
(jm) Auch wenn der RockBlogBluesSpot den Jazz nicht explizit im Namen trägt, haben wir längst alle Genreschubladen verlassen, wenn ich einen Blick auf das Archiv unserer Rezensionen der letzten Jahre werfe. Dieser Gedanke kommt mir, während ich die Musik von IKARUS zum ersten Mal erlebe. Und nachdem ich das Album «Mosaismic» mehrmals gehört habe, weiß ich: Das passt irgendwie in keine Schublade, auch wenn es als «Contemporary Groove Jazz» beschrieben wird. Also versuche ich gar nicht weiter, eine zu finden. Denn das, was man hier zu hören bekommt, ist wirklich etwas Besonderes. Der Titel MOSAISMIC entspringt der Kombination der Wörter „Mosaik“ und „Seismik“. Mosaik impliziert eine Reihe unabhängiger Elemente, die zusammen ein Muster oder ein Bild ergeben. Seismik hingegen bezeichnet die Energie in Form von Schwingungen, die durch Bewegung, Kollision oder Reibung von Landmassen freigesetzt werden.
Wenn alle MusikerInnen ihre Ideen klar zum Ausdruck gebracht haben und das Ohr von diesen einzelnen Teilen wegzoomt, entsteht etwas Größeres und Schöneres. Zuweilen stoßen unsere Meinungen wie tektonische Platten zusammen und dies führt zu produktiven Erdbeben. Die dabei freiwerdende Energie wurde auch auf der Aufnahme festgehalten, was im Hörer definitiv nachhallt. – so Schlagzeuger und Komponist Ramón Oliveras
Der einzigartige Sound von IKARUS basiert auf kontinuierlich permutierenden Polyrhythmen, treibenden Grooves, organischen Improvisationen und einer außergewöhnlichen Mischung aus männlichem und weiblichem Gesang. Ihre Kompositionen entwickeln sich dank ihrer Live-Shows ständig weiter und lassen sich in neuen Versionen auf ihren Alben wiederfinden. IKARUS nennen als Einflüsse so weitreichende Namen wie wie Morton Feldman, Meshuggah, The Knife, Craig Taborn oder Steve Reich, aber auch traditionelle Rhythmen aus Westafrika. Bis heute veröffentlichten sie drei Alben (inklusive MOSAISMIC) bei dem – von mir sehr geschätzten Schweizer Jazzmusiker Nik Bärtsch und seinem Label Ronin Rhythm Records und tourten ausgiebig durch Europa und Japan.
Das Album ist ein Werk voll wunderbarer Kontraste. Es lässt organische Formen wachsen und stellt diesen plötzlich verwinkelte Räume und sperrige Rhythmen entgegen, ähnlich einem modernen, urbanen Architekturstil, um eine visuelle Metapher zu bemühen. Es gibt Ruhe und Harmonie, dann wieder eruptive Ereignisse und dichte Momente. Aus kompositorischer Sicht tendieren die Stücke zu klaren linearen Melodien, die kontrapunktisch gegeneinander geschrieben sind. Während sie sich entwickeln, produzieren sie ständig neue harmonische und rhythmische Beziehungen. Der Effekt ist ein sich ständig veränderndes Mosaik, eine Art Klangmobile.

Das Material zu den Stücken entstand während meines 14-monatigen Aufenthaltes in Berlin. Ich habe zu dieser Zeit viel elektronische Musik gehört und hatte auch die Gelegenheit, sie in riesigen ehemals industriellen Räumen wie z.B. im Kraftwerk oder im Berghain zu erleben. Man hört diese Inspiration unter anderem in Meridian oder der neuen Version von Sub Zero. In São Paulo habe ich der Musik den letzten Schliff gegeben. Die verspielte brasilianische Architektur von Oscar Niemeyer und Lina Bo Bardi und all die lokalen Rhythmen, denen man ständig ausgesetzt ist, beeinflussten die Stücke. Man kann dies unter anderem in Mondrian, Oumuamua oder der neuen Version von Ligulin nachvollziehen. – Ramón Oliveras
MOSAISMIC wurde in drei langen Tagen im Studio Fattoria Musica in Osnabrück aufgenommen und von Nik Bärtsch co-produziert. Unmittelbar vor der Session reiste die Band für eine Reihe von Konzerten durch Deutschland. Diese Live-Präsenz ist auf der Aufnahme zu spüren. Wer die Musik gerne über Kopfhörer aufsaugt, wird möglicherweise einige Kuriositäten entdecken: Das Knistern eines Kaminfeuers, rasselnde Ketten auf den Pianosaiten, ein E-Bow…
Für Ikarus sind Studioaufnahmen eher ein Abbild des aktuellen Standes. Besucht man eines unserer Konzerte in einem Jahr, dann werden die gleichen Stücke schon ganz anders klingen als noch auf dem Album. Die Idee einer ständigen Evolution des Materials wurde für mich in den letzten Jahren immer wichtiger. Manchmal wünschte ich mir sogar, diese Platte enthielte nicht so viele neue Songs. – erklärt Ramón Oliveras lachend.
Die Musik von IKARUS gehört zu der Sorte, die mit jedem Hören wächst und in der man ständig neue Facetten und Nuancen entdeckt. Es lohnt sich, in diese Welt einzutauchen, wie in ein fremdes, geheimnisvolles und andersartiges musikalisches Universum. Ich hoffe sehr, dass das Quintett bald wieder auf Tour kommt, um dieses Universum auch live kennen zu lernen. Ich denke das lohnt sich… (Jens M.)

Eine Auswahl von Pressestimmen über Ikarus:
Die Stücke von Ikarus entfalten eine magische Anziehungskraft. – NDR, Album der Woche (DE)
Quality writing, flawless performances and a resplendently detailed production. A significant release indeed.
– Sid Smith, Prog Magazine (UK)
Fantastic, phantasmagoric, and masterful in its nonchalance, Ikarus is a complete musical experience.
– Bewertung 5/5, Bud Kopman, Allaboutjazz.com (USA)
Wie in einem musikalischen Luftschloss. Mit allergrösster Sorgfalt konzipiert. – Tagesanzeiger (CH)
Der Zuhörer erlebt in gelassenem Gleitflug ein einmaliges Hör- und Sinneserlebnis. – Rondo Magazine (DE)
This band is unique. It‘s great fun to listen to their music. – Real & True (JP)
Discography:
Mosaismic / 2019, Ronin Rhythm Records 022 / Release: 5. April 2019
Chronosome / 2016, Ronin Rhythm Records 016 / Release: 24. November 2016
Echo / 2015, Ronin Rhythm Records 014 / Release: 26. March 2015
Vertriebe aller Alben: Irascible (CH), Galileo (DE), Challenge (Welt)
Das Quintett IKARUS besteht aus Ramón Oliveras (Komposition, Schlagzeug), Anna Hirsch (Gesang), Andreas Lareida (Gesang), Lucca Fries (Klavier) und Mo Meyer (Kontrabass).
Reinhören und in Kontakt bleiben:
Kontakt: contact@ikarus.band
Offizielle Page: www.ikarus.band
Facebook: www.facebook.com/ikarusonline
Youtube: www.youtube.com/musikikarus
Label: www.roninrhythmrecords.com
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