(hwa) Tom Redecker plus alternierender Band hauen wieder Mal ein bejubeltes Livekonzert raus. Diesmal in Form einer als Jamsession konzipierten Tournee in 2014, die in Bremen in einem fulminanten Abschlusskonzert gipfelte. Das war ursprünglich nur als weltweit streng limitierte Vinylversion zu haben. Aufgrund der enormen Resonanz gibt es jetzt zusätzlich auch die entsprechende CD mit Bonustracks. Logo, dass ich begeistert bin…
Und kriege erneut Schluckbeschwerden. In dem Sinne, dass mir wieder mal die Spucke wegbleibt. Vor einer nicht erlahmenden musikalischen Potenz von Tom „The Perc“ und seiner kongenialen Bandgefolgschaft. Was die zusammen immer wieder neu stemmen ist Krautrock und Ethno at its best. Eine Mucke, die sich immer wieder frisch durch Tom & Band erneuert bzw. weiterentwickelt.
Tom Redecker und Harry Payuta, ein verlässlicher Kumpel aus ganz frühen Electric Family-Tagen, fanden die Idee reizvoll, zum einen eigene Titel live neu zu entwickeln und zum anderen, völlig neue Songs direkt auf der Bühne entstehen zu lassen. Von daher musste die Band eine Jam-Band sein mit Musikern, die sich darauf verstehen, spontan auf ein musikalisches Thema einzugehen und dieses im Verbund mit den Mitspielern in neue Höhen zu hieven.
Tom Redecker holte sich dazu den Dissidenten-Drummer Marlon Klein und seinen langjährigen Begleiter Jochen Schoberth (Gitarre) und weitere Brüder im Geiste mit ins Boot. (Das komplette Lineup am Ende dieses Artikels.)
Was soll ich sagen? Es hat prächtig funktioniert! Payuta eröffnet den Set mit „Out of India“ und ist damit der bestmögliche Opener. Ein Sitarfeuerwerk vom Feinsten. Danach geht es nahtlos in “Lighthouse“ über, einen Song, der durch den Text und Redeckers Bariton stilles Seufzen und intensive Melancholie verströmt. Und die Band setzt den kongenialen Rahmen. Ein weiteres Highlight.
Es folgt ein Song, der mich und Tom und viele Andere 1966 mächtig beeindruckt hat: „Et moi, Et moi, Et moi“, von Jacques Dutronc interpretiert und getextet. Ein typischer Dutronc-Song, weil exakt das, was Dutronc auszeichnet, nämlich seine Lakonik und ironisierende Distanz, nach vielen Jahren wieder mal deutlich wird.
Das hatte damals nicht unbedingt jeder drauf, mit Ausnahme von John Lennon vielleicht, Bob Dylan oder Dave Davies von den Kinks. By the way: Der Dutronc-Song klingt in seiner formalen Stringenz wie ein vorweggenommer Rap aus der Beat-Ursuppe der 1960er Jahre. Bob Dylan toppte es noch und haute mit „Subterranean Homesick Blues“ in die gleiche Kerbe.
Bloß: „Rap“ als Deutungsbegriff existierte damals noch gar nicht. Dann doch eher – falls überhaupt – als „Slam Poetry“.
Sun Temple Circus verwandelt „Et Moi, Et Moi, Et Moi“ in eine umwerfende Rockversion. Underground könnte man es fast schon nennen. Best Cover ever! Die Tracks vier bis sechs sind in der Tat Jams allererster Güte und runden ein Album ab, das unbedingt gehört gehört.
Tom Redecker plus Band sind nach wie vor Leuchturm und sicherer Hafen in wahrhaft stürmischen Zeiten musikalischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Und deshalb steht „Lighthouse“ – sowie das gesamte Album – wie ein Fels in der Brandung.
Bitte unbedingt am Ball bleiben, Tom, und weiter vehement gegen den Strom schwimmen. Deine Liebe zu Psychedelic, Krautrock und Ethno ist Oase und Manna zugleich und befördert gerade in diesen Zeiten vielbenötigte Vielfalt.
(Heinz W. Arndt)
Sun Temple Circus „Sun Temple Circus“
Tribal Stomp Records TS 523
A Division of Shack Media
Im Vertrieb von Cargo Records
VÖ: 26. Oktober 2018
Lineup:
Tom Redecker – vocals, 12 string guitar, keyboards
Harry Payuta – bass, sitar, backing vocals
Marlon Klein – drums, percussion
Jochen Schoberth – electric guitars
Associate Musicians:
Alpha Halley – keyboards (# 4)
Uli Bösking – mandola (# 2, 4)
Peter Apel – electric guitar (#5)
Tony McLoughlin – vocals (#5)
Thomas Blumensaat – drums (#6)
Tracks:
01 “Out Of India” (6:06)
02 “Lighthouse” (10:15)
03 “Et Moi, Et Moi, Et Moi” (5 :15)
04 “Sun Madness” (14:10)
05 “Sun Killer” (7:40)
06 “Slide Out, Slide In” (6:18)
Filed under: 60s, Album Reviews, Classic Rock, Experimental, Jam, Krautrock, Sun Temple Circus – Sun Temple Circus