Gewähr):
10.10.2014 Bonn, Harmonie
11.10.2014 Melle-Buer, Kulturwerkstatt
www.hundredseventysplit.com
Label: Corner House Records
Artwork by Sam Hayles
Photocredits Arnie Goddman, Jack Moutallier
Filed under: Album Reviews, Blues, Rock, Damon Sawyer, H.S.S., Hundred Seventy Split, Joe Gooch