(as) Mit dem dritten Teil der neu aufbereiteten Bootlegs zum Thema „Colosseum“, auf die sich das Reissue-Label Repertoire in den letzten Wochen konzentriert hat, bekommen wir den Auftritt der Jazzrock-Legende am 22. August 1970 bereits zum zweiten Mal binnen relativ kurzer Zeit geboten, doch im Gegensatz zur Erstveröffentlichung von „Live at Ruisrock Festival Turku, Finland“ ist der Sound dieser Pressung deutlich stärker – weil niemand Geringerer als Mastering-Experte Eroc Hand an die Originalbänder legte und noch ein gehöriges Quäntchen Transparenz herausholte.
Dessen ungeachtet steht der Gig der erst kurz zuvor umbesetzten Gruppe (Bassist Mark Clarke ersetzte Tony Reeves, Clem Clempson wurde nach James Litherland zum Frontmann) für sich selbst. Er markiert eine Übergangsphase und gehört sicherlich nicht zu den Sternstunden der Briten, dürfte aber trotzdem insbesondere für Seventies-Historiker und natürlich eingefleischte „Colosseum“-Jünger umso spannender sein.
Schließlich feuern die Protagonisten, die sich anscheinend zügig aufeinander eingespielt haben, buchstäblich aus allen Rohren, wie man bereits dem eröffnenden, zackig interpretierten „Rope Ladder To The Moon“ anmerkt, das von Pete Brown und Jack Bruce für dessen Soloalbum „Songs For A Taylor“ geschrieben wurde. Über das müde Blues-Gezockel während „Downhill And Shadows“ darf man indes den Mantel des Schweigens werfen, doch dessen ungeachtet besteht kein Zweifel daran, dass die Gruppe nun rockiger denn je aufgestellt war.
Dabei spielte sie einmal mehr auf „Cream“ an („Spoonful“), doch diese Einlage ist neben dem zu jener Zeit obligatorisch gewordenen „The Machine Demands A Sacrifice /Drum Solo“ (zeigt einen enthemmten Jon Hiseman hinter den Kesseln – der Mann wurde verglichen mit einigen prominenteren Schlagzeug-Zeitgenossen unzureichend gewürdigt) der einzige vorhersehbare Track im Aufgebot.
Auch wegen des für ein Bootleg guten Sounds darf man den Ruisrock-Gig in dieser Form aufbereitet (Liner Notes sind ja bei Repertoire Records selbstverständlich) vorbehaltlos nicht nur Band-Kennern empfehlen, sondern auch Neuentdeckern – speziell wegen des später zu einem Mini-Hit avancierten „Lost Angeles“. „Live at Ruisrock Festival Turku, Finland 1970“ ist nicht das „Colosseum“-Konzert-Highlight schlechthin, aber gerade wegen des nicht klassischen Line-ups und Sounds der Combo reizvoll.
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Repertoire Records
Rope Ladder To The Moon
The Machine Demands A Sacrifice/Drum solo
Downhill And Shadows
Lost Angeles
Walking In The Park
Andreas Schiffmann
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