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Marc Amacher – Roadhouse

(hwa) Er kam wie Phönix aus der Asche, damals in 2016 bei „The Voice of Germany“. Der Schweizer Bluesenthusiast Marc Amacher platzte hinein und setzte innerhalb von wenigen Minuten den Saal in Brand. Vor Begeisterung, wohlgemerkt! Und die vier Juroren, die ja mit dem Rücken zum Interpreten saßen, waren gleichermaßen aus dem Häuschen. Jeder wollte Marc im Team haben. Und aktuell erscheint mit „Roadhouse“ ein Album, das in der Schweiz, Österreich und Deutschland und hoffentlich auch weltweit Bluesrockgeschichte schreiben wird…

Amacher kam ins „The Voice of Germany“-Finale und wurde Zweiter. Aber den Zuschauerpreis, den er gewann, kann ihm keiner nehmen. Genau so wenig wie sein aktuelles „Roadhouse“-Album. Es ist der Nachfolger des Erstlings „8 Days“ und ein bemerkenswerter Quantensprung in die Weltklasse. In 2016 war mir schon klar, dieses Genie unbedingt im Auge bzw. im Ohr zu behalten. Und das, was aktuell ab dem 18. April vorliegt, ist der Hammer und rechtfertigt alle Vorschusslorbeeren.

Nach „8 Days“ soll eine erdige, ungeschliffene Platte, die Amachers musikalische Vorlieben und seinen authentischen Charakter widerspiegelt, produziert werden. „Roadhouse“ wurde dieses Album. Welch ein Glücksfall!

„Roadhouse“ passt zum Entstehungsort der Platte: Mit einigen gleichgesinnten Musikern, mit denen Amacher im Rahmen von 8 Days besonders gut harmoniert hatte, kommt er in einer leerstehenden Gaststätte in seinem Geburtsort zusammen. Und kurzerhand wurden die Räumlichkeiten in ein Tonstudio umgewandelt,, weil sich vermutlich alle dort wohlfühlen – ich sach nur: Heimat! Dann werden innerhalb von zwei Tagen 17 Titel aufgenommen, wovon 13 auf dem Album erscheinen. Auf einem „Livealbum“ möchte man fast sagen – denn „Roadhouse“ ist ohne Overdubs oder sonstigen Studiofirlefanz zustande gekommen. Hier hört man lediglich vier Musiker, die sich gegenseitig pushen und bemerkenswerte Dynamik an der Schnittmenge zwischen Blues und Rock kreieren.

Amacher & Band haben den Blues inhaliert. Und zwar so intensiv, dass man sie dann doch eher nicht spontan in der Schweiz verorten würde. Sie klingen wie ein wohltemperierter Durchlauferhitzer des elektrifizierten Blues – egal, ob Chicago, Delta oder New Orleans – Marc und Band haben die ganze Palette drauf. Natürlich auch Texasrock bzw. den dynamischen Rock an der Nahtstelle zum Boogie, Shuffle oder was auch immer.

„Ich wollte nie der schnellste Gitarrist sein oder derjenige, der ein Stück am besten 1:1 nachspielen kann. Ich war immer auf der Suche nach Eigenständigkeit“, beschreibt es Marc. Aber: Indem er indirekt vielerlei Einflüsse in seine Songs reinfließen lässt – von John Lee Hooker und R.L. Burnside, Bo Diddley über Jack White bis hin zu Motörhead oder AC/DC – erreicht er dieses Ziel mit Kusshand.

Ich möchte behaupten, dass wenn man einem erprobten Musikkritiker nur die Titel von „Roadhouse“ vorspielt – ohne zu sagen, dass indirekt auch die Schweizer Berge involviert sind – er dann doch eher auf den Blues aus den Staaten tippen würde. Meine Rede! Dieses „Roadhouse“-Album hat Weltstandard. Marc’s kratzige, sonore Stimmlage und seine Blueslicks, in Verbindung mit seinem genialem Gitarrenpartner „Phipu“, könnten selbst ZZ Top zuweilen durchaus alt aussehen lassen.

