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Freak Valley Festival 2024 Teil 3 | Samstag, 1. Juni

(Jens M.) Ich habe keine Ahnung, wie das (wieder mal viel zu schnell) passieren konnte, aber plötzlich befinden wir uns mitten im dritten Festivaltag, an dem sich sogar die Sonne zwischendurch blicken lässt. Als ich mit meinen Mitstreitern auf dem Festivalgelände eintreffe, lädt uns zunächst der Craftbeer-Stand zum Verweilen ein. Und das eine ziemliche Weile, um ehrlich zu sein, denn von hier hat man aus exponierter Lage einen Überblick auf die Bühne und die hier unweigerlich vorbei flanierenden Gäste. So bleibt das eine oder andere große Hallo natürlich nicht aus und das so spektakuläre Wiedersehen nach langer Zeit muss umgehend mit einem weiteren Ale oder IPA gefeiert werden. Schade, dass das IPA mitten in diesem Unterfangen ausging. Nun ja, die Musik war unser Trost und das begann mit…

SPLINTER (Peter) Mit Splinter eröffnet eine Band aus den Niederlanden den dritten Freak Valley – Tag und kommt mit einem ganzen Sack voll Musikerfahrung auf die Bühne, denn die vier Bandmitglieder spielten Jahre zuvor mit legendären Bands wie Death Alley, Vanderbuyst und Birth of Joy. Eine Art niederländische Supergroup also, die mit Splinter aber Metal und Punk hinter sich lassen und deren härtere Klänge stattdessen nun dem reinen Rock´n´Roll – Vergnügen mit eingängigen „catchy“ Melodien und einer Prise Glamrock und Pop weichen. Ihre Mission: Lasst uns dem Rock´n´Roll neues Leben einhauchen!!! Und genau das tun sie auf beeindruckende Weise!

Erster Hingucker und Star der Band auf der Bühne ist allerdings keiner der Musiker, sondern eine wunderschöne alte Hammond-Orgel, bei deren Umfang man sich fragt, wie zum Teufel die Band das Ding von Livegig zu Livegig transportiert! Organist Gertjan nutzt sein Instrument banddienlich, spielt eher Riffs als ausgefeilte Tastenläufe und macht damit den eh schon fetten Rock-Sound der Band noch fulminanter.

Zweiter Hingucker ist sicherlich Frontmann Douwe Truijens, der zunächst im Tanktop mit der aufgedruckten Message „Macht kaputt was Euch kaputt macht!“ die Bühne entert, seinen Look nach kurzer Zeit aber in eine unfassbare Kombination aus kurzer, roter Adidas Sporthose der 80er Jahre mit weißen Cowboy-Picken and den Füßen ändert. „Is this enough diversity for you?“ fragt er das Publikum – und rockt und schreit sich dann die Seele aus dem Leib mit genialen Tanzeinlagen und einem Axl Rose-Gedenk-Hüftschwung, den ich in diesem Musikgenre auch noch nie gesehen habe.

Orgel-/Schlagzeug-Solo, kreischende E-Gitarre, Front-Posing … wer behauptet, Rock´n´Roll hätte seine besten Zeiten hinter sich?!?!!! Splinter beweisen, dass er quicklebendig ist!!! Ein genialer Start in den letzten Festivaltag, denn Splinter bringen schlagartig die Energie zurück, die man an den ersten beiden Festivaltagen schon körperlich tiefentladen geglaubt hatte. Rock´n´Roll will never die!!! Yeah!!!

 

GRAVY JONES (Peter) Nachdem Splinter gerade die monumentale Hammond-Orgel mühsam von der Bühne gewuchtet haben, wird direkt ein neues Orgel-Monster für Gravy Jones, die zweite Band des Tages hinaufgerollt – diesmal scheinbar ein Konstrukt mit Eigenbau-Anteil, das sich aber bei näherem Hinsehen als nach hinten geöffnete Hammond M2 – Orgel entpuppt, bei dem der Zuschauer frontal direkt in das Innere des Instruments schauen und zwei sich permanent arhythmisch rotierende Orgelpfeifen-Teile bewundern kann – und genau wie zuvor bei Splinter spielt auch für die Musik von Gravy Jones die Orgel eine entscheidende Rolle im musikalischen Oeuvre, das diesmal  aber eher einem Genremix aus groovigem Hardrock, Folk, Southern-Rock und altehrwürdigem Rock´n´Roll entspringt und gerne tonnenschwer riffbeladen daher kommt. 

