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musikalisches schreibkollektiv

Weltraum – Nyx

(as) Zu Beginn der zweiten Dekade ihres Bestehens blicken „Weltraum“ schon auf sage und schreibe mehr als 20 Tonträger zurück, bei denen es sich größtenteils um Livemitschnitte handelt, was auch bezeichnend für ihren Stil steht, denn die Gruppe gebiert ihre Geisteskinder immerzu spontan, statt diszipliniert zu komponieren.

Nachdem sich ihr Besetzungskarussell jahrelang drehte, herrscht nun so etwas wie personelle Konstanz, obwohl ein Kollektivgedanke erhalten bleibt, der gleichsam den Reiz der Band ausmacht. Sie ist ein musikalischer WG Gemischtwarenladen, in dem man je nach Saison etwas geringfügig anderes geboten bekommt; nachdem das 2009 herausgebrachte und recht gediegene Album „Magnolia“ vier Jahre später phonstark und etwas kurzatmiger kontrastiert wurde, erscheint nun das voraussichtliche Maximum dessen, was das Quartett und seine Mitmusiker quantitativ auf einem einzelnen Tonträger leisten kann.

Ob „Nyx“ als durch und durch improvisatorisches Werk sechs Jahre Vorlaufzeit benötigte, steht zu bezweifeln. Bei Track-Längen von bis zu mehr als 20 Minuten ist durchaus vorstellbar, dass die rudimentären Ideen binnen weniger Tage gesammelt und schlussendlich hemmungslos ausgewalzt wurde, während ein Aufnahmegerät lief.

Die rein instrumentalen „Songs“ beruhen im Grunde stets nur auf einem mehr oder weniger deutlich hervorgehobenen Hauptmotiv, das eine gewisse Zeitlang wiederholt und vielleicht auch variiert wird, wobei zwar beispielsweise „Zychedelics“ zwischendurch immer wieder zum Erliegen kommt, der Gesamtflow aber bewahrt bleibt.

So verläuft die Dynamikkurve ständig auf und ab. „Spiral3“ zeichnet sich durch manisches Getrommel aus, wohingegen das wirklich traumhaft schöne „The Sea“ eine zunehmend wärmere, fülligere Klangkulisse aufspannt, was es exemplarisch für die generelle Vorgehensweise der Protagonisten macht: Gebetsmühlenartig repetierte Strukturen kreisen immer vehementer umeinander bzw. um sich selbst, bis kein Klimax mehr möglich erscheint.

Der Titel „Drones“ spricht hinsichtlich der Sounds, die sich dahinter verbergen, für sich selbst, denn die elf Minuten belaufen sich auf Synthesizer-Flächen mit subtilem Fiepen und Blubbern im Hintergrund, dazu einmal mehr das für „Weltraum“ charakteristische Percussion-Fundament. Auch hier gilt mit fortschreitender Spielzeit: Es wird lauter, dringlicher, dichter …

Man könnte an und für sich alle Tracks auf einen gedrungenen Kern verdichten, würde man den ätherischen Popanz streichen, aber die vier Kernmitglieder verstehen sich eben aufs Improvisieren, und müssten sie die besten Momente ihrer Jams sichten bzw. dann auch noch zu Songs im klassischen Sinn strukturieren, könnten sie ihre Platten nicht Schlag auf Schlag veröffentlichen.

Dennoch sollten sie langfristig umdenken, denn das letzte Drittel von „Nyx“ – „(3908)“ und das längere Holzbläser-Outro „Styx“ – darf man sich in Ermanglung eines zusätzlichen Mehrwerts gegenüber dem bereits Gehörten quasi schenken.

Was das Ganzen nun mit der Göttin der Nacht aus der griechischen Mythologie zu tun hat (siehe Titel), wissen „Weltraum“ wohl nur selbst. Unabhängig davon ist „Nyx“ ein Spezialthema für beinharte Jam-Freaks, denen selbst Geschichten wie „Electric Moon“ zu „kommerziell“ sind …

Tonzonen, 23.08.2019

www.weltraum-music.com

79:57

Zychedelics

Spiral3

The Sea

Drones

(3908)

Styx

Denniz Gockel (d), Dora Gockel (b)

Boris Mihatsch, Sebastian Widjaja (g)

 

Andreas Schiffmann

Filed under: Album Reviews, Experimental, Jam, Krautrock, Psychedelic,

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