(pe) Im November 2018 spielten Samsara Blues Experiment (Christian Peters mit Gesang, Gitarre und Keyboards / Hans Eiselt mit Bass und Gitarre / Thomas Vedder mit Schlagzeug und Perkussion) auf Einladung des Rock Hard Magazins in Dortmund ein Konzert – und diesem Gig wird die Ehre zu Teil, nun für immer auf Vinyl gebannt zu sein und die fantastische Live-Präsenz der Band für die Ewigkeit zu dokumentieren.
Aufgenommen und live gemixt von Holger Stratmann, seines Zeichens Gründer und Herausgeber des Rock Hard Magazins, und gemastert von Krautrock-Legende Eroc beschenkt uns dieses Live-Werk mit 80 Minuten des momentan wohl bestmöglichen verfügbaren Psychedelic Heavy Rocks in Deutschland.
Nach der längst ausverkauften „Live At Rockpalast“-CD von 2013 werden die Fans der Band sich freuen, im Oktober 2023 ein weiteres Live-Dokument der Band in Händen halten zu können.
2010 – Long Distance Trip
2011 – Revelation & Mystery
2013 – Waiting For The Flood
2017 – One With The Universe
2021 – End Of Forever
Nach 5 Studioalben seit 2010 präsentiert das Live-Album auf der einen Seite einen perfekten Querschnitt durch das Gesamtwerk der Band und fängt zum anderen gleichzeitig die Essenz ihrer Live-Auftritte in beeindruckender Weise ein. Mit „End of Forever“ und „Massive Passive“ sind sogar zwei Songs vertreten, die erst 2021 auf ihrem letzten Album veröffentlicht wurden, aber offensichtlich schon 2018 Teil ihres Songrepertoires waren. Neben ihrer energetischen Bühnenpräsenz ist es insbesondere die Kombination verschiedenster musikalische Stile, irgendwo angesiedelt zwischen klassischem Rock, Hardrock, Heavy, Psychedelic, Doom, Blues- und Stonerrock, die den Zuhörer in Bann zu schlagen weiß und ihn auf diesem fliegenden Klangteppich mit auf eine meist trippige Reise nimmt. Ausgedehnte Jam-Parts eingebettet in einen sehr retro-orientierten Krautrock-Grundvibe machen die Live-Gigs zum Erlebnis einer sich während des Gigs scheinbar jeden Abend neu erfindenden Band, und neben all der perfekten und virtuosen Instrumentierung fügt sich immer wieder auch Christian Peters charakteristische Stimme nahtlos in die Instrumentierung ein und „erzählt“ dem Hörer innerhalb einer meist metaphorischen Narrative Geschichten über Spiritualität, kosmische Verbundenheit, Freiheit und Selbstentfaltung.
Mit „Mystic Queen“ von ihrem 2010er Debutalbum beginnen SBE ihr Set zunächst leicht doomig und entwickeln das Stück über 7 Minuten zu einem mit virtuosesten E-Gitarren-Exzessen gespickten Hardrocker, der durchaus Jimi Hendrix zu Ehren gereicht hätte. „For The Lost Souls“ beginnt mit einer wunderbaren düsteren Basslinie unterstützt von Keyboardsounds, das Schlagzeug setzt ein, Christian Peters Gitarre fuzzt fulminant drauf los und es beginnt ein hypnotischer neunminütiger Trip mit vielen repetitiven Rhythmen, die eine introspektive und kosmische Stimmung generieren.
„Hangin` On A Wire“ vom 2013er „Waiting For The Flood“ präsentiert sich als waschechter Rocker durch und durch, bei dem sich Peters Stimme schließlich mitreißend um ein Sabbath-artiges Riff herumwickelt.
„Vipassana“ ist schließlich der erste wirklich epische Ausflug der Band mit über 13 Minuten Spielzeit, kombiniert Psychedelic-, Stoner- und Bluesrock-Elemente mit einem atmosphärischen, fast meditativen Gefühl und nimmt uns mit auf eine musikalische Reise zu unserem Innersten. Hier eröffnet sich klar, wie sehr SBE es verstehen, Form und Inhalt ihrer Musik emotional miteinander zu verweben, denn der Titel „Vipassana“ bezieht sich auf eine buddhistische Meditationspraxis, die oft als „Einsichtsmeditation“ übersetzt wird: diese Form der Meditation zielt darauf ab, ein tiefes Verständnis der eigenen Gedanken, Gefühle und des Zustands des Geistes zu entwickeln – die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.
„Massive Passive“, das erst auf dem 2021er Album End Of Forever“ veröffentlicht wurde, ist alles andere als ein „passiver“ Song, denn hier offenbart die Band „auf die Zwölf“ ihre Heavy-Seite mit schweren Riffs und einer im Vordergrund stehenden mit voller Wucht gezimmerten Schlagzeugsektion. Getragen wird das Stück durch Peters eindringlichen, fast flehend-beschwörenden Gesangspart, der trotz all der instrumentalen Härte Gänsehautmomente beschert.
