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Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band zum 50. Geburtstag – Das Album, die Beatles und die Welt 1967

(hwa) Niemals danach fühlte ich so viel Aufbruchstimmung – es war das perfekte Jahr.
1967 war ich 15, sozusagen im „besten“ Alter und frisch verliebt – die Welt stand einem sperrangelweit offen. Im Juni kamen Sgt. Pepper und viele andere Alben per Vinyl als Kraftverstärker wie auf Engelsflügeln aus dem Himmel gesandt. Aber auch Singles reüssierten. Mit ihrer Hitsingle „Good Vibrations“ brachten die Beach Boys die Gefühlslage und den Zeitgeist exakt auf auf den Punkt…

Ich sehe es vor mir, als sei es erst gestern gewesen. An dem Tag war wohl gegen 12 Uhr Schulschluss. Im Lehrerzimmer existierte ein Plattenspieler. Ich weiß nicht mehr, ob ein Oberschüler die Platte mitbrachte oder ein Lehrer. Ich war in der Untertertia, war mit dem Tornisterpacken beschäftigt, als plötzlich unerhörte Klänge den Schulflur fluteten.

Es war tatsächlich Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles, das Album, das vorher schon durch EMI-Pressearbeit und Mund-zu-Mund-Propaganda mit Recht zum next big thing hochgejazzt wurde.

Ich war wie vom Blitz getroffen. Ich muss hier nicht erklären, warum. Heute gehört das Album zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit und Weltkulturerbe des Pop.

In diesem Buch von Brian Southall geht es genau darum.

Southall bringt es historisch gut auf die Reihe. Wobei ich mich gerade frage, warum das Parlophone-Label im Buch zu PARLAPHONE mutiert. Wahrscheinlich ein Kollateralschaden.

Ich glaube, die Leute, die heutzutage im Auftrag der Verlage Bücher redigieren, mögen zwar von der Kunst des Redigierens theoretisch einiges mitgekriegt haben, leiden aber scheinbar in der Praxis immer häufiger unter zunehmender Kurzsichtigkeit bzw. unter Nichtwissen. Das Label heißt Parlophone. Punkt!

Southall beleuchtet neben der ausführlichen Entstehungsgeschichte von Sgt. Pepper auch das popkulturelle und politische weltweite Umfeld 1967/68. Revolutionäre Jahre im wahrsten Sinne.

Apropos: Als 1 Jahr später die Beatles-Single „Revolution“ (B-Side) und „Hey Jude“ (A-Side) angekündigt wurde, habe ich mich kurz darauf mit einem Klassenkameraden frühmorgens an die B 54 am Ortsausgang von Olpe gestellt, um per Anhalter nach Siegen zum Musikhaus Loos zu trampen (jeweils 28 Kilometer hin und zurück).

Wir wollten die ersten sein, die diese Single in Olpe in den Händen halten. Und: Wir waren die ersten – zumal mit dem grünen Odeon-Label. Kurze Zeit später erschien „Hey Jude“ / „Revolution“ dann nur noch auf dem neugegründeten Apple-Label der Beatles.

Die Unterschriften unserer Eltern zur Schulentschuldigung konnten wir im Schlaf.

Zurück zu Sgt. Pepper. Dem Vernehmen nach soll das Album in der Bundesrepublik erstmals schon am 30. 5. erschienen sein. Wenige Tage später (entweder 1. oder 2. Juni) folgte dann die „Hör Zu“-Version (SHZE 401). Mit dem Innensleeve aus Pergament und den rosaroten Pop-Art-Streifen (siehe Scan).  Bei den späteren Apple-Pressungen existierte dann nur noch ein weißes Innensleeve.

Ebenfalls höchst faszinierend war der kartonierte Sgt. Pepper Ausschneidebogen im LP-Format (siehe Scan).

Der eigentliche Eyecatcher aber war ohne Zweifel das Sgt. Pepper Cover-Motiv. Sehr aufwändig und teuer und vorher soo nocht nicht dagewesen. Logistik und Herstellung des Covers sollen rund 3.000 Pfund verschlungen haben. Nur getoppt von der musikalischen Umsetzung dieses revolutionären und sogenannten „Konzeptalbums“: 700 Stunden Studiozeit, die letztendlich mit 25.000 Pfund zu Buche schlugen.

Die EMI-Finanzabteilung scharrte mit den Füßen. „Ein Fass ohne Boden“ soll es geheißen haben.
Erst hinterher merkte man: Es war ein Glücksfall! Das Album spülte Millionen Pfund in die Kassen von EMI zurück.

Die Idee zum Cover kam von Paul McCartney. Sein Freund Peter Blake und dessen Ehefrau Jann Haworth überwachten die Produktion. Michael Cooper fotografierte. Der Jahrmarkts-Maler Joe Ephgrave war für die künstlerische Gestaltung der Sgt. Pepper-Trommel verantwortlich.

Heute ist das Cover mit den vielen Prominenten (im Hintergrund auf Pappen montiert) selbst eine Ikone der Popkultur. Und wurde Jahrzehnte später auch als limitierte Picture Disc veröffentlicht (siehe Scan).

Kleines Apercu am Rande: John Lennon wollte 1967 unbedingt auch Adolf Hitler unter die Promis mischen, was jedoch von der EMI-Rechtsabteilung untersagt wurde. Verblüffenderweise taucht Hitler viele Jahre später im Booklet der CD auf Seite 7 – am rechten Rand im Studioschatten versteckt – trotzdem auf. John wird sich auf Wolke sieben vermutlich ins Fäustchen gelacht haben …

Hauptsache, der gesellschaftliche Diskurs reisst nicht ab, nicht wahr?

Ich empfehle dieses Buch insbesondere Neueinsteigern, die sich einen kompakten Überblick über das Album und den damaligen Zeitgeist verschaffen wollen. Verstehe es aber auch als perfekte Ergänzung zu George Martins Buch „Summer Of Love – Wie Sgt. Pepper entstand“ und dem „Beatles Lexikon“ von Rainer Bratfisch.

(Heinz W. Arndt)

Brian Southall
„Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.
Das Album, die Beatles und die Welt 1967.“
192 Seiten mit über 150 meist farbigen Fotos.
Gebunden
€ 29,95
ISBN 978-3-283-01281-6
Edition Olms, Zürich

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