(js) Zum mittlerweile achten Mal fand das „Freak Valley Festival“ statt. Die Propheten der psychedelisch-riffigen Blues-, Doom- und Stonerrock-Götter riefen zum Schrein: Es wartete somit wieder einmal eine 3-tägige Anbetungszeit in Netphen auf uns alle! Und natürlich folgten wiederholt knapp 2.500 Freaks diesem Ruf. Bereitwillig, willenlos! Sie durften sich als die Glücklichen bezeichnen, denen in den 30 Minuten, die der Onlineverkauf für Tickets überhaupt nur benötigte, um erneut „ausverkauft“ zu melden, das Quäntchen Fortune zur Seite stand. Und so hieß es für diese Freaks am 20. Juni dann auch wieder: „Welcome to Freak Valley“.
Die „Rock Freaks Siegen“ organisieren das Ding immer noch ehrenamtlich und jeglicher Gewinn, den das Ganze abwirft, wird der AWO gespendet, auf deren Gelände das Festival freundlicherweise stattfinden darf. Was sich letztlich wirklich in diesen drei Tagen abgespielt hat, ist Jahr für Jahr unglaublich schwer in Worte zu fassen. Man fühlt sich dort nicht wie irgendwelche Besucher auf einem Festival, sondern viel mehr wie freudig erwartete und äußerst willkommene „Familienmitglieder“. Es geht hier auch gar nicht darum, zu konstatieren, dass das „Preis/Leistungs-Verhältnis“ immer noch passt oder ein neuer Imbissstand dazu gekommen ist, sondern weiß es zu schätzen, dass hier Musikenthusiasten ein grandioses Stelldichein für Musikenthusiasten erschaffen haben.
Nachdem die infolge der Anfahrt ein wenig müden Knochen sortiert wurden, mussten sie sich aber zum Startschuss des Festivals schon wieder in den „Full Power“-Modus begeben. „Valley Of The Sun“ schickten sich an, zum zweiten Mal nach 2015 die „Fregatte Netphen“ zu entern. Schade vielleicht, dass sie einmal mehr „nur“ als Opener fungierten, letztlich lag dies aber im Wesentlichen daran, dass die Truppe tags drauf im französischen Clisson das dort beheimatete „Hellfest“ aufsuchen durfte. Dies tat aber ihrem druckvollen Auftritt ohnehin keinen Abbruch. Ihr Mix aus Wüsten- und Stonerrock, der bisweilen sicherlich nicht zufällig an „Alice in Chains“ erinnert, sorgte für ein derart volles „Infield“ wie ich es bis dato bei noch keinem Eröffnungsgig erlebt habe. Der Drive der Band, das wirbelnde Schlagzeug, der pumpende Bass, der herrliche Fluss der Gitarre wie auch die Mitsingpassagen ließen die Herzen ohne Frage höher schlagen. Abschließend durfte man festhalten, dass die vier Jungs aus Cincinatti all das hielten, was sie uns weiland 2015 schon versprachen. Wer sie verpasste, hat von Mitte September bis Mitte Oktober 2019 die Möglichkeit, dies auf der mittlerweile auf 10 Gigs angewachsenen Clubtour durch Deutschland flugs nachzuholen.
Was folgte waren vier Schwestern aus Australien. Diese „Findlay“-Schwestern, Amy, Hannah, Holly und Sarah, die bereits seit 2006 gemeinsam musizieren, sich aber erst 2010 den Namen „Stonefield“ verpassten, kamen einerseits so zierlich und fragil daher, überzeugten gleichwohl mit einem Kraftpaket eines Sets für viele großartige Momente. Die uns musikalisch zurück in die Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er beförderten. Ihr originelles Konzept, den ProgRock der 70er Jahre als übergeordnetes Thema ihrer Musik zu nutzen, überzeugte mich auch live. Rundherum kreierten sie komplexe, aber geradezu mühelos gespielte, zeppelinartige Gitarrenriffs, surrende Keyboards und kräftige Basslines. Und all das wird künstlerisch veredelt von Amys donnerndem Schlagzeugspiel, welches sich so wunderbar mit ihrem melodischen Gesang verquickt. Dieser „Wall-of-Noise“-Aspekt ist definitiv ein Hauptmerkmal von „Stonefields“ einzigartigem Sound, der mit wenigen Unterbrechungen im Set, abgesehen vom frenetischen Jubel der Menge, vorgetragen wurde. Dieses stete Experimentieren mit Rhythmen und Tempi versetzte das Publikum immer wieder in Ekstase.
„Spaceslug“ aus Polen setzten den psychedelischen Weg fort, vermengten diesen aber mit einer fulminant doomigen Breitseite. In ihrem Set, in dem sie Songs aus allen drei bisherigen Alben spielten, überzeugten sie insbesondere in den Momenten, in denen sie ihre Sludge- und Doom-Phasen mit progressiven Stilmitteln kreuzten. Man hatte das Gefühl, dass dieses gelebte Jamfeeling nie Mittel zum Zweck war, sondern „Modus Operandi“ eines funktionierenden Auftritts. Mit meinem Lieblingssong „Proton Lander“ beförderte mich das Trio abschließend noch kurzerhand in andere Sphären.
