(js) Am 2. Dezember verschlug es mich in den „Skaters Palace“ nach Münster. Die Stoner-Urgesteine „Clutch“ warteten dort auf mich. Aber bevor es zu diesem erstmaligen Aufeinandertreffen kommt, hat der Musikgott „Lionize“ und „Valient Thorr“ vorangestellt. Erstere wie „Clutch“ aus Maryland stammend, absolvierten an diesem Abend ihr Deutschland-Debut. Der Kontakt zwischen diesen zwei Bands kam zustande, weil „Clutch“-Gitarrist Tim Sult bereits auf mehreren der mittlerweile vier Studioalben von Lionize als Gastmusiker auftrat.
Und Lionize gewannen die Fanschaft zügig für sich. Mit einem Mix aus Classic Hard Rock und Southern Rock, gepaart mit immer wieder zum Mitwippen verleitenden Funk- und ab und an sogar Reggae-Parts, muss exakt so eine Vorband spielen, um für gute Laune zu sorgen und zugleich die Wartezeit bis zum Headliner kurzweilig zu gestalten. Die Jungs um den großartigen Sänger und Gitarristen Nathan Bergmann zeigten deutlich, dass es nicht deren erste gemeinsame Tournee mit den befreundeten „Clutch“ war und spielten ihren Gig entsprechen souverän und gekonnt durch. Ich bin gespannt, ob dieser Auftritt ausreicht, um auch in Deutschland ein wenig mehr musikalisch Fuß zu fassen. Bezweifle es aber.
Im Anschluss sorgte die „Familie Thorr“ (sie sehen sich eben als große Familie) aus Greenville für große Ohren und Augen.
Wie selbstverständlich mit einem Joint auf die Bühne kommend, der dann auch noch seinen Weg durch und in die fünf Bandmitglieder fand, ließ man schon nach wenigen Augenblicken keine Zweifel aufkommen: seht her, dies war längst nicht unser erster heute. Insbesondere Gitarrist Deimos „Thorr“ und Bassist Storm „Thorr“ schafften es beinahe über die gesamten knapp 40 Minuten ihren Gesichtsausdruck zu halten. Großartig, zumal dieser Zustand keinerlei negativen Einfluss auf ihr musikalisches Werkeln hatte. Wer zudem den Bandgründungsvater und namensgebenden Shouter Valient „Thorr“ noch nie live erleben durfte, sollte dem schnell Abhilfe schaffen. Es ist ein wahrer Augenschmaus ihn in seinen neonfarbenden Boxerstiefeln nahezu durchgängig joggend und sympathisch durchgeknallt auf der Bühne zu erleben. Abwechselnd wurde dann immer wieder mal sich auf den Knie befindend die Airguitar gespielt oder sich in Liegestützen geübt.
Er zeigte sich in seinen Ansagen zudem sehr politisch und gesellschaftskritisch. Da schien jemand nicht nur musikalisch rebellieren zu wollen. Ein echter Bühnenbastard im positiven Sinne, dieser Valient, der sich bis zur anscheinenden körperlichen Dehydrierung verausgabte. Ähnlich kann man wohl auch deren Sound beschreiben. Ein vergnüglicher Bastard aus klassischem Heavy Metal mit südstaatlichen Einflüssen. Hier auch mal Motörhead auf Speed und dort bisweilen progressive Thrashelemente, wie man sie sonst eher von Voivod gewohnt ist. All dies führte zu einem vergnüglichen Potpourri. Da gerade erst in 2015 die Band nahezu komplett ausgetauscht wurde, bot man an diesem Abend mehrheitlich Tracks des aktuellen Albums „Old Salt“ feil. Auch wenn man den einen oder anderen Zuhörer nicht über die volle Spielzeit an der Bühne fesseln konnte, war ich überaus glücklich, diesen singenden Tausandsassa samt Combo endlich mal live und unzensiert erlebt zu haben.
