(tn) Die Schweizer Band aus Winterthur hat ein neues Album aufgenommen und ist auf „Grief, Roses & Gasoline“ (Link zum Review) mit einem sehr frischen Sound am Start, sehr viel rockiger, ein bisschen punkiger und weniger in Richtung Stoner Rock tendierend. Vielleicht macht sich da die Nähe zu den großartigen „24/7 Diva Heaven“ bemerkbar, mit denen sie noch unlängst unterwegs waren. (Link: „On tour with 24/7 DIVA HEAVEN & HATHORS 2019“ https://www.youtube.com/watch?v=kh7M9Mp6a1M)
Nachdem man sich auf dem „Up In Smoke“ im Oktober 2019 von der Durchschlagskraft und der Spielfreude der Band überzeugen konnte, scheint diese Energie mit in die Studioarbeit für das neue Album eingeflossen zu sein. Zur aktuellen Situation, dem neuen Album und ihren Plänen konnten wir Marc Bouffé, Gesang und Gitarre bei den „Hathors“, ein paar Fragen stellen.
Tom: Hallo Marc, danke das Du dich bereit erklärt hast im Rahmen der Veröffentlichung eures neuen Albums ein paar Fragen zu beantworten. Für die, die euch noch nicht so kennen, zuerst einmal die Frage nach dem Bandnamen. Wie seit ihr dazu gekommen?
Marc: Die Göttin Hathor aus der ägyptischen Mythologie war auch die Totengöttin, Göttin der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes und der Kunst und Musik. Sie war auch die Herrin der Trunkenheit. Die Hathoren (Englisch Hathors) waren Tänzerinnen, Sängerinnen, Musikerinnen und dieser Begriff bezeichnete später weissagende Frauen und Prophetinnen. Das passt irgendwie zu einer Rock Band.
Tom: Es hat in jüngster Zeit eine Änderung im Line-Up gegeben! Hast Du dazu ein paar Informationen für uns?
Marc: Ja, seit zwei Jahren ist Dominique Destraz am Schlagzeug. Ich kenne ihn durch die Band „Death Of A Cheerleader“, bei der ich als Gitarrist für eine kurze Zeit aktiv war. Wir hatten schon seit längerem die Idee, einmal ein gemeinsames Projekt zu starten. Als wir dann auf der Suche nach einem Drummer waren, war eigentlich klar, dass ich bei Dominique anklopfen werde. Es brauchte keine drei Proben, bis wir die erste Show mit ihm spielten.
Marco Naef spielt aktuell den Bass. Ich kenne Marco aus seiner vorherigen Band „Navel“, die es leider nicht mehr gibt. Wir hatten in der Vergangenheit Gigs miteinander gespielt und kannten uns bereits. Als wir auf der Suche nach einem neuen Bassisten waren, schrieb er uns an und nach ein paar Proben war klar, dass wir mit ihm weiter machen wollen.
Tom: Mit der Änderung im Line-Up geht ja manchmal auch eine leicht stilistische Verschiebung im Sound der Band einher. Was waren hier in der Vergangenheit die markantesten Veränderungen?
Marc: Das Debütalbum von „Hathors“ hatte neben dem Rotz sehr viel Popappeal und wurde mit einem großen Team produziert. Dies war eine sehr kostspielige Angelegenheit und wir brauchten sechs Jahre, um die angehäuften Schulden zu begleichen. Live kamen die Songs aber wesentlich energiegeladener daher, was viele Fans irritierte, die vorher das Album gehört hatten und zum ersten Mal an einer Show von uns waren.
Aus diesem Grund wurde das zweite Album „Brainwash“ mit einem sehr kleinen Team ohne großen Schnickschnack rundherum live im eigenen Studio aufgenommen. Im Vergleich zum ersten Album hat „Brainwash“ viel mehr Ecken und Kanten, klingt roh und will eigentlich gar nicht gefallen. Popappeal war dazumal kein Thema. Das hat auch richtig Spaß gemacht, weil wir die Grenzen zum Hörbaren ausreizen wollten.