Die vier Mannen von Gravy Jones sind in Karmøy/Bergen (Norwegen) beheimatet und durchsetzen ihre Songs ein mit markanten Gesangsharmonien, die Sänger und Gitarrist Johan Knutsen mit tiefer, knarziger und bluesgeschwängerter Stimme vorträgt. Schnell entpuppen sich Gravy Jones als fantastische Jam-Band in deren groovigen Jams viele „Deep Purplesque“ Anleihen erkennbar sind, und über und unter allen Jams und Harmonien schwebt immer das von Anders Mikkelsen bediente und schwer nach John-Lord-Fandom klingende Orgel-Organ.

Der zweite FVF-Tag hat rockig begonnen und Gravy Jones offerieren den im Regen groovenden Freaks eine perfekte Fortsetzung der etwas härteren rockigen Gangart und bilden perfekt die Atmosphäre von Hard-Rock und Hard-Psych der 70er Jahre nach. Für alle, die mittlerweile nicht von oben nass geworden sind, sorgt spätestens jetzt der durch die Grooves unstoppbare Bewegungdrang für schweißgetriebene Feuchtigkeit von innen heraus…

DEATHCHANT (Volker) Selbst nach ihrem knapp 50minütgen Powertrip auf der Bühne mit wunderbar anzuhörendem Rock im Thin Lizzy Style, dazu einige Prisen Punk und Metal, und selbst ein bissel Doom war dabei, versoffener (im ganz positiven Sinne) und rabaukender Stimme gaben die Jungs aus Californien alles, siehe Photo.

Mit mächtig Spaß in allen Backen ging es über Speedattacken wie „Chariot“ auch mal in den gediegenen Bereich mit „Mother Mary“ und einem „Hoax“, der wie ein Wirbelwind von der Bühne wehte. Und „Earth“ thronte für mich als Song über allem, was für ein herrlicher Stoff. Und diese Twin Gitarren……und flugs ging es zwischen Mouth und Black River Delta zu ihrem Merchstand und ihre 2023er Platte „Thrones“ wanderte in meine Sammlung!

 

MOUTH (Yvonne) Nachdem ich erst wenige Tage zuvor diese Band aus Köln per Bandcamp mal so richtig in „Ohrenschein“ genommen hatte, freute ich mich sehr auf diesen Auftritt, das im Digitalformat bereits viel versprach… Und der Eindruck trog nicht. 

Viel Rhythmus, mächtig Wumms, teils ausgefeiltes Retro-Prog-Gefrickel mit härteren Zügen, gabrielo-maidenesque Melodeien und Gesangsparts, hier und da blitzt ein Hauch von (darf man das jetzt sagen?) 90er Brit-Sound durch… Eigentlich Wurscht – was man auch immer raushören möchte, es hört sich auf jeden Fall klasse an, reißt mit und bedient ausgiebig einige meiner Vorlieben. Die Herren Thomas (Wummer-Bass), Nick (Chirurgisches Schlagwerk) und Chris (singende Gitarre, jaulende Tasten und Gesang in diversen Tonlagen) bringen mit steter Grinsebacke seitens der Rhythm-Section die Menge zum Schwingen, zum Hüpfen, zum Kreisen. Diverse Verbal-Einwürfe aus dem Getümmel vor der Bühne weisen auf mitgereiste (bzw. so oder so dagewesene) Fanbase hin und diese dürfte fortan um viele Köpfe größer geworden sein. Diesen Klangmix könnte ich persönlich zumindest sehr bald wieder mal live genießen, echt ne schicke Sache! 

