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Motorpsycho – The Crucible

(yv) Google Übersetzer sagt: crucible (engl.) = Schmelztiegel. Aha. Mal sehen, wer hier wen oder was schmilzt, und welche Art von Amalgam dabei rauskommt.

Als ich von der Veröffentlichung der Platte hörte, war ich zunächst ein wenig überrascht, gerade mal anderthalb Jahre sind es nun nach der letzten Doppelscheibe aus dem Hause MP. Andererseits haben die Herren so vielschichtige Musik im Kopf und in den Händen, dass dieser Zeitraum ausreichend sein sollte, ein neuerliches Qualitätsprodukt abzuliefern und die immerzu wachsende Fangemeinde zu begeistern.

Die CD kommt im wertigen Doppel-Pappumschlag-Cover daher, schöne seidenmatte Druckqualität, ein mysteriöses Kunstwerk auf der Front, Hände, Gesichter, Pferdeköpfe wie im Todeskampf.

„Egypts hær drukner“ by Håkon Gullvåg steht im aufgeklappten Cover zu lesen. Etwas düstere biblische Thematik, die Reiterei des Ramses ersäuft im Schilfmeer…

Let the music play:

1. Psychotzar

Gitarre setzt ein, gefolgt von einem dicken, schweren Schaffell-Umhang aus Bass, der sich einem schon fast bedrohlich in den Nacken legt und runterdrückt, um mal bei der biblischen Bildprache zu bleiben. Aber die Gitarre bäumt sich auf und versucht den Bassdruck abzuschütteln.

Alles ist dicht und fett und mir als Laien ist es schier unmöglich, das ganze Instrumentarium auseinanderzudröseln, was hier zum Einsatz kommt. Ob teils Konserve oder alles echt? Schwer zu sagen. Ich höre Streicher, sind aber nicht als Künstler aufgeführt. Hmmm…

Ach ja, das alte MP-Mako holt mich wieder ein: es wird gesungen, aber ich hab keine Lyrics zum mitlesen. So gut ist mein Englisch dann leider doch nicht.

Ah, eben wird’s ruhig und fast nachdenklich, kurze Atempause bevor es beim Finale nochmal zur Sache geht.

2. Lux Aeterna

Ziemlich hoch gegriffener Titel, mal sehen, ob er halten kann, was er verspricht, nämlich „ewiges Licht“.

Blöde Frage, natürlich, es sind Motorpsycho.

Das Epos geht nämlich ziemlich genau dort weiter, wo die Vorgängerplatte „The Tower“ aufgehört hatte. ( exorbitante Lobhudelei nachzulesen hier: https://rockblogbluesspot.com/2017/09/09/motorpsycho-the-tower/#more-24624 )

Flöten, Streicher, das ganze Brimbamborium, komplexe, beateleske Musikerzählung ist das, mit anständig Schmackes auf allem was das Ensemble zu bieten hat, dann mal ein völlig abgefahrener Ausbruch à la Focus & Co für Fortgeschrittene zwischenrein, da kann es einem fast schon schwindelig werden. Symphonischer Hardspaceartrockwahnsinn oder sowas in der Richtung. Mittanzen im Takt wird hier wohl kaum möglich sein, das wäre dann schon Performance-Kunst oberster Kategorie und für den uneingeweihten erst-Motorpsychonauten ist dieser Track vielleicht zeitweilig schon ziemlich schwere Kost, aber ich find’s mal wieder total genial. 🙂

Eternal light, pure and clean and bright…

3. The Crucible

Let’s schmelz, fast 21 Minuten lang!

Sachter Einstieg mit flottem Übergang zu einem proggigen Parforce-Galopp, ab durch die Walachei,

4/4-Takt, was ist das? Da scheppern die Becken, da pluckert Bass, die Gitarre singt.

Oh ja, jetzt kapier ich den Namen des Albums und des Titels. Das ist fast wie eine Hommage an YES‘ „Relayer“, was hier abgeht. Drei Minuten drin, und es wird besser und besser. Die Saiten fliegen in Achtern und Schleifen und knoten sich im Kopf fest.

Das Eingangs-Versprechen des Songtitels wurde gehalten: Die Hirnschmelze setzt mehr und mehr ein, die Neuronen sind eingeschirrt in einer Quadriga mit Gitarre, Bass und Schlagwerk und mein Schädel schwingt und groovt mit.

Ein ruhigerer träumerischer Part mit Gesang zwischendrin, wie immer brilliant zwei- und mehrstimmig gesetzt. Artrock, Prog, von mir aus, was auch immer, die Definition bzw. Schublade ist eigentlich ziemlich egal, weil DAS Kunst ist, völlig wurscht wie man die benennen mag.

Hoppla, die Quadriga-Gäule sind nach einer Viertelstunde immer noch keine Spur müde und gehen mit den werten Herren erneut durch. Alles nochmal auf volle Register, ach wie genial. Landschaftsmalerei in Ton, Klang, allen Farben. Vom düster-schroffen Gebirge übers Meer bis zu samtig-grüner Hobbithöhle vor dem inneren Auge, es ist wieder alles dabei, dazu gibt’s Gänsehaut und geschlossene Augen, bitte bitte nicht aufhören!

„Love is found everywhere,

love is pure!“

Ja, ich bin verliebt.

Die CD ist aus, erster Gedanke: „Och schade…“

Zwar kann dieses weit kürzere Album meiner Meinung nicht vollständig den exaltierten blanken Wahnsinn von „The Tower“ fortführen, muss es aber auch nicht, ist ja auch immer Geschmackssache.

Als alleinstehendes Werk gesehen ist es schlicht ein weiteres geniales Motorpsycho-Output, das massig viel Spaß und Freude macht und ganz bestimmt nicht zum letzten Mal in meinem Laufwerk rotiert.

Kaufen! Kaufen! Kaufen!….(yvonne)

Motorpsycho sind

Tomas Järmyr – drums, percussion, vocals, Mellotron

Hans Magnus Ryan – guitars, vocals, piano

Bent Sæther – bass, vocals, guitars, Mellotron

Gäste

Susanna Wallumrød – vocals on Lux Aeterna

Lars Hortveth – reeds on Luc Aeterna

Deathprod – audio virus

http://motorpsycho.no/

Die Deluxe-Version ist ausverkauft, aber Standard-LP und CD sind noch hier erhältlich:

https://www.stickman-records.com/shop/motorpsycho-the-crucible/

Filed under: Album Reviews, Art-Rock, Classic Rock, Hardrock, Heavy Rock, Krautrock, Prog, Psychedelic, Rock, Space, ,

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