(js) Bekanntermaßen beginnen viele Märchen mit den Worten „es war einmal“. Und irgendwie waren exakt dies meine ersten Gedanken, als ich mich vor Jahren erstmalig mit Krissy Matthews‘ Vita auseinander setzte. Dreijährig wurde der norwegisch-britische Musiker erstmalig von seinem Vater zu dem Roy Orbison Klassiker „Pretty Woman“ mit auf die Bühne gehievt, um mit ihm einige Töne gemeinsam zu klimpern. Acht Jahre später, also 11-jährig, spielte er dann dem großen John Mayall vor, dessen Konzert er in Norwegen besuchte. Mayall nahm ihn gar mit auf die Bühne, um bei einigen Songs mitzuspielen. So beginnen wohl tatsächlich Karrieren.
Im Jahre 2004 kam er zur ersten eigenen Bandgründung, den „Krissy’s Blues Boys“. In dieser spielte er gemeinsam mit seinem Vater. Heute, also anno 2017, gehen mittlerweile fünf Studioalben auf sein Konto. Und – und da schließt sich dann endlich auch der Kreis – ein Livealbum. Im Rahmen seines Auftritts auf dem mittlerweile schon legendären „Freak Valley Festival“ im Jahre 2016 wurde sein Gig auf Vinyl gebannt. Und das ist auch gut so.
Los geht es mit dem Krissy Matthews Standard „Feeling For The Blues“. Dieser Song ist für mich eine tolle Botschaft an diejenigen, die der Meinung sind, der Blues sei doch nichts für junge Hüpfer. Mit Max Maxwells treibendem Schlagzeugspiel startet das Konzert fast schon als ein perfekter Jimi Hendrix Workout, wenn sich Krissys Soloparts vehement mit Sam Westons knallhartem Bassspiel zu duellieren scheinen. Welch ein musikalischer Kickstart, da scheint eine Band nicht ansatzweise interessiert, unnötige Zeit zu vergeuden. Und es geht mit einem so wunderbar dreckigem Riff direkt in „I’ve Been Searching“ über. Textlich eher ein Liebeslied, bietet er jedoch musikalisch ein Konvolut aus ekstatischem Gitarrenspiel und Maxs „powerhouse drumming“. Es ist nur allzu leicht vorstellbar, wie sich diese klangvolle Urgewalt über dem Publikum ausbreitet, als die Band dieses musikalisch „Monster“ von der Leine lässt.
Mit „All Night Long“ wird dann erstmalig ein wenig der Fuß vom Gas genommen. Schöne Rhythmuswechsel bestimmen diesen Song, dem daraufhin ein Cover des bereits im Jahre 1959 verstorbenen, und in unseren Gefilden nicht ganz so bekannten, Blind Willie McTell folgt. „Searching The Desert For The Blues“ bietet Matthews dabei ungeahnte Möglichkeiten, sein unglaublich feines, fast schon ein wenig zartes, Gitarrenspiel unter Beweis zu stellen. Zu Beginn des Songs „Language By Injection“ dann schreit Krissy ein „Are You Ready To Rock?” in die Menge, bevor eindrücklich unter Beweis gestellt wird, dass ein melodischer Vers sich wunderbar auch mit kreischenden Soli verträgt. Obwohl grundsätzlich im traditionellen Blues beheimatet, zeigt sich hier sehr trefflich, dass die Band doch auch tief im „Heavy Blues“ von Blue Cheer oder auch Led Zeppelin verwurzelt ist. Und dieser krächzende Gitarrensound, aufgedreht auf 11 (thanks, Nigel Tufnel), sorgt immer wieder für ein unglaublich lebhaftes Live-Set.
Das folgende „The Soul Will Never Die“ ist ein wunderschöner Tribut an B.B. King, den Krissy vor einigen Jahren noch einmal persönlich kennenlernen durfte. Die Geschichte, dass er einen persönlichen Brief in extrem großen Lettern ausdruckte und vor einem Konzert auf der Bühne neben BB‘s Stuhl platzierte, hat wohl alle emotionalen Zutaten, die solche Legenden benötigen. King las die Zeilen, lud ihn zu einem Hallo auf die Bühne ein und unterhielt sich nach dem Gig noch einmal knapp 20 Minuten über Gott, Musik und die Welt mit ihm. Nach diesem Treffen erblickte jenes „The Soul Will Never Die“ das Licht der Welt. Gleichzeitig ist dieses Ereignis aber auch einmal mehr ein eindeutiges Indiz für den Großmut und die Großzügigkeit Kings wie aber auch die Hartnäckigkeit Matthews‘, die dieser zeitlebens an den Tag legte. Und steht gleichwohl im gleichen Maße für den mit Krissys leidenschaftlichem Gitarrenspiel unterlegten Slow Blues dieses Achtminüters.
„Bad Boy“ steht dann eher wieder für den stark Hard Rock orientierten Blues. Auch hier spielt sich Max am Schlagwerk wieder die Seele aus dem Leib als gäbe es kein Morgen und Krissys ohnehin breitgefächerte Stimme besticht hier durch einen leicht echo-geladenen Klang. Das starke Set endet dann mit der zweiten Coverversion. Wenig überraschen ist dies ein Song von Jimi Hendrix. Und zwar „Freedom“. Dargeboten allerdings in der Steve Lukather Fassung. Man sagt, dass Matthews mit diesem Lied vor Jahren erstmalig im deutschen TV konfrontiert wurde. Und zwar, als eben jener Lukather diesen spielte. Seitdem ist er begeistert von „Freedom“, obwohl er selbst erst später entdeckte, dass dieser von Hendrix‘ „Isle Of Wight“-Album stammte. Auf seine ihm eigene Art und Weise macht er „Freedom“ zu einem härteren, energischeren Lied, ohne sich dabei aber respektlos gegenüber der Essenz des Original zu verhalten. Wahnsinns Nummer einmal mehr.
Gerade einmal 25-jährig besitzt Krissy Matthews meiner bescheidenen Meinung nach heute schon die Reife und das Gefühl eines Blues-Gitarristen, die man eher Musikern zuspricht, die um ein Vielfaches älter sind, als er selbst. Und das stellt er auch mit diesem „Live At Freak Valley“ Album ohne Wenn und Aber unter Beweis. Sein Spiel elektrisiert durch alle acht Songs hindurch und ist ein neuerlicher, eindrucksvoller Beweis für die unglaublich hohe und ausgefeilte Qualität seines bis heute währenden Schaffens. Kein ernsthafter Anhänger seiner Musik sollte den Fehler machen, sich dieses Album nicht ins eigene Regal zu stellen. Zumal es für die ehrliche Musik der Band steht. Ohne studiotechnische Nachbearbeitung bekommt man nämlich hier die volle, rohe und nicht nachpolierte Breitseite.
Krissys musikalischer Werdegang begann 1995, 3-jährig, mit einem Song des unvergessenen Roy Orbison und endet auf diesem Longplayer mit einer eigenen Fassung eines Jimi Hendrix-Klassikers. Was mehr soll man also über diesen Jungen noch sagen? Außer vielleicht, dass aus diesem Holz große Künstler geschnitzt sind. Und zwar musikalisch wie ebenso menschlich.
Tracklist:
01. Feeling For The Blues
02. I’ve Been Searching
03. All Night Long
04. Searching The Desert For The Blues
05. Language By Injection
06. The Soul Will Never Die
07. Bad Boy
08. Freedom
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