BLACK RIVER DELTA (Volker) Bluesrock der Extraklasse schwedischer Art: unser Booker Jens hörte zufällig in 2023, unabhängig von mir (ich kannte die Band etwa seit 2020 als ich ihre LP „Devil On The Loose“ meinem Thorens auferlegte) was von der Jungs im Netz und in Nullkommanix waren sie für unser Fest fest verpflichtet um uns bluesrockend zum Frohlocken zu animieren. Schweden hat ja auch eine Tradition in Sachen Bluesrock, mir fallen da u.a. Blueset, Norrsken, Graveyard, Blues Pills, Le Betre und Wolfman Jack ein, und Black River Delta führen diese Tradition in bester Manier fort: wunderbar abgehangener, knarziger, kerniger, von allen Firlefanzen entkernter Blues, oft in einen Rockmantel gehüllt, der dem u.a. der amerikanischen und britischen Heroen in keinster Weise nachsteht. Stimme: 1 A mit Sternchen (Charlie Sandklef, auch Gitarre) und Groove von den Herren Ronsten-Bass und Lindblom-Schlagwerk, so wie sich dat gehört, woll! und die Gitarrenarbeit mal rockend, mal slidig, immer auf den Spuren des Deltasounds, zuweilen auch unterstützt vom Mississippi Saxofon (Harmonica), die Pontus Ohlsson neben seinen verschiedenen Gitarren auch noch beherrschte. 10 Songs ihrer drei Alben boten sie uns dar und nicht nur Volker ging mit dem Quartett zur Crossroad um dem Teufel für soviel großartigen Blues die Seele zu verkaufen…..aber: warum ist nirgendwo ihre zweite Veröffentlichung Vol. II als Vinyl aufzutreiben, verdammt noch mal!

 

GODSLEEP (Judith) Pünktlich um 19 Uhr betreten GODSLEEP aus dem griechischen Athen die Bühne. Seit fast zwei Monaten sind die fantastischen Vier bereits auf Tour und strotzen immer noch vor Energie und Spielfreude. Wie Kadavar, Monolord, DŸSE und The Mad Hatter sind auch GODSLEEP Freak-Valley-süchtige Wiederholungstäter. Volker erinnert in seiner Ansprache daran, dass sie 2012 die allererste Freak-Valley-Ausgabe eröffneten – und zwar an beiden Tagen! (Gut, dass das Festival seit dem darauffolgenden Jahr an drei Tage stattfindet, sonst stünden wir heute nicht hier bzw. hätten den Donnerstag nicht erlebt.) Sängerin und Gitarristin Amie Makris hat sich passend zu ihrer manisch anmutenden Bühnenperformance herausgeputzt: Ein knallrotes Rutgers-Football-Shirt bedeckt das ultraknappe Höschen, farblich passend zum Lippenstift, der sich als fette Linie über Kinn und Hals seinen Weg ins Dekolleté bahnt. 

Kleine Zwischen-Anekdote: Etwa eine Stunde zuvor stand ich vor den beiden Toiletten im Backstage-Bereich und warte. Und wartete. Und wartete. Hinter der einen Tür wurde geduscht, das konnte dauern, also stellte ich mich vor die andere Tür. Und wartete. Kein Geräusche hinter dieser Tür. Zaghaft klopfte ich an. Eine kraftvolle Frauenstimme gab Antwort. Okay, die Person lebte noch. Gerade, als ich mich entschlossen hatte, die Dixie-Toiletten aufzusuchen, öffnete sich die Tür und eine blutverschmierte Frau stand mir gegenüber. Im ersten Moment war ich schockiert, wollte sie an den Schultern fassen und fragen, ob alles okay ist. Dachte, sie wäre ausgerutscht und mit dem Gesicht aufs Waschbecken geknallt. „Sorry“, sagte die Frau freundlich lächelnd und ging von dannen. 

Jetzt steht sie auf der Bühne und wirkt alles andere als waschbecken-verunfallt. Mit heiserer und zugleich ausdrucksstarker Stimme und gekonnten Screams hat Amie die zappelnde Menge sofort im Griff, unterstützt von den höchst dynamischen Stoner-Rock-Attacken ihrer Bandkollegen Johnny (g./v.), Fedonas (b.) und Dennis (dr.). Nach dem zweiten Lied entledigt sich Amie des Shirts, der Vans, der Socken und der Gitarre und stellt im knappen Top tanzend, bangend und zappelnd eine Fitness zu Beweis, die die meisten Besucherinnen und Besucher vor Neid erblassen lässt. Beim vorletzten Katalysator „Bridges“ initiiert die blonde Rakete gekonnt einen spannungsgeladenen Moshpit, in dem die bereits völlig austickende Meute noch einen Gang hochschalten kann. Dieser Gig ist die Definition von Ekstase.

 

The Mad Hatter (Volker) Rau, ruppig, rudimentär, rassig und röhrend: Wie schon am Donnerstag gaben uns in der Umbaupause unsere Lokalmatadore den Blues auf die beschriebene Art und Weise von der DJ Bühne: Juke Joint Blues, ik hörte dir nicht nur trapsen…..

