Die Rettung des Menschen vor unserer kaputten Welt liegt am anderen Ende unseres Sonnensystems – oder unter der Erde …
(pe) Das Corona-Virus schreibt Weltgeschichte – und drei junge Männer aus Dresden mieten sich vier Monate in einen Bunker aus dem 2. Weltkrieg ein und beginnen, unter der Erde in absoluter Stille der Isolation durch das Virus musikalisch zu begegnen und nehmen dort ihr erstes Album „The Desert Echo And The Peyote Delusion“ auf.
Ihr Entfliehen aus der Isolation in die Weiten der Freiheit symbolisierenden Wüste (und teilweise gefühlt auch weit über irdische Fesseln hinaus in universelle Sphären) spiegelt sich im Artwork des Albums in Form einer langen, geraden Straße mitten durch ein Mad Max´sches Desert-Szenario wider und findet sich insbesondere im überwältigenden ersten, 10 Minuten langen instrumentalen epischen Song „Wolves of Saturn“ kopfkinogleich wieder.
Rich an Gitarre, Orgel und Synthesizer, Steffen mit Vocals, Schlagzeug und Saxophon, sowie Kolki an Bass und Gitarre schicken uns hier mit stilistischen Wechseln zwischen Desert- und Psychedelic-Rock auf einen Trip, der uns aus Wüstengefilden abheben und bis tief in den Weltraum schweben lässt. Die Vorstellung, dass dieser Song in der Enge eines Bunkers entstanden ist, belegt eindrucksvoll, wie stark das Sehnen nach Freiheit, Weite und Unbeschwertheit in der Seele des Menschen verankert ist und wie (in diesem Fall pandemische) Fesseln gesprengt werden können, um diese Ziele zumindest imaginär zu verwirklichen …
Der zweite Song „Eye of the Buffalo“ kommt eher als Rocker daher und reißt uns irgendwie schmerzhaft wieder heraus aus unserem schönen Tripping zum Saturn, und hier liegt meiner Meinung nach eine kleine Schwäche des Albums, wenn die sehr sphärischen instrumentellen Songstrukturen immer wieder unterbrochen werden von eher unruhig wirkenden gesangsgetragenen Parts. Vielleicht ist genau diese Unausgewogenheit aber auch Programm und soll das Auf und Ab, die Achterbahn der Gefühle, die wir alle während der Pandemie gespürt haben, musikalisch verdeutlichen.
„Escape to Mars“ führt uns, die angesprochene Wechselhaftigkeit fortführend, zunächst wieder in die sphärische Weite des Weltenraums, um gegen Ende mit ordentlich Fuzz und WahWah auf den Gitarren quasi mit Warp-Antrieb dem fernen Ziel des vierten Planeten unseres Sonnensystems entgegen zu rasen.
„Chile“ als vierter Song erdet den Hörer dann wiederum immens und ich traute beim Einsetzen des Gesangs meinen Ohren zunächst nicht, denn Steffen klingt, als hätte Mick Jagger sich kurz eine Auszeit in genau diesem Weltkriegsbunker genommen und ein paar Zeilen beigetragen. Die Ähnlichkeit ist frappierend. Nach der Stones´schen Einlage schlagen dann wohlig heftig wieder effektverzerrte Gitarren vom Feinsten zu und kulminieren in riffig-griffigem Hardrock.
„Fragile“ ist dann wiederum ein im Gesamtkontext des Albums eher fremdkörperartiger Song, der Garage-Rock getrieben gegen Ende in einer Grabesrede über einen gefallenen Soldaten und der bedrückenden Frage nach der Sinnhaftigkeit des Sterbens im Krieg endet. Thematisch natürlich mehr als berechtigt und passend in unser elendiges Heute mit dem Invasionskrieg Russlands gegen die Ukraine, und definitiv anregend, das Thema Krieg vom Standpunkt eines jungen Menschen zu betrachten, der all seine Hoffnungen und seine Zukunft opfern musste …
„Wofür???“ möchte man nach der Rede lauthals in den Raum schreien!
„Enceladus“ schließt das Album rein instrumental und ätherisch ab und bricht damit wiederum die Struktur: wie das Ende einer langen Reise, nach einer schmerzhaften Abkehr von der alten Heimat, scheint man auf den Klängen schwebend endlich am Ziel angekommen zu sein. Wikipedia informiert: „Enceladus ist der zweitinnerste von 62 bekannten Saturnmonden … Dort steigen hohe Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln weit über die Mondoberfläche auf.“ In der Ferne des Saturns scheint der Mensch endlich Frieden zu finden – raus aus der verwüsteten Erde, raus aus all den Missständen, die wir uns selbst erschaffen haben – raus aus der Wüste – und letztlich endlich auch raus aus dem Bunker!
„The Desert Echo And The Peyote Delusion“ ist für mich trotz der oben mehrfach erwähnten Unausgewogenheit in der Abwechslung der einzelnen Songs eine kleine Perle der bisherigen diesjährigen Veröffentlichungen, und ich freue mich darauf, was die drei Jungs erst aus ihren Instrumenten zaubern werden, wenn sie von sämtlichen Pandemie- und Bunker-Fesseln befreit aufspielen können!
(peter)
https://www.facebook.com/WolvesOfSaturn
https://wolfsofsaturn.bandcamp.com/album/the-deserts-echo-and-the-peyote-delusion
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