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Jan Off – Nichts wird sich niemals nirgendwo ändern

(tn) Irgendwie sind die Bücher und Tondokumente von Jan Off immer Punk. Aber eben nicht nur, und das macht sie über das Musikgenre hinaus interessant. Einmal ganz davon abgesehen, dass er ein guter Erzähler ist und die Geschichten, die er schreibt, sich auch ziemlich real anfühlen. Und sich ebenfalls auch authentisch anhören, zumindest, wenn man die unter dem Titel „Vorkriegsjugend“ erschienenen Texte kennt.

In „Nichts wird sich niemals nirgendwo ändern“ wird die Lebenssituation von einem Quartett von Freunden bestimmt, deren Lebenswirklichkeit vor allem durch die Unzufriedenheit mit den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmt wird. Der politische Hintergrund der Protagonisten ist insofern einheitlich, als dass sie einerseits eine linksorientierte politische Meinung teilen – natürlich mit gewissen Differenzierungen untereinander – und ihre Themen vom Klimawandel über politisches Engagement bis hin zu einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem politischen System reichen.

Das Quartett beschließt, etwas gegen die allgemeine Frustration zu unternehmen und plant eine Aktion, bei der der Weihnachtsbaum an der Alster – denn unsere Protagonisten leben in Hamburg – in Brand gesteckt werden soll. Um ein Zeichen zu setzen. Auf den folgenden Seiten kann der Leser dem Training der kleinen Gruppe folgen, die sich systematisch auf den körperlich anstrengenden Einsatz vorbereitet. Kurz bevor ihre geplante Tat umgesetzt werden kann, werden sie durch eine ungeahnte Zufälligkeit in ihrem weiteren Tatendrang eingeschränkt und unterbrochen.

Dass dieses Missgeschick im Abspann des Romans noch einmal auf eine ironische und gleichzeitig humorige Art und Weise in der außerhalb der Gruppe existierenden Realität noch einmal konterkariert wird, ironisiert das ganze Narrativ von Jan Off. Hier wird auf eine smarte Art eine erträgliche Sicht auf die merkwürdigen Bemühungen der Aktionsgruppe generiert, die sich letztendlich irgendwo im fiktiven Nichts verliert. Ähnlich dem Schicksal Joseph Mazzinis aus Christoph Ransmayr Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“. Die Protagonisten treten nicht mehr in Erscheinung, ihre Beziehungen untereinander lösen sich auf, ihr Aktionismus verläuft ohne weitere Auswirkungen.

Jan Off hat eine aufmerksame Beobachtungsgabe, zeigt wie sich schwierig orientierende junge Erwachsene, die zwischen Engagement, Umsetzung und Hilflosigkeit einen Ort in dieser komplexen Welt suchen, durchwursteln müssen. Alles nicht so leicht, könnte man zusammenfassen. Oder, wenn man die „Aeronauten“ fragen würde: Wie soll man sich in diesem „anstrengenden Leben“ (2020) zurechtfinden? Letztendlich aber eine literarisch gelungene Umsetzung einer Situationsbeschreibung in den Widersprüchlichkeiten unserer Gesellschaft aus einem Bereich, der durchaus Beachtung verdient, weil er die Handlungsweisen und Motivationen junger Erwachsener beschreibt und auch ihre Frustrationen nachvollziehbar macht. Und letztendlich auch eine Diskussion über die Paradigmen, auf die sich eine Gesellschaft verständigen kann. Großes [Programm-]Kino!

Ach so, eine Anmerkung noch: Zum gleichen Thema gibt es eine interessanten Diskussionsbeitrag von Julia von Heinz in ihrem Film „Und morgen die ganze Welt“ (2020). Hier wäre ein Vergleich durchaus nutzbringend. (Thomas Neumann)

Verlag: Ventil Verlag

Format: Buch

VÖ: 11. November 2020

Line Up:

  • Jan Off – Alle Instrumente, Gesang, Schreibwerkzeug

Web

FB: https://www.facebook.com/Jan-Off-134685454451

Webseite: http://jan-off.de/

Discogs: https://www.discogs.com/artist/634461-Jan-Off

Filed under: Drucksachen,

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