 

SPECK (Yvonne) Hach, welch eine Freude das war, als Volker uns eröffnete, dass Speck unsere diesjährige RB.BS-Leib-und-Magen-Band werden könnte. Auf seine Tipps ist stets Verlass, er legte mir diese junge, frische Band schon kurz nach Veröffentlichung der ersten Scheibe wärmstens ans Herz und nach dem ersten gesehenen Gig beim Freak Valley X-Mas war ich völlig schockverliebt. Nun denn, man ziehe das Wörterbuch aus dem Regal und browse nach Superlativen…

Gleich nach dem bombastischen Auftritt von Godsleep drückten wir uns fix gegen den Strom gen Absperrungen in der ersten Reihe, mitten im Pulk oder irgendwo weit hinten zu stehen war keine Option. Flotter Umbau (das Bühnenteam ist echt topp!), kurzer Soundcheck, bevor Volker mit breitem Lächeln auf den Lippen seiner quasi-Ansagepflicht nachkommt. 

Boooom, der erste Ton wabert aus Lisas Bass heraus, ganz gediegen, ruhig und geschmeidig lassen die Drei es angehen, sanft-repetitiv grooven sie sich und wir uns alle ein. Nach ca. acht Minuten brettern die werten Herrschaften zum ersten Mal so richtig los, die Menge schwingt mit den Köpfen und sonstiger Anatomie wie ein Schwarm von Metronomen im Takt, rundum sieht man in den Gesichtern jede Menge Verzückung, Begeisterung und speckfettes Grinsen vor Glück. Weiter und immer weiter geht der Tanz, Marcel lässt die gülden im Scheinwerferlicht blitzende Gitarre jaulen, heulen, schreien, fauchen, was das Zeug hält, Patrick und Lisa bilden dazu das Fundament und die Richtschnur der hypnotisch-ekstatischen Art.

Der Himmel verdunkelt sich und nach ca. zwanzig Minuten wilder Fahrt durch sämtliche Gehirnwindungen muss Petrus ganz fürchterlich Pipi und es beginnt in Strömen zu schütten. Vollkommen egal, schnell die Regenjacke drüber und weiter geht’s, Speck ist ja schließlich wasserabweisend. Bindfäden aus Wasser pladdern auf uns herab, Praxistest Outdoorklamotte Ahoi, aber wurscht, da vorne spielt buchstäblich die Musik – und das vom Allerfeinsten. Wir sind übrigens immer noch im ersten Stück verfangen, das Volk der Metronome fand nach dem kurzen Klamottengewurschtel ganz schnell zurück in den Groove, der nach Minute fünfundzwanzig deutlich anzieht, dongdongdong, wahwahwah, tschickbummdengel, mannomann, was ein irres Gehopse, Gewusel und welch ein Genuss. Selten solchen Spaß bei solchem *Schimpfwort der Wahl einfügen* Wetter gehabt. Puh. Nach einer guten halben Stunde ist das erste Stück dann auch „schon“ rum, Marcel verschafft seiner bzw. ihrer Freude und Dankbarkeit mit ein paar Worten ans Publikum Raum und das große Rudel der begossenen Pudel feiert die Drei gebührend.  Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich diese Band echt super finde? 

Die zweite Hälfte beginnt mit einem Ansatz von Powwow, tiefe, dumpfe Trommelklänge und vielfaches Ommmm aus dem Bass zu Oldschool-Kraut-Geknerbel an den diversen Knöpfen und Reglern eines Moog. Augen zu und ab dafür. Luftballons fliegen durch die Luft, Petrus hatte letztendlich doch noch Erbarmen und alle versuchen, das Regenwasser auf der Klamottage und in den Haaren durch heftiges Schütteln und Stampfen unter Anleitung der Dame und der Herren Musici wieder loszuwerden, was ob der abgelieferten fetten Portion Ohrenschmaus ein Leichtes ist. Das Tanzbein arbeitet ohne Unterlass, bis das hohe Fest dann doch irgendwann zu einem Ende kommt. Mir bzw. uns quellen die Endorphine aus den Ohren. Setliste: 01 Schwebeeinheit | 02 Verwüster | 03 Talfahrt. Machen auch genau in dieser Reihenfolge absolut Sinn.

 

EARTH SHIP (Volker) Und noch ein vorher nicht preisgegebener Auftritt auf der DJ-Bühne zwischendurch: Das Berliner Doom-, Sludge- und Stoner Metal Trio mit dem Berliner Saitenpaar Sabine und Jan Oberg und Schlagwerker Andre gab dem versammelten Volk knapp 25 Minuten mächtig Stoff in die Nackenmuskulatur.

