(ro) Schon mehrmals hatte ich die Freude und das große Vergnügen, bei dem Bluesrockfestival in dem hübschen, kleinen Stadtbezirk der niederländischen Stadt Venlo anwesend zu sein. Und wie jedes Mal finde ich, dass dies wirklich eine richtig schöne Location für ein solches Event ist. Nicht zu groß, kurze Wege und ein sehr abwechslungsreiches Programm, bei dem jeder etwas für seinen Geschmack findet. Der Besucherbereich gegenüber der Bühne ist ein bisschen wie ein überdachtes Amphitheater gestaltet, in dem man es sich auf grauen Schalensitzen bequem machen kann. Also guter Sound und Sicht für jeden.
Oder man lässt sich oberhalb dieser Sitzreihen an robusten Tischen und Bänken nieder, die zum Verweilen und Fachsimpeln einladen.
Die Atmosphäre ist wie immer sehr entspannt und familiär. Allenthalben sieht man freundlich lächelnde Leute, die auf dem Gelände zwischen den diesmal leider nur sehr übersichtlich vorhandenen Ständen bummeln und Pommes mit Zwiebeln essen, oder mit einem Bier in der Hand auf der Treppe in der nachmittäglichen Herbstsonne sitzen.
Gerade rechtzeitig zu den ersten Tönen der „Delta Saints“, die ich schon vor dem Einlasstor höre, betrete ich das Gelände. Der Leser ahnt, dass mir die Band, die das Festival eröffnete, nämlich „The Blackwater Experience“, völlig entgangen sind.
(vo) Die von Rosie erwähnten „The Blackwater Experience“ standen um Punkt 13 Uhr auf der Bühne (ich erreichte den Ort des Geschehens ohne Autopanne und war deshalb schon vor Ort) und überzeugten mit ihrem Bluesgestählten Heavy Rock, der auch hin und wieder in Southerngefilden stöberte. Volles Programm mit drei Backgroundsängerinnen, Hammond und jeder Menge Spielspaß.
(ro) Nun ja, dazu muss ich sagen, dass das Gefährt, welches uns zügig zum Ort des Geschehens bringen sollte, noch kurzfristig einen Werkstattbesuch erforderlich machte.
40 Minuten haben die „Delta Saints“, fünf Jungs aus Nashville, die seit 2007 weltweit auf den Bühnen unterwegs sind, heute zur Verfügung. Schade, denn ich hätte ihnen gern länger zugehört. Hier brilliert ein Quintett, bestehend aus Ben Ringel, David Supica, Dylan Fitch, Nate Kremer und Vincent Williams mit Songs zwischen Bluesrock, Swamp und Southern-Soul. Was ja sicher nicht die schlechtesten Koordinaten sind. Keine Frage.
Eine Musik, zu der sich wunderbar Bier verschütten lässt, wie einige gut gelaunte Herren direkt vor der Bühne eindrucksvoll beweisen.
Unverbraucht, ungestüm und hochmotiviert springen die Musiker von Rock zu Blues, vom hüpfenden Funk hin zu Boogie. Oh ja, diese Jungs kennen sich aus. Sie versprühen eine Launigkeit und Ausgelassenheit, aber vor allem strahlen sie manchmal eine sympathische Unberechenbarkeit aus, die Freude bereitet.
Beeindruckend finde ich persönlich den Song „Dust“, der auch auf ihrer neuen CD „Bones“ zu hören ist. Ben Ringel, ein Herzensbrecher im bunt geblümten Hemd, schlägt dazu mit seiner rechten Hand den Takt auf seine Brust, in der Höhe seines Herzens.
Den Song „Dust“ könnte man sich z.B. hier anhören: http://www.thedeltasaints.com/music
Wie sagte noch mein Kollege Heinz? „Wie Steve Marriotts Humble Pie aktuell klingen könnten, wären sie noch aktiv.“
Die leicht an Jahren fortgeschrittenen Leser wissen jetzt natürlich genau, was damit gemeint ist.
Übrigens: “Death Letter Jubilee” war das erste komplette Album der Delta Saints, und wer mag, kann hier bei uns etwas darüber nachlesen: „Death Letter Jubilee“.
Noch mehr Drive gibt es auf ihrer CD „Live At Exit/In“, über die man sich ebenfalls hier bei uns informieren kann.
Der Nachmittag lockt dann mit einem Bandnamen, den ich zumindest schon mal gehört habe: „Sven Hammond“.
Zunächst gilt es aber, dem Konzert einer Band namens „My Baby“ zu lauschen. Diese ist mir bis dato völlig unbekannt – Asche auf mein Haupt.
