(jm) Jakob Karlzon ist ein schwedischer Jazzpianist und Komponist und bewegt sich in Stil, Anspruch und Kreativität in direkter Nachfolge des für mich inzwischen legendären Esbjörn Svensson. Karlzon spielt Jazz und denkt Rock, spricht mittels der Tasten seines Steinway-Flügels wie ein Philosoph – musikalisch anspruchsvoll, jedoch niemals sperrig und immer zum aktiven Zuhören einladend. Auch auf seinem neuen Album „Wanderlust“ versammelt er musikalische Expeditionen, anmutig, fließend und emotional-bewegend. Die Schönheiten seiner Piano-Melodien und Harmonien sind wie Gesangslinien, die aus seiner reichen Kompositionshistorie schöpfen und immer zeitgemäß und zeitlos klingen – nach Jazz, Elektro, Rock oder irgendwas dazwischen. „Wanderlust“ atmet Hoffnung und Abenteuer, die Musik ist voller Energie, und öffnet Räume für Liebe, Leidenschaft aber auch Diskurs.
Wer den ersten Noten des Eröffnungsstücks von „Wanderlust“ lauscht, entdeckt über einem zunächst zurückhaltend platzierten, elektronischen Beat ein kontemplatives Piano-Motiv, das im Verlauf zunehmend an Intensität gewinnt und direkt auf unser Herz zielt. Die Pulse legen an Erkennbarkeit zu, bevor ein improvisierter Piano-Part aus der Struktur ausbricht und ins Prog-Rock-artige Crescendo führt. „Art Of Resistance“ hat Karlzon die Einführung in sein neues Album genannt. Der Name des Stücks ist Programm. Es geht um Widerstand, um Musik als Opposition zur allgegenwärtigen Unterdrückung individueller Ansichten und Bedürfnisse.
„Subject To Change“ die erste Single – für mich eines der absoluten Highlights des Albums – bewegt sich zwischen Jazz und progressivem Rock und entfaltet eine unglaubliche Energie, die mich schon beim ersten Hören in den Bann zieht. Neben Karlzons musikalischen Weggefährten Morten Ramsbol am Bass und Rasmus Kihlberg an Drums und Percussion geben sich auf dem Album noch ein paar weitere Größen des Jazz die Ehre. Das Fragile unserer Existenz im Blick, spielt der norwegische Trompeter Mathias Eick im Verbund mit Karlzons Trio dem Mysteriösen des menschlichen Wesens in „Lullaby For Runaways“ zu. Eine Gruppe von Streichern mehrdimensioniert das elegische „Promises Kept“, dem Bassist Dominic Miller als Stimme der Hoffnung an Nylonsaiten beiwohnt.
In Teilen kantiger als sein letztes Album „Open Waters“ arrangiert, setzt Karlzon bisweilen Schönheit in den Kontext des genauen Gegenteils. Dank Jacob Karlzons immenser narrativer Fähigkeiten ist „Wanderlust“ von der ersten bis zur letzten Note eine Geschichte über Humanität, das Leben, die Freiheit und die konstruktive Kraft des menschlichen Geistes – angetrieben von pulsierender Magie, die reichlich Nachhall in unseren Seelen findet. Ein wirklich schönes Album – auch auf Doppelvinyl erhältlich (Jens M.)

Kontakt:
Wanderlust-Tour:
02.04.22 Regensburg – Theater
03.04.22 Ravensburg (venue steht noch nicht fest)
06.05.22 Basel (CH) – Festival
07.05.22 Dötlingen – Kultur hinterm Feld
16.07.22 Saarlouis – Vauban Insel
17.07.22 Hasbergen – Gaste Garage
Filed under: Album Reviews, Jazz, Jacob Karlzon - Wanderlust, Jakob Karlzon, Jazz, Piano-Jazz