Das dritte Album „Panem Et Circenses“ war dann sozusagen eine Hybrid-Version von den ersten zwei Alben. Außerdem kam bei den Aufnahmen ein Saxophon hinzu. Wir produzierten die Drums und Bass im Brighton Electric Studio mit einem kleinen Team. Gitarren, Saxophon und Gesang wurde von mir im eigenen Studio produziert. Das Album klingt fetter als „Brainwash“, kratzt immer noch wie Sau, will aber etwas mehr gefallen als sein Vorgänger. Auf dem Album ist sicherlich auch der Schlagzeuger-Wechsel zu hören.
Bei „Grief, Roses & Gasoline“ spielt eine komplett neue Band hinter mir. Die Songs sind, wie bei den vorherigen Alben auch, alle von mir geschrieben worden. Die Songs klingen reifer und wurden von allen in der Band bearbeitet. Dies ist sicher auch dem Know How von Dominique und Simeon zu verdanken. Dominique ist auch ein Produzent und konnte sich neben dem hervorragenden Drumming auch produktionstechnisch einbringen. Da Simeon in den USA aufgewachsen ist, war er mir als Muttersprachler bei den Texten eine große Hilfe.
Tom: Eure Verwurzelung im Grunge ist unverkennbar. „Soundgarden“ gehört auch zu den großen Einflüssen, oder?
Marc: Ja klar. In meiner Teenager Zeit hab ich mir „Soundgarden“ intravenös verpasst und hörte die Alben rauf und runter. Ich finde die stilistische Entwicklung zwischen „Screaming Life“ (1987) / „Fopp“ (1988) bis zu „Superunknown“ (1994) sehr interessant und höre mir die ersten Alben genauso gerne an wie auch die Späteren.
Tom: Stilistische Einflüsse sind vielfältig und verändern sich. Was beeinflusst Dich aktuell besonders in Bezug auf den Sound der „Hathors“?
Marc: Ich denke am meisten beeinflusst mich meine aktuelle Lebenssituation, wenn ich an Songs arbeite. Die verändert sich von Tag zu Tag. Frustration und Kummer bringen meist andere Ideen zum Vorschein als Harmonie und Liebe. Da aber für mich verschiedene Gefühlszustände zum Leben gehören, dürfen die Songs von „Hathors“ auch unterschiedlich klingen. Klar gibt es auch Bands und Künstler aus verschiedensten Stilrichtungen, die mich beeinflussen.
Tom: Die Coverart von euren Alben ist sehr auffällig. Wer steckt hinter dem Design? Wie habt ihr zueinander gefunden?
Marc: Die Künstler fürs Albumcover hab bisher ich ins Boot geholt. Ich muss aber dazu sagen, dass es meist Leute waren, die wir durchs Touren mit der Band kennen gelernt haben. Das Foto für das Album „Brainwash“ wurde vom Fotografen Mehdi Benkler geknipst, der manchmal mit uns auf Tour war. Beim Album „Panem Et Circenses“ war es Kit Brown und Dejan vom Künstlerkollektiv „A Kaleidoscope of Nothingness“, die schon beim Video für „Brainwash“ und bei diversen Gigs die Locations dadaistisch dekoriert hatten. Beim letzten Album kollaborierten wir mit Steve Gullick, der in der Vergangenheit schon das Video für Every Night gedreht und die Promo-Fotos für „Brainwash“ und „Panem Et Circenses“ geschossen hatte. Auf Steve bin ich gestoßen, weil mir das Video zum Song „Wire Fram Mattress“ von der englischen Psych Noise Band „The Wytches“ sehr imponierte. In den Credits vom Video fand ich seinen Kontakt und drei Monate später war er in Winterthur für ein Video- und Photo-Shooting.
Das Cover und die Bilder fürs Album Artwork von „Grief, Roses & Gasoline“ wurde während den Videoaufnahmen für die Single „Where Were You“ geschossen. Für das Video hatten wir den ganzen Proberaum in Alu Folie eingekleidet und ein Künstlerkollektiv eingeladen, mit welchen wir eine dadaistische Performance in Leoparden-Ganzkörperanzügen ausheckten. Die Performance-Gruppe und der Hintergrund aus Alu ist sowohl auf dem Artwork, wie auch im Video Clip zu sehen.
Tom: Worauf legt Ihr beim Album besonderen Wert?
