(as) Auf der dritten Platte von „Stone the Crows“, die 1971 erschien, brillierte abermals Alex Harveys Bruder Les an der Klampfe und war letzten Endes wahrscheinlich auch der entscheidende Faktor für den Erfolg, der sich mit „Teenage Licks“ einstellen sollte. Die beiden Vorgänger – herausgekommen während der zwölf Monate zuvor! – waren veritable Verkaufsflops gewesen, und obwohl die Gruppe rein gar nichts an ihrem Sound geändert hatte, lässt sich das Album auch tatsächlich als ihr stärkstes einstufen.
Neben dem tollen Gitarrenspiel sprechen auch und gerade die Kompositionen an sich für diese Einschätzung, denn Bob Dylans solide dargebotenes „Don’t Think Twice“ verblasst richtiggehend vor ihnen. Gemeinsam mit ihrem neuen Bassisten Steve Thompson – James Dewar war zu Robin Trower abgewandert – und Organist Ronnie Leahy, der den ins Schullehrerlage gewechselten John McGinnis ersetzte, schmiedeten die Kernmitglieder um Kraftstimme Maggie Bell absolut wasserdichte Songs, an denen kein Gramm Fett zu viel hing.
Sofortige „Hits“ wie „Big Jim Salter“ oder der Ohrwurm „I May Be Right I May Be Wrong“, das knallharte „Mr. Wizard“ und die Power-Ballade „Don’t Think Twice“, mit der die Sängerin Janis Joplin locker in den Schatten stellte, glänzen durch Tiefgang und Massentauglichkeit zugleich, aber apropos Joplin …
Dem tragischen Club der 27-jährig sterbenden Rockstars schloss sich nach der Veröffentlichung auch Les Harvey an, als ihm bei einem Konzert in Swansea ein Stromschlag auf der Bühne zum Verhängnis wurde. „Stone the Crows“ machten mit Jimmy McCulloch von Thunderclap Newman weiter und legten ein weiteres achtbares Album nach, waren aber nie wieder so heiß wie auf „Teenage Licks“.
Musikhistoriker Chris Welch schildert die traurigen Geschehnisse und mehr gemeinsam mit den verbliebenen Musikern im umfangreichen Booklet des von Repertoire erwartbar ordentlich in Szene gesetzten Re-Releases: Digisleeve und Eroc-Remastering verstehen sich dabei von selbst.
Stone the Crows – Teenage Licks
Repertoire Records
Big Jim Salter
Faces
Mr. Wizard
Don’t Think Twice
Keep On Rollin’
Ailen Mochree
One Five Eight
I May Be Right I May Be Wrong
Seven Lakes
Andreas Schiffmann
Stone the Crows – Ode to John Law
(as) Angel Air haben ihre schon etwas älteren Wiederveröffentlichungen des Backkatalogs von „Stone the Crows“ üppiger mit Bonusmaterial ausgestattet, doch die Re-Releases der Spezialisten von Repertoire Records sind generell hübscher und hochwertiger, was auch für die Aufbereitung des zweiten Albums der Band gilt.
Mastering-Experte Eroc hat die ursprünglichen Stereoaufnahmen restauriert, außerdem bekommt der Fan wenigstens einen Zusatzsong geboten, bei dem es sich allerdings nur um einen Single-Edit handelt; „Things Are Getting Better“ ist eines der kompositorischen Highlights in der uneingeschränkt empfehlenswerten Diskografie der Gruppe und deutet bereits an, dass auf „Ode to John Law“ ein Mitglied besonders hervorsticht.
An die unschlagbare Chanteuse Maggie Bell hat man sich zwar spätestens nach dem letzten Song des kurz zuvor erschienenen Einstands gewöhnt, doch hier steht vor allem Leadgitarrist Leslie Harvey im Rampenlicht. Er verleiht dem mäandernden Titelstück mit sehr greifbaren Linien Kontur und setzt den ohnehin schon ausgesprochen eingängigen Standouts „Sad Mary“ und „Love“ das Sahnehäubchen auf.
Während einer spannenden Interpretation von Curtis Mayfields „Danger Zone“ glänzt hingegen Bell in ihrer Paradedisziplin – laszivem, langsamem Blues, dem wieder John Mayalls ehemaliger Schlagzeuger Colin Allen (er ging später zu den Holländern „Focus“) eine angemessene Schwere verleiht.
Blues und Rock standen auf diesem zweiten Langdreher von „Stone the Crows“ dergestalt miteinander im Einklang, wie es im weiteren Verlauf ihrer Karriere nicht mehr der Fall war. Die beste Platte der Band ist es – subjektiv empfunden – dennoch nicht. Chris Welch und Mitglieder der Band äußern sich im für Repertoire obligatorischen Liner-Notes-Booklet ausführlich zu den Umständen der Entstehung, was diese Neuauflage (auch auf Vinyl erhältlich) selbst für diejenigen reizvoll macht, die „Ode to John Law“ schon besitzen.
