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Godspeed You! Black Emperor – Die Kantine Köln am 18. April 2023

(pe) GYBE aus Kanada – die Band, die seit Mitte der Neunziger medial so gerne dem Post-Punk oder dem Prog-Rock zugeordnet wird, sich selbst aber einfach als Rockband betrachtet, kehrt im Rahmen der Präsentation Ihres 2021 veröffentlichten Albums „ G_d’s Pee at State’s End!“ auf Deutsche Bühnen zurück … und wie!!!!!!

Der Kanadischer 8er (in Worten: Acht!) betritt um Punkt 21 Uhr die Bühne – zunächst nur die Streicher mit Kontrabass und Violine, und peu a peu tropfen die weiteren Musiker herein, nehmen ihr Instrument zur Hand und steigen gemächlich ein in die Tonlandschaft, die von den schon auf der Bühne musizierenden kreiert wurde. Nachdem alle Acht versammelt sind, beginnt ein Abend voller unglaublicher musikalischer und visueller Szenarien, auf den ich in dieser Form nicht wirklich vorbereitet war. Meist minimalistisch und oft auch ein wenig kakophonisch beginnend, schwellen die Songs (falls man diesen Begriff hier überhaupt verwenden kann, sind es doch eher komplexe Klangstrukturen, die uns dargeboten werden) fast unmerklich immer mehr an, das Tempo und die Lautstärke nehmen schleichschrittweise zu, bis zu einem meist brachialen Crescendo – wie ein Tiger, der sich fast unbeweglich langsam anpirscht, um schließlich mit einem kraftvollen Sprung und ausgefahrenen Klauen seine Beute zu er- und zerlegen.

Untermalt wird das ganze durch Videoprojektionen auf einer ca. 10 Meter breiten und 4 Meter hohen Leinwand, und als ich in einer ruhigen Phase ein Knattern hinter mir wahrnehme, dass mich sofort in gemütliche Familienabende zu Hause im Wohnzimmer vor der mit einem Super 8 – Projektor bestrahlten Leinwand versetzt, ich ebendieses Knattern aber zunächst den von GYBE in vielen Liedern eingesetzten O-Ton-Soundfetzen zuschreibe, belehrt mich ein Blick über die Schulter eines besseren: denn die Videoprojektionen werden tatsächlich mit zwei Super 8 Projektoren vom Mischpult aus realisiert: Auf und Ab fliegende Vogelschwärme, Protestmärsche („Worst President Ever“ hat ein Amerikaner dort auf dem Shirt stehen), karge vorbeiziehende Landschaften oder ein in Feuer getauchtes lichterloh brennend scheinendes Industriewerk tauchen den Saal in unterschiedlichste Stimmungen und verstärken den an sich schon fast überfordernden akustischen Part noch einmal immens. Bei den Bildern und dem Sound der lodernden Industriegebäude hat man zeitweise das Gefühl, der Saal stünde tatsächlich in Flammen…

So driftet man ca. 110 Minuten lang von einer Gefühlswelt, von einem „State of Mind“, von einem Universum ins nächste, aufgrund der ausufernden Länge der Stücke nur selten unterbrochen vom Jubel der Menge in einer ausverkauften Kölner Kantine.

Die 8 Klangkünstler beschließen ihr Set am heutigen Abend mit dem Klassiker „The Sad Mafioso“ vom Erstlingswerk, das noch einmal alle Register ihres wahrlich meisterlichen Ausdehnens musikalischer Klangwelten zieht und das komplett elektrisierte Publikum final volle 10 Minuten lang in einem Noise-Loop stehen lässt, der den Körper gefühlt pulsierend in seine Atome zer- und wieder zusammensetzt -wieder und wieder und wieder und wieder … Die Band hat die Bühne längst verlassen, was diejenigen im Publikum, die gerne mit geschlossenen Augen Musik genießen, vermutlich gar nicht bemerkt haben ob der Gewalt der Soundkulisse, die dort oben auf der Bühne in der immer wiederkehrenden Schleife noch immer wütet.

Am Ende kehren Drummer und Bassist noch einmal zurück und nehmen sich mehrere Minuten Zeit, die Soundkulisse Stück für Stück zurückzufahren, bis schließlich auf der Bühne und im Publikum Stille herrscht – die letztlich in frenetischem Jubel und Applaus endet.

Handyfotos und Videoschnipsel können sicherlich wenn überhaupt nur fragmentarisch abbilden, was an diesem Abend hier in Köln geschehen ist. GYBE sind eine dieser Bands wie King Gizzard oder Motorpsycho, die man live sehen muss, um sie zu verstehen. Wenn sich Euch also zukünftig irgendwie irgendwo irgendwann die Gelegenheit bieten sollte, GYBE live zu erleben – nutzt sie!…..(peter)

Filed under: Konzertphotos, Live Reviews,

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