Marc: Ich finde es wichtig, dass die Songs in einer guten Reihenfolge platziert werden und einen guten Spannungsbogen liefern. Die Songs sollten in einer Ästhetik produziert werden, die zum Sound passt. Wenn dann das Album Cover auch noch visuell widerspiegelt, was auf dem Tonträger ist, ist die künstlerische Arbeit meinerseits erledigt und ich kann mich um die neuen Songs fürs nächste Album kümmern.
Tom: Mögt ihr eigentlich Cover-Songs?
Marc: Ja, wenn sie mindestens genauso gut sind oder besser als das Original auf jeden Fall. Ich finde zum Beispiel das Cover von „Girl Band“ zum Song „Why They Hide Their Bodies Under My Garage“ sehr gelungen. Das ist ein Track von einem DJ, der von einer Noise Band neu interpretiert wurde. Da gefällt mir das Cover deutlich besser.
Tom: Die Tour zum neuen Album ist ausgefallen! Was bedeutet das für die Band?
Marc: Wir mussten ca. 20 Shows in Europa absagen und schauen aktuell nach Ersatzterminen im Herbst. Da aber immer noch ungewiss ist, ab wann wieder Shows gespielt werden dürfen, sind wir in einem Schwebezustand und können nur hoffen, dass bald ein Impfstoff auf den Markt kommt, was dann sehr wahrscheinlich eine Lockerung der aktuell herrschenden Restriktionen zur Folge hätte. In der Schweiz werden Kulturlokale, Theater und Kinos laut Entscheid des Bundesrates die letzten sein, welche den Betrieb wieder aufnehmen dürfen.
Statt für die Tour zu proben haben wir kürzlich ein Konzert in unserem Studio aufgenommen und gefilmt und haben dieses am 30. April auf Youtube und Facebook veröffentlicht. Ansonsten schreiben wir aktuell an neuen Songs. Viel mehr bleibt uns auch nicht übrig.
Tom: Spielen die Mitglieder der Band noch in anderen Bandprojekten?
Marc: Dominique nimmt gerade mit „Death Of A Cheerleader“ ein neues Album auf und hat nebenbei noch diverse eigene Projekte in verschiedensten Stilrichtungen. Marco hat nebenbei sein Solo Projekt mit dem Namen „The Night Is Still Young“. Ich bin bei den „Flexi Recoding Session“ dabei und arbeite noch als Produzent im eigenen Studio und bin somit mehrmals im Jahr in Bandprojekte involviert.
Tom: Wie sieht die aktuelle Existenzsituation der Bandmitglieder aus?
Marc: Da wir alle noch Teilzeitjobs nebenbei haben, können wir uns über Wasser halten. Wie sich das auf die Musik auswirkt, kann ich aktuell nicht sagen. Die letzte Probe und die Online Konzert-Session machten auf jeden Fall richtig Spaß.
Tom: War das Label Noisolution in die Produktion des neuen Albums eingebunden?
Marc: Beim Songwriting sind wir vollkommen frei. Wir zeigen Noisolution aber meist die Demos und besprechen Sie dann gemeinsam. Arne hat ein gutes Ohr und ich hör mir seine konstruktiven Feedbacks immer gerne an.
Wir gehören aber zum Glück nicht zur Sorte Bands, wo der Labelmanager im Studio steht und dem Produzenten erklären will, wie er die Band aufzunehmen hat.
Tom: Gibt es eine besondere Geschichte zum neuen Album „Grief, Roses & Gasoline“?
Marc: Die Rosen erinnern auch in dunklen Zeiten an die Liebe und die Hoffnung. Der Kummer wird immer wieder an der Haustür anklopfen, die Rosen – sinnbildlich für die Liebe – werden helfen, die dunklen Tage zu ertragen und das Benzin (Gasoline) hilft die dunkle Vergangenheit anzuzünden und zu verbrennen. Es geht um die Versöhnung mit der Vergangenheit und um das Aufstehen nach einem Schicksalsschlag.
Tom: Was verändert sich in der Zusammenarbeit mit dem Label in diesen schwierigen Zeiten?