AMYL AND THE SNIFFERS (Judith) Nachdem SPECK die Gemüter wieder ein wenig heruntergefahren und in andere Sphären gelenkt haben, betritt um kurz vor zehn die zweite blonde Power-Amy (diesmal mit Ypsilon) die Bühne und sorgt mit ihren drei Jungs für ein übelst überraschendes Knallbonbon, dass sich (im wahrsten Sinne des Wetters) gewaschen hat: Amyl and the Sniffers aus Melbourne, Australien, die 2022 mit C.O.F.F.I.N. auf Tour waren (hervorragende Kombi), mischen die Meute heute erneut mächtig mit ihrer wilden Mixtur aus Punk, Glam und 70er-Jahre-Aussie-Rock auf. Man hätte nicht gedacht, dass es möglich wäre, aber Amy legt im Vergleich zu Amie sogar noch eine Schippe drauf, was Outfit, Strip-Einlage und Live-Performance angeht. Doch trotz ihrer exhibitionistisch anmutenden Nummer mit dem viel zu großen Mantel, den noch knapperen Bekleidungsstückchen darunter und trotz Amys provokativ lasziven Aktionen auf der Bühne (aus einem Interview: „Ab und zu hoffe ich, dass mir jemand an den Arsch fasst, damit ich ihnen ins Gesicht schlagen kann.“) kommt der Courtney-Love-Verschnitt zugleich eher niedlich rüber denn vampartig. Mit fast schon kindlich anmutender Stimme und heiserer, frecher Lache sorgt der Frontflummi bei putzigem Dauergrinsen quasi per Knopfdruck für allerbeste Stimmung und kommuniziert viel mit dem Publikum, sowohl verbal als auch körperlich. Sie fläzt sich rücklings auf einem der riesigen Crowd-Ballons und reibt auf dem anderen genüsslich ihr Gesäß, bevor sie den Ball jauchzend wieder in die Menge wirft. Als Kermit, der Frosch, durch die Menge surft, freut sich Amy wahrhaftig wie ein kleines Kind, ruft entzückt: „I‘ve heard about him!“, lässt ihn über Hunderte von Händen zu sich auf die Bühne tragen und – nein, reibt ihn nicht an ihrem Popo, sondern setzt ihn vorne aufs Drumset. Kermit hat es endlich geschafft und grinst glückselig. Er hat sich zum Super-Groupie des Festivals gemausert und ist jetzt schon It-Frog des Jahres.

2019 erklärte Amyl Taylor den Namen ihrer Band folgendermaßen: „In Australien nennen wir Poppers Amyl. Du schnupfst es, es hält für 30 Sekunden an und dann bekommst du Kopfschmerzen – und genau so sind wir!“ In einem Punkt müssen wir dem Wirbelwind widersprechen: Die Wirkung hält deutlich länger an als 30 Sekunden! In einem anderen Interview erläuterte sie später ihren Anspruch an Konzerte: „Ich will, dass mich jemand schubst und mir ein blaues Auge beschert und von Bier übergossen werde. Ich will Teil des Publikums sein und ich will, dass es sich wie ein Teil der Band anfühlt.“ Bis auf das blaue Auge sagen wir: Mission erfüllt!

 

KADAVAR (Volker) Das Quartett aus Berlin hatte im Vorfeld darum gebeten, den Soundcheck schon vormittags zu erledigen: Und so trafen sie mit ihrem Tross (Tourmanagerin, Soundmann- und Instrumentenbetreuer) schon kurz vor Neune bei uns auf dem AWO-Gelände ein, bauten sich auf und erfreuten uns schon vorab so ab Dreiviertel Elf mit einigen musikalischen Schmankerln aus ihrer ja auch schon knapp 14-jährigen Karriere. Und vorher hatte ich ein interessantes Gespräch mit Gitarrist und Sänger Lupus Lindemann über seine Anfänge, damals in Creuzburg an der Werra, u. a. als Konzertveranstalter.

Ab 23:35 Uhr legten sie dann als letzte Band des Freak Valley 2024 einen nicht nur für mich sehr kernigen Auftritt hin: Die Playliste enthielt 11 Preziosen (siehe Photo) und die Jungs Lupus-Gitarre+Gesang, Jascha-Gitarre, Dragon-Bass und Tiger-Schlagwerk verausgabten sich richtig. Ihr Retro Proto 60ies 70ies getränkter Rock perlte in perfekter Manier von der Bühne.