Und wenn wir schon über Intentionen und Interpretationen der Musik von SBE philosophiert haben, so ist „One With The Sun“, der elegische 16-Minüter dieses Albums, die Essenz der Beschäftigung der Band mit Spiritualität und Kosmos-Verbundenheit: der Song ist nicht weniger als musikgewordene Energie, zunächst leicht mäandernd, es entstehen Bilder im Kopf: wie ein einsames Herbstblatt langsam einen Fluss hinuntertreibt, bis bei Minute 6 Stromschnellen den ruhigen Fluss des Blattes erzittern lassen und es sich schließlich einem in die Tiefe stürzenden Wasserfall nähert – harte Riffs und stakkatoartiges Schlagzeug saugen den Hörer quasi mit in die Strömung. Und dann setzt (wieder einmal) Christian Peters Gitarre sphärisch ein und das Blatt hebt sich in meinen Gedanken aus dem freien Fall hoch in die Lüfte und driftet durch die Erdatmosphäre in die Weiten des Weltenraumes – und wenn Peters nach 9 Minuten im Song seine Stimme erhebt und nach den ersten Lyrics plötzlich und unerwartet ein Bluesschema einsetzt, wird plötzlich glasklar: hier handelt es sich um einen Lovesong! „And when the air smells like soft summer rain, all our moves will be like pure poetry, If you’d only come to me – if you´d only come back to me…“ Es ist Liebe, reine unverfälschte Liebe, die es braucht, um einszuwerden mit dem Universum. Und die Liebe ist es, deren Höhen und Tiefen (und da ist die ausgelöste Metapher des treibenden Blattes auf dem Fluss des Lebens vielleicht gar nicht so weit hergeholt) Peters derart gefühlvoll aus seinen Soli tropfen lässt, dass das Geheimnis unseres Daseins, der Sinn unserer Existenz plötzlich glasklar und fast greifbar im Raume steht: Love is all you need, wie schon eine andere bekannte Kombo einst skandierte.
„End Of Forever“ vom letzten Album präsentiert sich zweigeteilt und im Vergleich zum Vorgänger eher nihilistisch und melancholisch: im ersten Teil stonerrockig verändert sich nach dem mittig platzierten Gesangspart die Gangart deutlich zum Psych- und gar Space-Rock und vertont so die noch nachhallenden nachdenklich stimmenden Worte „All the bits and pieces of a long gone past lie shattered to my feet while I got nothing in my hands. For all I wished my life would ever be I only learned, the good things weren’t made to last…“ wie dahinschwindende Lebensträume – und zur Resignation passend, wie eine eindringliche Warnung, nicht am Ende seines Lebens auf zerbrochene und nicht gelebte Träume und Lebensentwürfe zurückschauen zu müssen, endet der Song mit den Worten der Erkenntnis des auf sich allein gestellt seins: „… but you won´t save me, no!“ Die Verantwortung für unser Leben liegt in unseren eigenen Händen …
Das eigentliche Herzstück dieses Live-Albums aber steht am Ende: „Center Of The Sun“ vom Debutalbum „Long Distance Trip“ ist die ultimative musikalische psychedelische Reise mitten ins Herz unseres Sonnensystems. Hier ziehen SBE nochmals alle Register, um uns mit auf ihren Trip zu nehmen, und es wird abermals deutlich, wie stark die Rhythmus-Sektion der Band live aufspielt, denn Bass und Drums sind der Treibstoff des Songs, musikalisch gewordener Raketenschub, und bringen uns gemeinsam mit Christian Peters sphärischen Gitarrenklängen zum Höhepunkt der musikalischen Reise. Während wir mit der Band ins Innere der Sonne eindringen, verschmelzen Realität und Fantasie miteinander und die Zeit verliert ihre Bedeutung. Mit etwas Imaginations-Fähigkeit könnte man das Gefühl haben, hier nicht nur Zeuge, sondern ein Teil des pulsierenden Herzens der Sonne zu werden – eine Manifestation der kosmischen Energie und Schönheit, die das gesamte Universum durchdringt. Und wir können all die profanen Sorgen, die uns in unserem irdischen Alltag umtreiben, nun endlich loslassen …
Heading off to the center of the sun
Diving into the big black depths of our universe
Need to get rid of this miserable life we live
There’ll surely be some better days ahead…
Wie kaum eine andere Band verstehen es Samsara Blues Experiment, beim Zuhörer eine emotionale Resonanz zu erzeugen indem durch eine experimentelle Klangpalette mit sehr dynamischen, oft improvisierten Strukturen und als emotionstransportierendes Hauptelement durch ausgedehnte und gefühlvolle Gitarrensoli eine weitgreifende Palette von Emotionen, von Euphorie bis Melancholie, eingefangen wird. Samsara Blues Experiment streben danach, eine tiefe, bewusstseinserweiternde und emotional bewegende Erfahrung durch ihre Musik und ihre Texte zu erschaffen. Dabei laden sie das Publikum ein, in ihre Klanglandschaften einzutauchen, um sich selbst zu reflektieren und die eigene Bedeutung im Leben zu entdecken.
Und nirgendwo kann diese emotionale Resonanz besser transportiert werden als bei einem Live-Gig, der einer Band jede Möglichkeit spontaner Kreativität und Reaktion auf das Publikum gibt. Meisterlich in jeder Hinsicht!
(peter)
Ps. Album erscheint digital am 01.10.23, Do LP und CD erscheinen Ende November bei World in Sound
Tracklist
- Singata Mystic Queen 7.20
- For The Lost Souls 9.34
- Hangin´ On The Wire 6.18
- Vipassana 13.40
- Massive Passive 5.56
- One With The Universe 15.44
- End Of Forever 7.57
- Center Of The Sun 14.22
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