(je) Der letzte Besuch in meiner sächsischen Heimat bescherte mir einen überraschenden Konzertbesuch an einem ganz besonderen Austragungsort. Die US-amerikanische Psychedelic- und Stoner-Rockband EARTHLESS gaben sich mit dem norwegischen, eher im Free Jazz verwurzelten HEDVIG MOLLESTAD TRIO die Ehre. Eine durchaus ungewöhnliche Kombination, die von der nicht minder ungewöhnlichen Location zusätzlich untermauert wurde. Das UT Connewitz ist eines der ältesten noch erhaltenen Lichtspieltheater in Deutschland, hier fand die erste Filmvorführung bereits im Jahre 1912 statt. Der Name UT bezieht sich auf die „Allgemeine Kinematographen Gesellschaft Union-Theater für lebende und Tonbilder GmbH“ die 1906 gegründet wurde. Daraus entstand damals die erfolgreichste Kinokette Deutschlands „Union“, die unter dem Markenzeichen U.T. auftrat. Der Bühnenraum ist einem römischen Portikus nachempfunden und die gesamte Inneneinrichtung ist bis auf die Bestuhlung noch heute weitestgehend im Originalzustand von 1912.
Beeindruckt von diesen historischen Fakten betrete ich gegen 20:30 Uhr den Saal, der mich für einen recht langen Augenblick zunächst mit offenem Munde verweilen lässt. Was für ein magischer Ort – wie geschaffen für außergewöhnliche Abende mit Live-Performances oder für cineastische Highlights jenseits des Mainstreams!
In Gedanken begebe ich mich auf eine Zeitreise in die Gemäuer des Union Theaters, doch schon wenig später betritt das mir bis dato unbekannte HEDVIG MOLLESTAD TRIO die Bühne, um ihr drittes Album „Enfant Terrible“ live zu präsentieren. Die Gitarristin Hedvig Mollestad, Bassistin Ellen Brekken und der Schlagzeuger Ivar Bjørnstad (Cakewalk) überraschen mich von der ersten Minute mit einem äußerst abwechslungsreichen Set, der zwischen Psychedelic, Jazz, Punk und Progressive-Rock pendelt, ohne dabei ins zu Komplexe abzudriften. Der Sound bleibt eingängig, mitreißend und intensiv. Das Trio präsentiert sich als feste Einheit, die ihre Musik mit Leidenschaft und Herzblut präsentiert. In Norwegen inzwischen überaus erfolgreich, sollte man die drei auch außerhalb der nordischen Landesgrenzen weiter im musikalischen Fokus behalten – ich bin inzwischen überaus fasziniert von dieser Band.
Nach einer kurzen Umbaupause, die mir Gelegenheit gibt, erneut den ungewöhnlichen Platz zu bewundern und von weiteren Fotoshootings zu träumen, entert die lebende Legende EARTHLESS die Bühne… Seit 2001 setzen diese drei Musiker Maßstäbe in Liveperformance und Jamkunst, sind aber bisher über den Geheimtippstatus nie hinaus gekommen. Der Gitarrist Isaiah Mitchell, Basser Mike Eginton und der ehemalige Profiskater Mario Rubacalba am Schlagzeug benennen Krautrock, Black Sabbath, The Who, Motörhead und Psychedelic Rock als ihre maßgeblichen Einflüsse, die sie zu einem irren Mix verschmelzen. Und so ufert bereits der erste Song – wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt noch diesen Begriff verwenden kann – zu einer irren Jamsession aus. Rubacalba und Eginton bilden eine der mit Abstand besten Rock-Rhythmussektionen unserer Zeit auf deren Basis Mitchell sich am Bass austoben kann ohne dabei steril oder zu technisch zu klingen. Die Stücke fühlen sich eher wie musikalische Monolithen an, die aus den Gefühlen der Musiker heraus jedes Mal aufs Neue entstehen. So fällt es mir auch schwer, einzelne Passagen oder Stücke besonders hervorzuheben – EARTHLESS wirken als audiovisuelles Gesamtkunstwerk, auf das man sich einlassen muss. Das ehrwürdige UT Connewitz bot dafür einen mehr als würdigen Rahmen – die Fotos sprechen davon und können hoffentlich ansatzweise einen visuellen Eindruck dieser außergewöhnlichen Performance bieten….(Jens)
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