(vo) Um 22 Uhr 30 betraten vier Herren aus Ungarn die Bühne in einem meiner liebsten Blueswohnzimmer in Europa und begrüßten uns mit dem Gibson Creek Shuffle. Eine Bluesnummer, die sofort und ohne Umschweife die Schweißproduktionskonjunktur unter uns Zuhörern noch mehr ankurbelte. Draußen war es sowieso schon hitzig und drinnen herrschte bald eine ähnliche Atmosphäre wie in einem Bluesclub in Louisiana, der Chicagoer Southside oder in Budapest.
Nicht zuletzt u.a. auch durch den Zydecola Boogie oder Treat, den gleichnamigen Song ihres letzten Albums.
Mátyás Pribojszki, der Alleskönner an der chromatischen und diatonischen Harp und mit einer großartiger Stimme gesegnet, Ferenc Szász an der Gitarre, Erik Kovács an den Keyboardtasten und Dániel Molnár hinter seinem Schlagzeug entwickelten den lauen Abend zu einem Gewitter feinster Klänge.
Heißer Blues ungarischer Machart in den Niederlanden.
Shuffle, Boogie, Blues in etlichen Schattierungen, slow und fast, traditionell und modern, mit Soul und Gefühl.
Feinkost mit erlesenen Zutaten, dargeboten von absoluten Könnern.
Eine Reise durch ihre bisher erschienenen Aufnahmen, angereichert mit erlesenen Coverversionen.
Das niederländische Publikum bejubelte die Jungs nach jedem Titel und die deutsche Ein Mann Bluesfraktion aus dem Rheinland machte mit und ließ Kamera, Nacken und Füße swingen.
In einigen Passagen erinnerte mich Mátyás Harmonikaspielstil an den von Jean-Jacques Milteau, einem anderen europäischen Alleskönner.
Und manche Stücke im ungarischen Repertoire könnten glatt einen Melville Krimi als Soundtrack begleiten.
Apropos Soundtrack und Musik: Als ich vor einigen Jahren versuchte, CDs dieser famosen Truppe im Internet zu ordern, stand ich vor dem ungarischen Sprachproblem auf dem Bildschirm, die Seite gabs nicht auf englisch.
Aber da Ungarisch genauso leicht zu durchschauen ist wie Finnisch oder Chinesisch……dachte ich an den Monty Phyton Sketch und bestellte mich durch! Einige Tage später besaß ich die ersten beiden CDs der Jungs, How Many More und Flavours.
Kreditkarte sei Dank und gepriesen!
Erik und Dániel groovten den ganzen Abend mit sichtbarem Spaß in allen Backen die Grundierung in die Songs, Mátyás sorgte mit Hilfe von Hohner Stimmzungen und eigenen Stimmbändern für unwiederstehlichen Drive.
Seine Solos stimmten prächtig.
Harp Akrobatik gabs auch, aber immer Mannschaftsdienlich, kein Egotrip mit Begleitung.
Und Ferenc fingierte etliche Highlights aus den Saiten seiner Telecaster, besonders bei einem Slow Blues, der mir Kippenvel (niederländisch für Gänsehaut) bescherte und für ein Novum in meinen Ohren sorgte.
Das niederländische Feiervolk feiert ein Konzert so gut wie immer durchgehend lautstark, das ist so.
Aber bei diesem Slow Blues, bei dem Ferenc immer leiser werdend die Saiten anschlug, passierte das Außergewöhnliche: Stille im Cafe, Kippenvel, Blues pur.
Wahrhaftig, man hörte nur ganz ganz leises Schaben im Hintergrund, als die Thekenkraft mit Hilfe des Bierschaumschaber aus Kunststoff die dafür vorgesehene Arbeit verrichtete.
Zum guten Schluß kam noch ein Boogie, der uns die Füße verknotete und danach: Tot ziens!
Ein phantastischer Bluesabend endete gegen 01:00 Uhr, ich kaufte noch zwei CDs und eine DVD für zusammen 30 €! und machte mich nicht vom Acker, sondern beschwingt, beseelt und zufrieden auf den knapp 80 Kilometer kurzen Heimweg…(Volker)
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