Mein Kollege Volker allerdings ist sogleich aufs Höchste begeistert, drängt augenblicklich Richtung Bühne. Diese Gruppe hat er natürlich auf dem Schirm, ebenso ihren Musikstil, der als „Delta Trance Louisiana Dub Indie Funk“ bezeichnet wird.
(vo) Dieser musikalische Feinkostladen, in dem auch noch Blues, Boogie, Gospel, Reggae und Rock angeboten wurden, überzeugte mich mit jedem Ton, es war eine Weltreise durch Musiklandschaften der besonderen Art. Cato (Gesang, Gitarre) und Joost (Schlagzeug und Backgroundgesang) aus den Niederlanden und Daniel (Gitarren) aus Neuseeland entfalteten einen Sound der rockte, in Trance versetzte, den Boogiehammer schwang, durch die Sümpfe schwappte und insgesamt so völlig neben der Mainstreamspur lag, das es mir und vielen anderen eine wahre Freude bereitete. Das Dreigestirn fuhr mit uns durch die Klangwelten ihrer beiden bisher erschienenen Alben, „My Baby Loves Voodoo“ und „Shamanaid“, die gespickt sind mit abgefahrenen Sounds und mir höllischen Spaß bereiten, denn beide Vinylalben und ihre Single zieren seit Samstag meine Plattensammlung. Alle Daumen hoch!
( ro) Aber dann…um 16:15 Uhr, als die Sonne noch einmal so vielversprechend die überaus beeindruckenden Wolkenformationen anleuchtet…..“Sven Hammond“. Nein, Sven heißt nicht Sven Hammond, sondern eigentlich Sven Figee.
Er bedient eine Hammond – wenn ich aus der Entfernung richtig gelesen habe, nennt sich diese XK30 oder XK 3c, ich habe keine Ahnung.
Jedenfalls übermittelt sie einen echten, satten Vintagetouch, „OldSchool“ sozusagen, im Aussehen und im Sound. Große Klasse.
Sven Figee, der dem preisgekrönten Film „Das weiße Band“ entsprungen zu sein scheint, betritt zusammen mit Ivan Peroti ( voice), Tim Eijmaal (guit), Glenn Gaddum (bass) und Joost Kroon (drums) die Bühne.
„Dirty Gritty Soul“ nennt sich ihr Musikmix, der tight, laut und energetisch ist. Ich bin gespannt auf ihren Auftritt. Und dann hauen sie rein. Und wie sie das tun.
Ivan Peroti, der dünne drahtige Sänger, der extrovertiert und agil, wie ein Flummy hüpfend, irgendwann seine schwarze Lederjacke von sich wirft, Glenn Gaddum, der mich mit seiner dicken schwarzen Brille ständig an MAD erinnert und auch raumgreifend sein Instrument präsentieren darf, bringen zusammen mit ihren Kollegen z.B. „Brother Drunk“ und „Fly“ von ihrem neuen Album „IV“ zu Gehör.
Ja, diese Band aus den Niederlanden liefert in der Tat ab…woaha. Die immer sichtbare, unbändige Lust zu spielen, bringt die Besucher des Konzerts dazu, vorn an der Bühne zu hopsen, zu tanzen, zu lachen, Genever, Bier, Zigarillos oder ähnliche Rauchwaren zu teilen, sich zu umarmen.
Und das geht ununterbrochen so weiter, “Resonating Heartbeat” gibt es zu hören und dann aber auch zum Beispiel ” Kiss The Ground”, bis sich dieser treibende Rhythmus unweigerlich und unaufhaltsam in wirklich jedermanns und jederfraus Gehörwindungen geschoben hat.
Der Applaus sagt jedenfalls, dass das Publikum einer Zugabe nicht abgeneigt gewesen wäre, aber das gibt es hier in Tegelen aufgrund des straffen Zeitplanes grundsätzlich nicht.
Hach, die Zeit vergeht so schnell und schon steht die nächste Band in den Startlöchern „The Dirty Aces“.
Aber ich muss jetzt erst noch unbedingt zum Merch Stand, wo bereits Sven Figee wartet, um CDs, Platten und DVDs zu signieren.
Nach ausführlicher Betrachtung der ausliegenden Tonträger beschließe ich, etwas mit nach Hause zu nehmen und erwerbe das neues Album „IV“. Das gibt es in Vinyl und dazu noch eine nette Widmung mit Goldstift von Sven.
