
(jm) Im April 2018 begegnet mir das OMER KLEIN TRIO zum ersten Mal live im Landsberger Stadttheater. Ein klassisches Jazztrio das auf mich gar nicht wie ein Jazztrio wirkte. Eher wie eine Rockband, nur ohne Gitarren, wenn ich mich an das sympathische Konzert mit Haggai Cohen-Milo am Bass, Amir Bresler am Schlagzeug und Omer Klein am Piano erinnere – soviel Witz, Spielfreude, Energie und Leidenschaft sprangen dort schon als wahres Funkenmeer auf das Publikum über.
Das Trio feiert gerade sein fünfjähriges Jubiläum Omer Klein und seine ebenfalls aus Israel stammenden Bandkollegen zählen nicht nur zu den versiertesten Jazzmusikern dieser Zeit – sondern auch zu den neugierigsten. Auf Basis des Jazz Stilgrenzen zu überwinden ist hier das Ziel, bis auch der Letzte merkt, dass Jazz nicht elitär oder old school ist, sondern oft wagemutiger als vieles, was einem auf den Spielfeldern Indie, Rock, Hiphop oder Pop begegnet.

Das dritte Album ist eine musikalische Liebeserklärung an das Mittelmeer. Die neun Stücke auf „Radio Mediteran“, alle von Omer Klein komponiert, die sie im Fattoria Musica-Studio bei Osnabrück einspielten, schlagen stilistisch einen weiten Bogen, der von Modern-Jazz-Klavierspiel bis zu Balkan-Einflüssen und arabischer Volksmusik reicht. Durch den erstmaligen Einsatz von Percussions und Synthesizern kommen diesmal weitere Aspekte hinzu. Dass diese abenteuerfreudige Mischung so gut funktioniert, liegt nicht nur an Kleins Klavierkünsten, sondern auch an der thematischen Klammer. Die neun Songs kreisen um das Mittelmeer. „Meine Band und ich haben einen sehr persönlichen Bezug zu diesem Meer: Wir alle sind in seiner Nähe aufgewachsen“, so Omer Klein. „Haggai, Amir und ich hören nach einem Konzert oft noch gemeinsam im Hotel Musik. Während der Tour zu „Sleepwalkers“ (dem zweiten Album) fiel mir auf, dass ein Großteil der Stücke, die wir uns vorspielten, aus Nordafrika, dem Balkan oder der arabischen Welt stammten.“ Diese Erkenntnis legte den Grundstein für „Radio Mediteran“. Omer Klein entwickelte eine Faszination für das Mittelmeer, studierte seine Geschichte, besann sich eigener Erinnerungen, ging den kulturellen Verbindungen und Vermischungen nach und hörte dabei immer wieder die Musik dieser Region. Dabei hat das Trio versucht, die Einflüsse aufzusaugen und in einen neuen, persönlichen Kontext zu bringen, um am Ende vielleicht gar ein neues Genre zu schaffen.



Und das funktioniert: Das Eröffnungsstück „Our Sea“ ist ein gutes Beispiel, wie „Radio Mediteran“ funktioniert. Omer Klein nimmt uns mit einem leichten Pianomotiv an die Hand, als zöge er uns an die Küste, steigt mit dem Einsetzen von Bass und Schlagzeug in den Himmel empor, kreist über Länder und Kontinente und zieht uns in einem atemberaubenden Schluss-Crescendo, bei dem auch Synthesizer und Percussions zum Einsatz kommen, ins Meer und unter die Wasseroberfläche. Omer Klein denkt dabei an all die Momente, in denen er in seiner Jugend am Strand stand, auf das Meer schaute und sich vorstellte, dass am anderen Ende ebenfalls jemand steht, mit ähnlichen Sorgen, Gefühlen, Gedanken.“ Auch wenn die Musik keine mit dem Zeigefinger fuchtelnde, politische Ebene hat, schwingt diese natürlich mit. Ihm geht es jedoch darum, den Menschen bewusst zu machen, dass uns mehr verbindet als trennt. Unsere Geschichte zeigt, dass sich verschiedene Kulturen im Mittelmeerraum gegenseitig positiv beeinflusst und befruchtet haben.

„Radio Mediteran“ hinterlässt den Hörer oder die Hörerin inspiriert, optimistisch und mit einem Lächeln im Gesicht. Auch wenn es dabei nur der Gedanke ist, endlich mal wieder ans Meer zu fahren, um die durch Musik ausgelösten Gefühle richtig zu spüren. Jeder, der Neugier auf neue Klänge verspürt, wird mit einer breiten Umarmung empfangen und dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Genre die Fans eigentlich kommen. „Ich beobachte, dass diese Berührungsangst immer mehr nachlässt“, sagt Omer Klein zum Abschluss. „Der Jazz, den Musikerinnen und Musiker aus meiner Generation spielen, scheint zunehmend Grenzen zu öffnen. Bei unseren Shows tauchen immer mehr junge Leute auf. Vielleicht sind wir ja tatsächlich in einer neuen Ära.“ Wenn die Berührungsangst beim Genuss des Tonträgers nicht nachlässt, sollte man es live versuchen – Gelegenheit dazu gibt es in diesem Jahr in Deutschland reichlich (Jens M.)

Tracklist:
1. Our Sea
2. Tripoli
3. Radio Mediteran
4. Sofia Baby
5. Desert Trip
6. Protest
7. Arak
8. Solois
9. Last Day of School
Tourdaten:
06.04.2019 Hamm, Kurhaus
07.04.2019 Krefeld, Neue Synagoge (Jüdische Kulturtage)
12.04.2019 Willich, Schloss Neersen
24.04.2019 Hamburg, Fabrik
25.04.2019 Hannover, Jazzclub
26.04.2019 Braunschweig, Roter Saal
10.05.2019 Regensburg, Theater
11.05.2019 Berlin, X-Jazz-Festival (Privatclub)
15.05.2019 München, Ampere
17.05.2019 Darmstadt, Centralstation
18.05.2019 Lüdinghausen, Burg Vischering
28.05.2019 F-Toulouse, Salle Nougaro
02.06.2019 Freiburg, Jazzhaus
05.06.2019 Düsseldorf, Schumannfest im Schumannsaal
06.06.2019 Germering, Stadthalle (solo)
04.07.2019 Weilburger Schlosskonzerte
07.07.2019 Bad Kissingen, Kissinger Sommer (Matinee)
26.09.2019 Bonn, Harmonie
11.10.2019 Viersen, Weberhaus
22.11.2019 Potsdam, Nikolaisaal (Doppelkonzert mit Omer Avital Quintett)
Kontakt:
https://www.instagram.com/omerkleinmusic/i
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