Nach einer weiteren Umbaupause schickten sich dann „Clutch“ an, mich erstmalig auch live in ihren Bann zu ziehen. Ja, richtig gelesen: erstmalig. Obwohl die vier Jungs aus einem Städtchen namens Germantown (Maryland) bereits seit 1991 in unveränderter Besetzung ihre Musik, die anfangs vielleicht noch unter Hardcore firmierte und mittlerweile das weite Stoner-Genre bedient, an den Mann bringt, sind sie mir auf den Bühnen nie begegnet. Umso größer meine Vorfreude auf den charismatischen Bandleader Neil Fallon und seine Jungs. Und sie starteten wie zumeist mit dem genialen „Who wants to rock?“, der von mir gestern prompt in den Stand eines „Best opening song for a long time“ gehievt wurde. Kurze, klare Ansage und dann direkt in die „Fresse“. Ja, mehr brauche ich zu Beginn eines Gigs gar nicht, aber auch nicht wirklich weniger.
Es folgten „Sucker For The Witch”, „Noble Savage” „A Quick Death in Texas“, „Your Love Is Incarceration“ und „Firebirds“ vom aktuellen Longplayer „Psychic Warfare“, die allesamt für einen Moshpit nach dem anderen sorgten. Gut, dass die Veranstaltungsstätte, das „Skaters Palace“, schon frühzeitig durch Plakate darauf aufmerksam machte, dass zumindest „crowd surfing“ an dem Abend nicht gestattet war. Tim Sult (Gitarre) und Dan Maines (Bass) schienen, fast schon zur Beruhigung des Publikums, nahezu regelungslos, aber unaufgeregt und absolut professionell, einen wunderbaren Klangteppich über Fallons einzigartigen Gesang legen zu wollen. Man hatte fast ein wenig den Eindruck, die beiden Saitenakrobaten schienen vergessen zu haben, dass sie nicht mehr im Proberaum agierten. Aber dies tat der Stimmung nicht ansatzweise einen Abbruch, denn hier war weniger stets mehr. Schlagzeuger Jean-Paul Gaster agierte gewohnt druckvoll wie treibend und rundete den typischen „Clutch“-Sound souverän ab.
Das 2001er „Pure Rock Fury“, „Crucial Velocity“ vom 2013er Album „Earth Rocker“ oder auch das gejammte „The Yeti“ hielten die Laune gleichermaßen hoch und ließen nie daran zweifeln, dass diese Band nicht kam, um Gefangene zu machen. Nach knapp 60 viel zu schnell vergangenen Minuten wurde dann mit dem ebenfalls vom aktuellen Longplayer stammenden „X-Ray Visions“ sogar nach einmal das Gaspedal weiter durchgetreten. Es rockte und staubte quer durch den Saal. Gut nur, dass infolge der steten Bewegung im Publikum genügend Bier verschüttet wurde, um ausreichend zu wässern. Ad hoc aber verließen die Vier nach diesem Arschtreter die Bühne und im Publikum fragte man sich annähernd 10 Minuten lang, ob es überhaupt weiterginge. Tat es zum Glück. Mit den Zugaben „Passive Restraints“ und dem genialen Rausschmeißer „Electric Worry“ fand dieses Konzert einen absolut würdigen Abschluss.
Und ja, natürlich fehlte mir bis gestern die Erfahrung mit Livegigs von „Clutch“, aber auch ohne Vergleichsmöglichkeit wurde mein Hintern ordentlich verprügelt. „Clutch“ stellten sich mir als geile Liveband vor und zogen mich sofort auf ihre staubtrockene Seite. Subjektiv bedauerlich, dass mein Lieblingssong „Earth Rocker“ nicht gespielt wurde. Objektiv enttäuschend aber sicherlich, dass eine Nettospielzeit von gerade einmal 75 Minuten nicht zwingend den Eindruck hinterließ, dass auch die Band den Spaß hatte, den sie im Publikum verströmte. Schade eigentlich…..(js)
http://www.pro-rock.com/ („Clutch“-HP)
https://www.facebook.com/Clutchband/?fref=ts
https://www.facebook.com/valientthorr/?fref=ts
http://www.lionizemusic.com/sweet/
https://www.facebook.com/LIONIZEMUSIC/?fref=ts
Filed under: Live Reviews, Clutch, Konzertbericht, Lionize, Skaters Palace, Valient Thorr