Ich möchte es nicht übertreiben: Aber wenn sich Marc dazu entschließen würde, sich einen ähnlich langen Kinnbart wie „Phipu“ wachsen zu lassen – um dazu noch ein einen schwarzen Bowlerhut aufzusetzen – wären die schweizerischen ZZ Top geboren. Aber gemach: Denn einerseits bestehen ZZ Top nur aus drei Musikern und andererseits ist die Bandbreite von Amachers Powerjungs im Zweifel sogar noch größer als die von ZZ Top. Weil Marc himself und seine kongeniale Backingband irgendwie noch mehr strahlen. (Die einzelnen Namen siehe bitte weiter unten unter „Musicians“.)

Wenn man sich die CD mehrere Male zu Gemüte führt – ich glaub, ich hab sie schon mindestens 15mal gehört – ist das Fakt. Das einzige Manko – falls überhaupt – ist das Booklet mit den fehlenden Linernotes. Als Rezensent hat man dadurch letztlich die Arschkarte und muss sich auch noch um die Recherche der Autoren kümmern.

Bei „Ride On“ von AC/DC war’s ja relativ klar und insbesondere auch bei „Smokestack Lightning“ von Howlin’ Wolf. Abgesehen von „Death Letter“, den der Waschzettel zur CD als Coverversion „verkauft“ – ohne irgendwelche Namen zu nennen. Wie sich aber – alleine schon durch den unterschiedlichen Text – herausstellt, ist es tatsächlich ein originärer Track von Marc und eben nicht von Son House.

Anyway: Alles wird gut. Denn wie mir Thorsten Ilg von Jazzhaus Records, wo „Roadhouse“ erscheint, versicherte, würden in einer zweiten Auflage die geschilderten Geburtsfehler selbstredend korrigiert. Na, immerhin! Aber auch das Management von Marc Amacher und Marc himself kooperierten spontan und schnell. Das stimmt ja durchaus positiv.

Nun gut, die lässlichen Fehler hätten bei dieser CD nicht sein müssen. Können aber letztlich dieses geniale Album in ihren Grundfesten nicht erschüttern. Es ist für mich – neben der Andreas Diehlmann Band „Live 2019“ (hier nachzulesen) ein Bluesrockhighlight dieses Frühlings. Und „Roadhouse“ eine Perle aus der Schweiz, die hoffentlich weltweit strahlen möge. Verdient hätte sie es allemal.

Noch kurz zu meinen Titelfavoriten auf dieser CD: Eigentlich alle! Schwierig, schwierig, sich festzulegen. Aber die Coverversionen von “Ride On“ und „Smokestack Lightning“ haben noch mehr Dynamik als die Originale und spiegeln nicht zuletzt das eigentlichen Genie von Amacher und Band wider. Nach dem Motto: Sie machen ihr ganz eigenes Ding draus! Und mit was? Mit Recht!

„Grandma“ hätte auch durchaus auf den „American Recordings“ von Johnny Cash auftauchen könen. Aber letztlich krönt für mich „Open Window“ in dieser mitreissenden Uptempo-Gitarrenversion mit „Phipu“ das Album. Aber nur knapp. Denn das Übrige ist ebenfalls so gut wie „outstanding“!

Ich wünsche der Amacher Band mit obigem Album einen Riesenerfolg. Weltweit.

(Heinz W. Arndt)

Marc Amacher „Roadhouse“

Jazzhaus Records JHR 170

13 Tracks

Laufzeit 55:08 min

VÖ 18. April 2019

Musicians:

Marc Amacher  – Gesang, Gitarre, Harp

Philipp „Phipu“ Gerber – Gitarre, Backing Vocals

Jürg „Jüre“ Schmidhauser – E-Bass, Kontrabass

Christoph “Chrigu” Berger – Schlagzeug

Tracklist:

01 Roadhouse
02 Kid
03 Jack Driver
04 Ride On
05 Smokestack Lightning
06 Valley Of Tears
07 Death Letter
08 Grandma
09 Open Window
10 Down With The Blues
11 Bluesman
12 Good Old Rock’N’Roll
13 What She Says
(hwa)

Filed under: Album Reviews, Blues, Bluesrock,

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