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Iron Maiden – Senjutsu

(jensS) Auch wenn man eine Rezension dieses Albums hier womöglich eher weniger verorten würde, wage ich mich mal heran. Immerhin war doch „Iron Maiden“ – nebst anderen – eine der federführenden Bands, die mich musikalisch sozialisierten. Vor etwas mehr als 40 Jahren etablierten sie sich als eine der originellsten Metal-Bands, die dem Zeitalter der „NWOBHM“ („New Wave Of British Heavy Metal“) entsprangen. Sie kreierten mit den Jahren das stets wiedererkennbare „Maidenesque“-Riff und fast Bach-ähnliche Melodien, die in der Lage waren, in wenigen Sekunden dramatische Minuten abzubilden. Diese Melodien hallten später in der Musik von unzähligen Bands zwischen „Metallica“ und „Papa Roach“ wider.

Nun sind sie mit ihrem 17. Studioalbum am Start. Die Band sagt, ihr Albumtitel werde aus dem Japanischen mit „Strategie“ (oder „Taktik“) übersetzt und die Tatsache, dass Maiden eine strategische Geduld besitzen, ihre komplexeren Ouvertüren auch mal sechs Jahre lang zu planen, ist sicherlich ein Privileg ihres Alters. Aber was ist das Ergebnis? Packendes Monumentalepos oder künstlich aufgeblähter Pathos?

Der Trend zu immer längeren, getragenen Epen setzt sich auf „Senjutsu“ fort. „Iron Maiden“ weichen keinen Deut von Ihrer auf den letzten Alben vorgetragenen Linie ab. 7 der 10 Songs sind über 7 Minuten lang. Nur einer unter 5 Minuten. Das kann spannend sein, ist es aber eben nicht automatisch. Der Aufbau der Songs ist zumeist der altbekannte: eine balladeske Einleitung, dann geht‘s mit dem eigentlichen Song etwas massiver zur Sache, nun warten wir noch bis alle drei Gitarristen ihre teils eher uninspirierten, wenig spannenden, Soli abgearbeitet haben und zum Finale wird dann gerne wieder ein balladesker Ausklang serviert. OK, kann man so machen, bietet nur irgendwann keinen wirklichen „Thrill“ mehr.

Wenn du einstmals Knallern wie „Aces High“ und „2 Minutes To Midnight“ ein Epos wie „Rime of the Ancient Mariner“ folgen lässt, ergibt das ein ausgewogenes Album („Powerslave“). Jedoch beinahe nur noch zehnminütige Epen – wie auf „Senjutsu“ geschehen – zu pressen und kaum mehr kurze, mitreißende Nummern zu bieten – das lässt bisweilen Originalität missen. Songs wie „Lost in a Lost World“ oder „The Parchment“ sind leider meilenweit entfernt von der Zeit, als Iron Maiden auch über 13 oder mehr Minuten die Spannung eines hymnischen Metal-Songs aufrechterhalten konnten.

Überhaupt redet man ja gerne und lang schon davon, dass Maiden „proggiger“ wurden, aber mal ehrlich: für ein gutes Prog-Album ist auch „Senjutsu“ meiner bescheidenen Meinung nach viel zu wenig innovativ und zu wenig fesselnd. Die vielerorts hochgelobte Progressivität hat sich mir deshalb auch nicht vollends erschlossen. Nur, weil man sich mittlerweile an kein Reimschema mehr hält, in meinen Ohren eher redundante Keyboardteppiche legt und Songs temporär ausdehnt, wird die Musik in Gänze doch nicht per se spannender.

Unter dem Strich bietet der Output mit „Stratego“ (typisch „Maiden“-galoppierend), „The Writing On The Wall“ (stampfender, klar strukturierter Song mit besonderem bluesigem Hardrock-Flair) oder auch „Hell On Earth“ aber durchaus Tracks, die mir wirklich gut gefallen. Aber schon bei Letzterem zeigt sich das Problem. Er bietet viele typische „Maiden“-Trademarks, bläht sich aber leider viel zu lang auf. Ohnehin gilt dies insbesondere für sämtliche drei Harris-Tracks, die den Abschluss des Albums bilden.

Die Produktion von Kevin „Cavemen“ Shirley ist zudem abermals gewohnt dumpf ausgefallen – ich kann mir nicht erklären, warum man diesen Sound jedes Mal wieder anstrebt. Die Produktion ist, zitieren wir einfach mal die Angelsachsen, „all over the place“. Warum nur lässt Harris Shirley dies immer wieder exakt so tun? Selten hat man die beinahe „altmodischen“ Produktionen des vor einem Jahr verstorbenen Martin Birch (bis 1992) mehr vermisst.

„Senjutsu“ ist objektiv sicherlich kein schlechtes Album. Allerdings wirken mir viel zu viele Songteile erschreckend beliebig – oder umgekehrt: Die teilweise guten Ideen müssen sich mit viel zu langen, nichtssagenden Passagen auseinandersetzen; die Platte setzt völlig falsche Schwerpunkte. Und genau hier liegt auch ein weiterer meiner Kritikpunkte. Es hätte sicherlich 20 Minuten kürzer ausfallen dürfen. Nein, müssen. Es bleibt bei mir kein Song wirklich im Ohr. Kein Riff, keine Melodie, keine Textpassage – schlichtweg gar nichts.

„Iron Maiden“ wirken mittlerweile auf mich wie eine Band, die nach über 40 Jahren nur noch im Wettbewerb mit sich selbst zu stehen scheint – was man leider nur allzu deutlich hört. Die Crux des Ganzen: das Album wirkt ab und an selbstgefällig. Echte Fans wird das vielleicht gar nicht stören. Mich mittlerweile schon.

Abschließend bleibt unmissverständlich festzuhalten: „Iron Maiden“ waren stets und werden es auch immer bleiben: eine großartige „Heavy Metal“ Band und zugleich Speerspitze eines gesamten Genres, überhaupt keine Frage. Nur scheiden sich eben zunehmend unsere gemeinsamen Wege. Rein musikalisch. Aus „Up The Irons“ wird bei mir peu à peu ein wahrlich sentimentales „Ab (mit) The Irons“. Nix für ungut, Jungs….(jensS)

Tracklist:

01 Senjutsu
02 Stratego
03 The Writing On The Wall
04 Lost In A Lost World
05 Days Of Future Past
06 The Time Machine
07 Darkest Hour
08 Death Of The Celts
09 The Parchment
10 Hell On Earth

https://www.youtube.com/channel/UCaisXKBdNOYqGr2qOXCLchQ
https://www.ironmaiden.com/

Filed under: Album Reviews, Metal,

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