Mit der „John Fairhurst Band“ sah die Running Order dann die erste Band vor, von der ich bis zur Bestätigung durch die „Rockfreaks“ tatsächlich noch nie Kenntnis nahm. Und dies, obwohl dieser „Heavy Blues“ vom „Jimi Hendrix of Wigan“ (so wird John Fairhurst in England gerne mal genannt) schon über sechs Alben hinweg, den Geist der 70er ins Hier und Heute trägt. Dieser Fairhurst also, der bereits vom „Acoustic Guitar Magazine USA“ als einer der Top 3 Resonator-Gitarristen weltweit gefeiert wurde, überzeugte mich vollends. Sein fesselndes Solo-Set war kaum von dieser Welt. Ich sah mich immer wieder mal in der Menge um und meine eine intensive Konzentration und Ehrfurcht in den Gesichtern einiger Besucher erkannt zu haben, als sie mit ansahen, wie sich dieser Irrwisch vor ihnen abspielte. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass ein Mann allein mit einer Gitarre und einer „Boom- Box“ in der Lage ist, derartige Klangwelten zu erschaffen. Die er dann mit seiner Rhythmusfraktion, bestehend aus Bass und Schlagzeug, auch noch ebenso fulminant und energetisch wie genial darbot. Diesen Bandnamen habe ich meiner Alben-Wunschliste umgehend zugefügt.
Wer nun die angekündigten „The Obsessed“ erwartete, wurde ohnehin schon einen Tag vorher enttäuscht, als die Runde machte, dass die Jungs auch ihren „Freak Valley“-Auftritt absagen mussten. Da ich schon auf dem drei Wochen früher stattfindenden „Rock Hard Festival“ auf das Doom-Metal-Trio rund um Scott „Wino“ Weinrich verzichten musste, kam für mich diese Info nicht wirklich überraschend. Gemeinhin spricht man ja dann bei einer Band, die kurzfristig einspringt, von einem Ersatz. Dass man mit dieser Floskel den niederländischen „DeWolff“ Unrecht getan hätte, durfte spätestens nach dem Ende ihres Auftritts“ klar gewesen sein. „DeWolff“ stammen aus dem verträumten holländischen Stätdchen Geleen, aber um ehrlich zu sein, ist es eigentlich so, als seien sie aus einer Zeitmaschine aus den 70ern direkt auf die Bühne des „FVF“ gestiegen. Diese Band lebt und atmet ihre Musik. Mit ihren wallenden Haaren, den Schnurrbärten und ausgestellten Hosen, transportieren sie das Gefühl und die Outfits der 70er Jahre so wunderbar, dass man sich beinahe wieder in diesen Stil verlieben könnte. Fast einzigartig macht das Trio, dass es nur aus Gitarre, Orgel und Schlagzeug besteht. Die wahnsinnige Spielfreude überträgt sich in jeder Sekunde fantastischer Songs wie „Tombstone Child“, „Double Crossing Man“ oder auch „Deceit and Woo“ aufs restlos begeisterte Publikum. Und auch dieser leidenschaftlich dargebotene Gig im Siegerland zeigt einmal mehr deutlich, wieso das Trio rasch zu einer Macht im „Vintage-Rock“-Bereich emporstieg.
Niemand Geringeres als der „Godfather of Desert Rock“ himself, betrat dann Siegerländer Bühnenboden. Und schnell wurde deutlich, dass wenn irgendjemand einen Superlativ für „cool“ benötigt, dieser ohne jeden Zweifel nur „Brant Bjork“ heißen kann. Die erste positive Wahrnehmung stellte sich schon nach den ersten Sekunden Musik ein. Brant und seiner Mannschaft ist ein Sound zuteil geworden, den auch eine „Technical Death Metal-Band“ nicht von der Bettkante schubsen würde. Er verzichtet wie immer weitgehend auf jede Ansprache, sieht nur manchmal geradezu kindlich lächelnd seinen Fingern dabei zu, wie sie der Gitarre repetitive, knochentrockene Riffs entlocken. Na logisch, es ist weniger der einzelne Song, der heraussticht, sondern mehr dieses Gesamtkonstrukt aus dieser geschmeidigen Lässigkeit der Musik insgesamt, die nach und nach angenehm zu Kopfe steigt. Dennoch kann Bjorks Oberklasse-Stonerrock durch Gastsänger Sean Wheeler, bekannt als Frontman von „Throw Rag“, sogar noch gewinnen. Zunächst wirkt der Mann in seiner Totengräber-Kluft als Backing-Sänger Bjorks fast etwas verloren. Als dieser sich jedoch zu “Pretty Hairy” ganz aufs Gitarrespielen konzentriert, beweist sich, dass Wheeler sehr wohl eine Daseinsberechtigung auf dieser Bühne hat. Sein bluesiger, halb spokenword-predigtgleicher Vortrag bringt eine ganz neue Note ein und setzt unerwartet starke Akzente auf diesen Auftritt, der auch ohne sein Zutun mich ohnehin längst vereinnahmt hatte. Mit “Nation of Indica” und “Lazy Bones / Automatic Fantastic” geht dann ein großartiger Auftritt leider auch schon viel zu früh zu Ende.