(vo) Nach Mister Hammond und seinen Jungs gibt es Bluesgetränkten Pubrock in bester und großartigster englischer Manier und Machart, The Dirty Aces sorgen für ausgelassene Partystimmung und Feuer unterm Dach. Und wer die niederländische Art, einem Konzert zu lauschen, liebt, kam auch auf seine Kosten, da ging im Volk und an den Bierzapfhähnen die Post ab. Die Asse verzieren ihren Sound neben dem Bluesgrundgerüst mit Classic Rock, fahren mitunter nicht mit uns Schlitten, sondern parken ihn zusammen mit leichtem Punk auch in einem Garagenrockgewand und rocken und rollen und mischen für knapp 50 Minuten das Auditorium auf. Die mir vorher nicht bekannte Band begeisterte mit ihrem Können und ihrer Energie. Die Band: Giles Robson, Sänger und phantastischer Stimmzungenverbieger – seine Harpeinlage „Train Inpersonation“ – ließ nicht nur meine Ohren schnalzen. Desweiteren waren da Tommy Hull am Bass, Filip Kozlowski an der Gitarre, dem man jeden Saitenton im Gesicht ablesen konnte (siehe Bild), und Schlagzeuger Simon Hall, der die Truppe auspeitschte und antrieb.
Um 18 Uhr 45, die Sonne strahlte nach einem heftigen Gewitterguß mit mir um die Wette, betrat eine meiner Leib- und Magenbands die Bühne, es begann eine knapp einstündige Therapie in der Praxis von Dr. Feelgood. Die Heiler, die meine Wehwehchen wegspielten: Robert Kane, Einpeitscher am Mikro und Harmonika. Kevin Morris, der u.a. „Milk & Alcohol“ in den Hoochie Coochie Man“ prügelte. Phil Mitchell, der dem Sound mit seinem Bass, britischem Understatement und einem Glas Rotwein als Treibstoff die Sporen gab und der unvergleichliche Steve Walwyn, der dermaßen mit vollstem Körpereinsatz (seinem und dem seiner Gitarren) Riffs und Licks in die Menge schruppte, blueste und rockte, das in meinem Gesicht so manche Freudenträne den Weg in meinen Bart findet Was für eine phantastische Behandlung, da wird der Arztbesuch zum Ereignis. „Back In The Night“, „Down By The Jetty“, „Who Do You Love“ sind einige Heilsbringer. Unter der Bühne tobt, tanzt und rockt das Volk, Volker natürlich auch, und zum Abschluß gibt es eine Version von „Bony Moronie“, die mir mit einem einminütigen „Tequila“ endgültig den Rest gibt, Leber, Nieren und Herz und Soul arbeiteten während des Auftritts in gesundheitsfördernster Weise.
Nach diesem Schmankerl ruhte ich erstmal in mir, bestellte ein paar Bier und lauschte dem Auftritt von Eli „Paperboy“ Reed und seiner Band aus der Entfernung. Was ich hörte traf nicht meinen Geschmack, diese Art Blues, Soul und Funk ist nix für mich. Aber zur Dokumentation ein Bild von Mister Reed, der mit seiner Band alles gab.
Zum Abschluß des vorzüglichen Festivals geben uns die mittlerweile ziemlich durchgestarteten Classic Rocker DeWolff den Rest vor dem Heimweg. Die drei Niederländer, Robin Piso an der Hammond, Backgroundgesang und die Gebrüder Luka (Schlagzeug) und Pablo van de Poel (Gesang und Gitarren) sind mit ihrem Sound aus bluesigen und psychedelischen Elementen, die mit Prog und Stoner angereichert werden, in einer eigenen Liga gelandet. Vor fast genau fünf Jahren sah ich die Band zum ersten Mal im Steinbruch in Duisburg, vor der beschämenden Zahl von ca. 15 Rockliebhabern. Schon damals fiel mir auf, das alles in und um die Band ziemlich professionell austariert war, auch die drei Jungs agierten auf der Bühne unbeeindruckt vor der Leere im Zuschaueraum in großartigster Weise, Classic Rock vom Feinsten. Und heute abend? Sie sind gereift: Band, Musik, Auftritt. Aus einem Guß. Spielfreude, Interaktion mit dem ihnen aus der Hand fressenden Publikum, musikalisches und kompositorisches Können, das hat schon eine ganz besondere Art, beeindruckend. Pablo wischt, wringt und rockt die Saiten glühend, Luka haut ständig den Lukas und prügelt Hammond und Gitarre vor sich her und Robin spielt voller Inbrunst und Seele die Tasten auf Höchsttemperatur. Besonders gefielen „Stand Up Tall“ und „Don’t You Go Up The Sky“, die auch auf ihrer vor kurzem erschienenen Doppel Live & Outta Sight die Nadel glühen lassen. Um 22 Uhr 30 ist das 32ste Bluesrockfestival Tegelen Geschichte, Rosie und Volker bedanken sich bei Magnificent Music und dem Büro Pinkpop für die Möglichkeit der Teilnahme mit Auge, Ohr und Canon und bei allen, die dabei waren. Tot ziens…..(Rosie + der kursive Volker)
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