Ich hatte lange kein Konzert mehr von ihnen erlebt und wurde neben einer noch reichlich vorhandenen Menge an Freaks vor der Bühne auch restlos bedient: Das war ein krönender Abschluss unseres kleinen Festes: Danke, Kadavar!

 

(Jens M.) Und zu guter Letzt, da sind sie – die Schreiber und Belichter, in bester Festivallaune von links nach rechts am Grinsen: Yvonne, Jens S., Judith, Jens M., Volker (mehr so innerlich grinsend), Peter und… eigentlich noch Mike, aber der hat wohl in diesem Moment gerade seinen Objektivdeckel gesucht oder musste etwas ganz Wichtiges in Szene setzen. Und nicht zu vergessen Jules, unsere Neueinsteigerin, die hier im Blog bereits an anderer Stelle in Sachen Festival zu Wort kam. Da freuen wir uns noch auf viel mehr, ist dieses Team doch schreibkräftig wie nie zuvor und das macht sichtlich Spaß. Photo: Robert Lesic

 

(Volker) Wir Rock Freaks waren einmal mehr überwältigt von der, ja sagen wir es ruhig so, großen Liebe, die ihr Freaks uns als Veranstaltern entgegen bringt, auch in der Nachlese. Natürlich von der Klasse der auftretenden Bands, vom Inklusionsgedanken, der in fast allen Belangen sehr gut fluppenden Infrastruktur und und und. DANKE! Unser tiefer Dank gilt auch dem Team vom WDR Rockpalast, alles wunderbare Menschen, die unser Fest, perfekt in Bild und Ton, in alle Welt transportieren. PS. Und vor unserer Bühnencrew kann ich mich eh immer wieder nur verbeugen…..

(Jens M.) Was bleibt noch zu sagen? Kaum ist das letzte Riff von KADAVAR verklungen, macht sich die alljährliche Wehmut breit. Doch was sage ich… eigentlich beginnt die schon im Laufe des letzten Festivalabends: Das musikalische Paralleluniversum bekommt plötzlich und unerwartet Risse, durch die sich unbarmherzig der verdammte Alltag hineinschleichen will. Doch so einfach geht das nicht und letztendlich bleibt es jedem von uns selbst überlassen, inwieweit wir das zulassen. Denn wer es nicht verlernt hat zu träumen, nimmt den einzigartigen Spirit des Festivals mit nach Hause und erhält sich dieses Lebensgefühl für 361 Tage. So lange dauert es ungefähr bis zum nächsten Freak Valley. Und weil wir gerade dabei sind: An diesen 361 Tagen leben und arbeiten im Betrieb der AWO in Netphen-Deuz – die uns alljährlich das Gelände zur Verfügung stellt – über 400 Menschen zusammen. Hier werden Menschen mit besonders hohem Assistenzbedarf gefordert und gefördert. Und sie schaffen Großartiges: Das Leistungsportfolio des Betriebes umfasst Kunststoff- und Metallbearbeitung, Verpackungsarbeiten, Elektromontage, Holz- und Textilbearbeitung sowie Gartenbau und Landschaftspflege. Das ist gelebte Inklusion. Und sicher ist es auch der Geist dieser Gemeinschaft, der den Ort und das Festival immer wieder zu etwas Besonderem macht: Die Rockfreaks mit ihrer Leidenschaft, Ihrem Idealismus und Ihrer Liebe zur Musik. Das Team der AWO, die offenherzig genug sind, jedes Jahr dreitausend Musikverrückte auf ihr Gelände zu lassen und allen Anwesenden ein dauerhaft anhaltendes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist, hat Victor Hugo vor mehr als hundertfünfzig Jahren gesagt. Und er behält bis heute Recht. Danke, dass wir da sein durften. Danke Rockfreaks, Danke AWO-Kreisverband Siegen-Wittgenstein. Wir kommen wieder!

Save the Date: Das nächste Freak Valley Festival findet vom 19.-21. Juni 2025 statt. Wir müssen also ganze 18 Tage länger aushalten, als oben ausgerechnet. Aber das schaffen wir. Mit Musik.

© Pics by radicaleye.de, Mike Vennen, Peter Fernholz, Volker Fröhmer & Robert Lesic 2024

 

Filed under: Konzertphotos, Live Reviews, , , , , , , , , , , , , ,

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Gavial - Broken von ihrem neuen Album "Thanks, I Hate It", das am 23.01.26 erscheint

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