Repertoire Records
Sad Mary
Friend
Love 74
Mad Dogs & Englishmen
Things Are Getting Better
Ode To John Law
Danger Zone
Things Are Getting Better (Single-Version)
Andreas Schiffmann
Stone the Crows – Stone the Crows
(as) Dies ist beileibe nicht die erste Wiederveröffentlichung des Debüts von „Stone the Crows“, doch die Digisleeve-CD, die uns zur Rezension vorliegt, ist im Grunde genommen nur ein Nebenprodukt der ersten Vinyl-Neuauflage des Materials seit Jahren. „Grobschnitt“-Altmeister Eroc hat die im Original 1970 erschienene Platte remastert, dazu spendieren Repertoire Records wie üblich informative Liner Notes von Musikjournalisten-Ikone Chris Welch und Kommentare einzelner Bandmitglieder in einem zwölfseitigen Booklet.
Die schottische Gruppe gehörte seinerzeit zu den Unglücksraben der sich explosionsartig verbreiternden Rockszene, denn trotz reichlich Vorschusslorbeeren und einem Ritterschlag durch „Led Zeppelin“-Manager Peter Grant, der schwer beeindruckt von ihr gewesen sein soll, wurde es nichts mit dem Starruhm, gleichwohl „Stone the Crows“ einen langen Atem bewiesen haben und nach diesem Einstand weitere genauso hörenswerte, heute zeitlos wirkende Alben herausgebracht haben.
Was zeichnete die Combo also im Besonderen aus? Allen Vorzügen voran war es sicherlich Power-Frau Maggie Bell am Mikrofon, die auch für die Zeit nach Black Sabbaths Debüt noch überdurchschnittlich harten Rock mit einer rauen Blues-Stimme krönte. In diesem Genre ließen sich „Stone the Crows“ auch bis zuletzt verorten, von Proto-Heavy-Metal-kann bei ihnen also keine Rede sein.
Epen wie „I Saw America“ oder der Opener „The Touch Of Your Loving Hand“ tendierten im Gegenteil in eine progressive Richtung, wobei sich Bassist James Dewar als kongenialer Gesangspartner von Bell entpuppt. Die emotionalen Duette der beiden waren ein echtes Alleinstellungsmerkmal (Robert Palmer und Elkie Brooks zogen bei „Vinegar Joe“ praktisch nach), und Keyboarder John McGinnis unterstrich die originelle Note der Band zusätzlich.
Bei „ Blind Man“ und „Fool on the Hill“ handelt es sich um Coverversionen von Josh White respektive den „Beatles“; die wahren Edelsteine der Scheibe bleiben indes die beiden genannten Eigenkompositionen, und wer in puncto Seventies-Underground mitreden möchte, aber „Stone the Crows“ nicht kennt, sollte hier mit seinem oder ihrem Nachhilfeunterricht beginnen.
Repertoire Records
The Touch of Your Loving Hand
Raining in Your Heart
Blind Man
The Fool on the Hill
I Saw America
Andreas Schiffmann
Stone the Crows – Ontinuous Performance
Repertoire Records
On The Highway
One More Chance
Penicillin Blues
King Tut
Good Time Girl
Niagara
Sunset Cowboy
(as) Zeiten des Umbruchs und ein quasi unausweichliches Ende: 1972 haben „Stone the Crows“ nicht nur ihr vielleicht wertvollstes Mitglied Les Harvey eingebüßt, sondern auch einen beträchtlichen Teil ihrer Unmittelbarkeit. Dies schadet der Qualität von „Ontinuous Performance“ zwar kaum, nimmt der schottischen Gruppe aber viel von ihrer Power und Identität als fantasievoll aufspielende Bluesrock-Combo.
Schon auf dem zweiten Studio-Longplayer „Teenage Licks“ zeichnete sich ab, dass Neu-Keyboarder Ronnie Leahy die schmatzende Hammondorgel seines Vorgängers an den Tasten weniger schätzte als ganz klassische Klavierklänge, und so kommt es, dass er auf „Ontinuous Performance“ bisweilen leicht spießig vor sich hin klimpert.
Gitarrist Jimmy McCulloch von Thunderclap Newman stellt sich wider Erwarten als absolut fähiger Ersatz für den verstorbenen Harvey heraus, der übrigens noch weite Teile der Platte mitgeschrieben und eingespielt hatte; der neue Mann war lediglich in „Good Time Girl“ und „Sunset Cowboy“ zu hören, Les hingegen im knackigen „On the Highway“, während des altbewährten Zwölftakters „Penicillin Blues“, in der beschwingten Single Kandidatin „Niagara“ und dem stimmungsvollen „King Tut“, das als stärkster Track hervorsticht.
Die Unentschlossenheit oder Müdigkeit der neuen Besetzung lässt sich trotzdem nicht überhören, und in der Tat war bald nach der Veröffentlichung Schicht im Schacht. Sängerin Maggie Bell zog anschließend zwischenzeitlich in die Niederlande, ehe sie in ihre britische Heimat zurückkehrte und unter anderem an der Seite von Colin Allen in Erscheinung trat. Sporadisch hat man die Dame im Laufe der Jahre auch immer mal wieder auf europäischen Bühnen erleben dürfen.
Für diesen Re-Release von Repertoire Records (klar: dickes Booklet, Digisleeve, Remastering) beschrieb Bell zusammen mit Rockautor Chris Welch und Schlagzeuger Colin Allen die letzten Tage der Band, die sicherlich größer hätte werden können, wenn ihr Sechssaiten-Hexer am Leben geblieben wäre.
Andreas Schiffmann
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