Marc: Wir mussten zuerst einen Plan B aushecken und haben nach wie vor regen Email-Verkehr und versuchen zu machen, was möglich ist – und natürlich improvisieren wir wo nötig. Statt in die Radio Studios zu fahren, nehmen wir die Interviews selbst im Studio auf oder schneiden ein Skype Gespräch mit. Statt 20 Shows zu spielen, spielen wir ein Konzert im Proberaum und mischen und schneiden es selbst. Das ist vom Zeitaufwand her etwa das selbe wie eine Tour zu spielen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon jetzt auf die Zeit, wo wir weniger vor Kameras und mehr vor Menschen spielen dürfen.
Tom: Schon Pläne für das nächste Album? Nutzt ihr die schwierige Zeit für neue Musik?
Marc: Ich habe bereits ein paar neue Demos aufgenommen. Wir werden wahrscheinlich ab Mai anfangen, an neuem Material zu arbeiten. Da gibt es aber noch keine konkreten Pläne. Da haben wir keinen Stress. Das neue Album kommt ja erst am 22. Mai raus.
Tom: Eine Krise ist ja auch immer Chance für etwas Neues – auch wenn diese Bemerkung in diesen Tagen schon etwas abgeleiert wirkt. Hat es bei euch neue Wege aufgetan oder andere Wege Projekte ins Leben gerufen?
Marc: Ein Freund von mir gleist aktuell etwas auf in der Roten Fabrik in Zürich. Die Idee wäre, dass während der Zeit, in der die Halle leer steht, Künstler die Möglichkeit haben, Projekte durchzuführen. In welcher Form dies aber genau stattfinden wird, muss ich mir aber erst noch ausdenken.
Tom: Wie geht es der Musikszene in Winterthur?
Marc: Eigentlich ganz gut. Wir haben eine sehr lebendige Musikszene hier in der Stadt und sind gut miteinander vernetzt. Das ist sehr inspirierend. Ich nehme aktuell die Band „Rue Des Cascades“ auf. Leute, die auf „Swans“ oder „Sonic Youth“ stehen, sollten diese Band mal auschecken. Da kommt bald eine coole Platte.
Auch auschecken würde ich die „Flexi Recording Sessions“, welche ich vor ein paar Jahren mit Freunden ins Leben gerufen habe. Da mischen wir die Mitglieder von fünf Winterthurer Rock Bands und stellen vier neue Bands zusammen. Die neuen Konstellationen kriegen dann vierundzwanzig Stunden Zeit um einen Song schreiben. Nach weiteren vierundzwanzig Stunden geht es dann direkt ins Studio und jede Formation kriegt zwei Stunden Zeit um den Song einzuspielen. Das Ganze wird dann von einem Mixing Engineer aus der Szene gemischt und gemastert. Fürs Artwork spannen wir noch die Kunstszene mit ein. Die vier Songs erscheinen dann auf einer Flexi Disc auf dem Winterthurer Label Flexi Disko. Gefeiert wird das ganze jeweils im Kraftfeld, ein schmucker Kulturladen in Winterthur. Für die Promotion hilft das Alternative Radio Stadtfilter und ein in Winterthur ansässiges Kulturmagazin. Wir machen das alle zwei Jahre und nächstes Jahr ist es schon soweit für die dritte Session.
Tom: Deine aktuellen Lieblingsalben in diesen schwierigen Zeiten?
Marc: Die EP von „24/7 Diva Heaven“ erinnert mich an die Tour im letzten Herbst. Da kommen gute Vibes hoch. Ansonsten haben die Jungs von „Heavy Harvest“ neue Tracks veröffentlicht, die aktuell gerne aus meiner Anlage ballern. Ansonsten helfen die „Beastie Boys“ mit „Hello Nasty“ oder „Velvet Underground & Nico“ immer durch schwere Zeiten.
Tom: Magst Du noch eine Frage beantworten, die ich vergessen habe zu stellen?
Marc: Ich glaube ich habe für den Moment alles gesagt. Vielen Dank für das nette Interview.
Wir bedanken uns für die Zeit und die nette Zusammenarbeit. Und jetzt die Nadel in die Einlaufrille von „Grief, Roses & Gasoline“. (Thomas Neumann)
Photos von: Thomas Neumann und Steve Gullick
Label: Noisolution
Aktuelles Album: Grief, Roses & Gasoline (2020) [— Link zum Review —]
Line Up:
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Marc Bouffé – Gesang, Gitarre
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Dominique Destraz – Schlagzeug
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Marco Naef – Bass
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